Fünfte Szene

[113] Graf Camäleon. Herr von Biederling. Frau von Biederling.


HERR VON BIEDERLING. Warum bringen Sie uns denn die Frau Gemahlin nicht mit?

GRAF. Meine Frau? – Wer hat Ihnen gesagt, daß ich verheiratet sei?

HERR VON BIEDERLING. In Dresden, die ganze Stadt – Verzeihen Sie, die spanische Gräfin, die Sie mitgebracht haben –

GRAF. Ist meine Brudersfrau.

HERR VON BIEDERLING. Des Herrn Bruders, der noch in Spanien ... o! o! o! Denk doch, denk doch! und ich habe ganz gewiß geglaubt – nehmen Sie's aber nicht übel –[113]

GRAF. Er wird ehestens auch ins Land kommen –

FRAU VON BIEDERLING. Wie kommt es, daß wir so unvermutet das Glück haben –

GRAF. Ich hab meinen Entschluß ändern müssen, gnädige Frau! ich komme nicht her, Kur zu trinken, ein unvorgesehner Unglücksfall zwingt mich, diesen Zufluchtsort zu suchen.

HERR VON BIEDERLING. Doch wohl kein Duell – da sei Gott vor.

GRAF. So ist es, die Gerechtigkeit verfolgt mich, und meine schwächliche Gesundheit hindert mich, aus dem Land zu gehen. Ich habe den Grafen Erzleben erschossen.

FRAU VON BIEDERLING. Gott!

HERR VON BIEDERLING. So muß es kein Mensch erfahren, daß er hier ist, hörst du! unsere Tochter selber nicht, keine menschliche Seele, ich denke, wir logieren ihn ins Gartenhäuschen, ist ja ein Kamin drin, sich des Abends ein klein Feuer anzumachen, weil doch die Nächte noch kalt sind, ich will ihm das Essen allezeit selber – oder nein, nein zum Geier, da merkt man's, ich will im Gartenhaus immer mit ihm essen, als tät ich's vor mein Pläsier, und du mußt mir immer das Essen hintragen, liebes Suschen! willt du?

GRAF. Was haben Sie für Hausgenossen?

HERR VON BIEDERLING. Niemand als einen indianischen Prinzen, das der scharmanteste artigste Mann von der Welt ist, er denkt diesen Sommer noch in Paris zu sein.

GRAF. Der würde mich wohl nicht verraten.

HERR VON BIEDERLING. Nein, gewiß nicht. Soll ich's ihm erzählen? Aber ich erwarte da noch einen guten Freund, das freilich mein guter Freund auch ist, aber doch möcht ich ihm so was – sehen Sie, er ist ein großer Verehrer von den Jesuiten, weiß es der Henker, was er immer mit ihnen hat – – nein, nein, wie ich gesagt habe, Sie bleiben im Gartenhäuschen und so wollen wir das machen, sonst könnte uns der Zopf überfallen.[114]

GRAF. Ihr Pachtgut soll Ihnen aufs eheste eingeräumet werden, ich hab Briefe von meinem Verwalter, die Gebäude werden bald unter Dach sein. Es sind einige Koppel auch schon zu Baumschulen eingehegt, wenn Sie's mit Ihren Maulbeerbäumen versuchen wollen.

HERR VON BIEDERLING. O gehorsamer Diener, gehorsamer Diener! Zopf wird mir einige hundert mitbringen. Aber so mach denn, Frau, daß das Gartenhäuschen aufgeputzt – wollen wir's besehen? sehen Sie, unsere Schlafkammer führt gerad in den Garten und da ist's nur fünf Schritt. – Sie können in Abrahams Schoß nicht sicherer sein.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 113-115.
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