Zweite Szene


[298] Der Schauplatz verwandelt sich in einen Gasthof in Cadiz.

Dorantino, Strombolo, Doria, Mezzotinto und andere Gäste an einer Table d'hôte.


STROMBOLO in der Zeitung lesend. Er ist dem Hofe nach Ildefonse gefolgt, aber nur zwei Tage da geblieben.

DORIA. Ein schlechter Kerl! Das ein Philosoph? Wenn zu einem Genie nichts mehr gehört, als Spitzbubenstreiche zu machen.

STROMBOLO läßt das Blatt fallen. Mit Ihrer Erlaubnis, von wem reden Sie?

DORIA. Von wem Sie auch reden –

STROMBOLO. Vom Minister?

DORIA. Vom Strephon, zum Teufel, vom Strephon, von[298] wem anders? Ich dachte, Sie redten auch vom Strephon. Ein Spitzbube in optima forma. Er schickt mich zum Don Alvarez, der einen Gesellschafter sucht und mich hundertmal drüber angeredt hat, und als ich mich endlich entschließe und eben hinkommen will, ihm meine Einwilligung zu geben –

STROMBOLO. Ich dachte, er brauchte einen Sekretär, haben Sie mir gesagt –

DORIA. Nun ja, so hat er sich davon gemacht, ist mit Herrn Strephon zu Schiff gegangen.

MEZZOTINTO. Zu Schiff, sagen Sie? – Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Doria, das muß ich besser wissen. Er ist nach Orensee ins Bad gereist mit seiner Schwester, von da werden sie –

DORIA. Sie sind schlecht berichtet, Herr Mezzotinto. Ich muß es doch zum Teufel aus guter Hand haben, da ich mit dem Castellan selber gesprochen, der ihnen in ihrem Jagdschiff das Geleit gegeben.

MEZZOTINTO. Sie wollen nach Hofe gehn, um Strephon eine Stelle dort auszumachen?

DORIA. Nach Frankreich sind sie gegangen, mein Herr, nach Frankreich, und schweigen Sie still, wenn Sie es nicht wissen, und reden nicht so in den Tag hinein. Nach Frankreich, das können Sie Ihrem Neuigkeitskrämer wieder erzählen.

MEZZOTINTO. Muß man denn alles sagen, was man weiß? Sehen Sie denn nicht, daß es nötig war, die wahre Absicht ihrer Reise zu maskieren? da Strephon – ich darf nichts weiter sagen, aber Sie sind doch alle einig mit mir, meine Herren, daß Strephon ein kluger Kopf ist. Ein wenig zu geheimnisvoll war er sonst, aber gegen mich nicht.


Lacht und trinkt.


STROMBOLO mit einem vielbedeutenden Kopf schütteln, indem er Doria langsam auf die Schulter schlägt. Ja, mein lieber Herr Doria, Herr Strephon war ein Mensch, wie alle andern Menschen auch sind.[299]

DORIA. Er war ein Spitzbube, ein Mensch ohne Ehre, ohne Treu und Glauben.

STROMBOLO. Das möcht ich nun eben nicht sagen. Lächelnd. Verstand genug dazu hatte er –

DORIA. Und auch den Willen. Das beweist die Tat.

STROMBOLO. Er kann vielleicht in der Übereilung weggereist sein, ohne vorher an sein Versprechen zu denken, wiewohl das nun auch nicht artig ist –

MEZZOTINTO schmatzend. Ja meine lieben Herren, Sie können von alle dem gar kein Urteil fällen, sehen Sie einmal, weil Sie von den Umständen nicht unterrichtet sind. Ich weiß es vielleicht allein, warum Strephon nicht anders hat handeln können, als er gehandelt hat. Kehrt sich zu Dorantino, der ihm zur Linken sitzt, indem er sich auf den Tisch lehnt. Der Gemahl einer schönen und reichen Donna zu werden, Herr! das ist keine Narrenposse – da kann man die Philosophie schon scheitern lassen.

DORIA. Was sagen Sie, mein Herr?

MEZZOTINTO sieht ihn an, ohne ihm zu antworten.

STROMBOLO der gehorcht hat. Ja so – nun begreif ich's auch –

DORANTINO sehr freundschaftlich zu Mezzotinto. Aber hört einmal, lieber Mann, das ist doch nicht schön vom Herrn Strephon, daß er mir nichts davon gesagt hat. Ich bin sein ander Ich gewesen, er hat nichts vor mir geheim gehalten, ich bin der einzige gewesen, der ihn hier unterstützt hat, hätt ich ihm nicht auf die Beine geholfen, er läge itzt vielleicht am Zaun verreckt – Trinkt. Ich kann mir doch nicht einbilden, daß er so undankbar gegen mich sein würde und mir ein Geheimnis aus seinem Glück gemacht habe.

MEZZOTINTO. Wenn ein gewisser Herr seinen Trauring von einer gewissen Person zurückgeschickt bekommt, so muß das doch seinen zureichenden Grund haben und den Grund weiß ich.


Trinkt.[300]


STROMBOLO. Das ist wahr, daß Herr Strephon immer für sich selbst zuerst zu sorgen pflegte. Er wußte sich aber doch bisweilen einen sehr großmütigen Anstrich zu geben.

DORIA. Und war doch nichts als Judas dahinter. Da haben Sie nun ein wahres Wort gesagt, mein allerliebster Herr Strombolo.

STROMBOLO. Alle Leute von Verstand und Genie handeln so. Und das muß auch sein. Es muß ein Unterscheid sein.

DORIA. Darum wollt ich eben kein Mann von Verstand und Genie sein. – Ihr Herren, es hat zwei geschlagen, wer kommt mit mir aufs Kaffeehaus?


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 298-301.
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