Den 29 März 1773.

[228] Ich bin außer Stande, Ihnen viel zu schreiben; Gesundheit und Geschäffte gestatten mirs nicht. Nehmen sie dieses kleine Andenken meiner Freundschaft mit der Ihnen natürlichen Güte an, und lassen Sie mich gelegentlich Ihr belehrendes Urtheil wissen.

Der gegenwärtige Zustand des Christenthums, insonderheit in Deutschland, scheint mir einer großen Revolution entgegen zu eilen. Man geht zu dreiste und zu eigensinnig immer auf den Extremen. Es braucht sehr viel Ehrlichkeit und Weisheit – zu dem evangelischen Christo zu stehen. Es wird bald dazu kommen, daß es heißen wird: – »Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich! ..«

Gottes Wahrheit und Güte sey in uns wirksam. Laßt uns den Unerkannten – außer Jesu Christo unerkennbaren Gott – mit Einfalt suchen; so werden wir seine Herrlichkeit sehen und frohlocken. Amen.[228]

Quelle:
Lavater, Johann Kaspar: Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuche eines Beobachters seiner Selbst, Leipzig 1773, S. 228-229.
Lizenz:
Kategorien: