Fünfte Szene


[304] Alvarez tritt herein, einen Brief in der Hand.


ALVAREZ. Da ein Brief, Strephon, vom Don Prado – seht doch einmal, was dran ist und beantwortet ihn – wenn Ihr vorher mit meiner Schwester geredt habt.

STREPHON nimmt den Brief zitternd. Vom Don Prado? – Bei Seite. Welch ein kalter Schauder überfällt mich! Etwas bebend im Ton der Stimme. Don Prado, wo mag er unsern Aufenthalt erfahren haben?

ALVAREZ. Weiß ich es? die Schwester, glaube ich, könnte nach Polen gehen, er würde sie doch immer mit Briefen dahin verfolgen. Ich wünschte, der Mensch könnte sie vergessen, denn es tut mir doch leid um ihn.

STREPHON mit schwacher Stimme. Mir auch –

ALVAREZ. Na, wie steht's mit unserm kleinen Theater? Seid Ihr bald fertig mit Euren Schauspielern. Ihr könntet Euer Stück auch immer nachher auf dem großen Theater spielen lassen, wenn die Marquisin von Chateauneuf es billigt, denn sie ist eine Kennerin.

STREPHON. Das bin ich versichert. Ich will den Brief nicht aufbrechen, bis alles vorbei ist. Er könnte mich sonst in meiner Aktion stören.

ALVAREZ. Gut, gut, wer treibt Euch denn? Mir zu Gefallen könnt Ihr ihn auch übers Jahr aufmachen. Nur daß unser kleines Spektakel was Guts werde, denn die Marquisin, hört einmal, hat einen sehr verwöhnten Geschmack. Ihr dürft ihr nichts Mittelmäßiges bringen, ich rat es Euch. Es muß nicht zu – tragisch sein, auch nicht zu – komisch, nicht zu heftig – auch nicht zu kalt, nicht[304] zu hoch – auch nicht zu gemein – kurzum, Ihr wißt schon, was ich sagen will.

STREPHON. Ich hoffe, daß Sie alle sollen befriedigt werden.

ALVAREZ. Na ich glaube, Ihr habt Euch eben vorbereitet, ich will Euch nicht stören. Lebt wohl und haltet Euch gut.


Geht ab.


STREPHON. Vom Don Prado. Den Brief auf der Hand schlagend. Nimmer, nimmer will ich ihn erbrechen. – Don Prado, der alles das ist, was ich sein könnte – zu sein hoffe – nie sein werde – – – Und bin ich schuld daran? hab ich sie dir entzogen? hab ich den mindesten Schritt die geringste Bewegung gemacht, sie zu dem Bruch zu vermögen? Hab ich ein Haar dir im Weg gelegt? – Don Prado, Don Prado, du erdrückest mich – du verdienst sie, du verdienst sie – aber ich kann sie dir nicht abtreten, nimmer, nimmer, so lange noch Muskelkraft in diesem Herzen ist. – Wenn Doria – Mezzotinto – ach wie werden meine Freunde meinen Namen vierteilen – Doria – ach ich habe vergessen, von ihm mit Alvarez – Ich Unglücklicher, er hat einen andern – Guter Gott, was ist der Mensch? Mögen sie mich schwarz machen wie den Teufel, wenn ich Seraphinen erhalte, bin ich engelrein.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 304-305.
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