Der Teufel


[539] Landstraße.


MEPHISTOPHELES allein, und dem forteilenden Faust von ferne nachschreitend.

Am Menschen ists ein mir beliebter Zug,

Daß, wenns Geschick ihm eine Wunde schlug,[539]

Wenn ein Verdruß die Seele ihm erweicht,

Der Sinnenreiz viel freier ihn beschleicht;

Als wären alsdann seine Tugendwächter,

– Die doch am Ende nur gedungne Fechter –

Vom Schmerz berauscht, verschlafen an der Pforte.

Gewaltig packten ihn des Grafen Worte;

Nun stehts mit meinem Faust am rechten Sprunge,

Ganz durchgeweicht ist mir der arme Junge.

Wogegen er sich lange mochte sträuben,

Dem wird er nun sich rasch entgegenstürzen,

Im Drang sich zu zerstreuen, zu betäuben,

Die Tage des Verdrusses abzukürzen,

Frisch zu verzehren seine Lebenskraft

Im Todestaumel süßer Leidenschaft.

Von Christus ist er los; noch hab ich nur

Zu lösen meinen Faust von der Natur.

Gelingen wirds, ich hab es mir durchdacht:

Tief in die Lust, bevor die Lieb erwacht!

Mit Weibern zärtlich rohes Spiel getrieben!

Manch Kind gezeugt! – So wird der grade Stand

Sich zwischen Faust und der Natur verschieben

Und er im Unmut stürmen an den Rand.

Dann faßt die Liebe ihn am steilen Bord

Und stürzt hinab ihn jählings in den Mord.

Und schlug er der Natur dann manche Wunde,

So läßt sein Stolz ihn nicht Versöhnung suchen;

Nein! weil er sie gekränkt, wird er ihr fluchen

Und los sich reißen wild aus ihrem Bunde.

Ist mir der Bruch gelungen zwischen beiden,

Von jeder Friedensmacht ihn abzuschneiden,

Dann setzt er sich mit seinem Ich allein,

Und in den Kreis spring ich dann mit hinein.

Dann laß ich rings um ihn mein Feuer brennen,

Er wird im Glutring hierhin, dorthin rennen,

Ein Skorpion sein eignes Ich erstechen. –[540]

So wird mein Schmerz am Göttlichen sich rächen,

So will Verstoßner ich mein Leiden kühlen,

Verderbend mich als Gegenschöpfer fühlen.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 539-541.
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