Sechste Szene

[218] Frau Wesenern. Mariane. Charlotte.


FRAU WESENERN. Es ist eine Schande wie Sie mit ihm umgeht. Ich seh keinen Unterschied, wie du dem Desportes begegnet bist, so begegnest du ihm auch.[218]

MARIANE. Was soll ich denn machen Mamma? Wenn er nun sein bester Freund ist und er uns allein noch Nachrichten von ihm verschaffen kann.

CHARLOTTE. Wenn er dir nicht soviele Präsente machte, würdst du auch anders mit ihm sein.

MARIANE. Soll ich ihm denn die Präsente ins Gesicht zurückwerfen? Ich muß doch wohl höflich mit ihm sein da er noch der einzige ist der mit ihm korrespondiert. Wenn ich ihn abschrecke, da wird schön Dings herauskommen, er fängt ja alle Briefe auf die der Pappa an seinen Vater schreibt, das hört Sie ja.

FRAU WESENERN. Kurz und gut, du sollst nun nicht ausfahren mit diesem, ich leid es nicht.

MARIANE. So komm Sie denn mit Mama! er hat Pferd und Cabriolet bestellt, sollen die wieder zurückfahren?

FRAU WESENER. Was geht's mich an?

MARIANE. So komm du denn mit Lotte – Was fang ich nun an? Mamma Sie weiß nicht was ich alles aussteh um Ihrentwillen.

CHARLOTTE. Sie ist frech obenein.

MARIANE. Schweig du nur still.

LOTTE etwas leise für sich. Soldatenmensch.

MARIANE tut als ob sie's nicht hörte und fährt fort sich vor dem Spiegel zu putzen. Wenn wir den Mary beleidigen, so haben wir alles uns selber vorzuwerfen.

LOTTE laut, indem sie schnell zur Stube hinausgeht. Soldatenmensch!

MARIANE kehrt sich um. Seh Sie nur Mamma! Die Hände faltend.

FRAU WESENER. Wer kann dir helfen, du machst es darnach.


Mary tritt herein.


MARIANE heitert schnell ihr Gesicht auf. Mit der größten Munterkeit und Freundlichkeit ihm entgegen gehend. Ihre Dienerin Herr von Mary! haben Sie wohl geschlafen?[219]

MARY. Unvergleichlich meine gnädige Mademoiselle! ich habe das ganze gestrige Feuerwerk im Traum zum andernmal gesehen.

MARIANE. Es war doch recht schön.

MARY. Es muß wohl schön gewesen sein, weil es Ihre Approbation hat.

MARIANE. O ich bin keine Connoisseuse von den Sachen, ich sage nur wieder, wie ich es von Ihnen gehört habe. Er küßt ihr die Hand, sie macht einen tiefen Knicks. Sie sehen uns hier noch ganz in Rumor, meine Mutter wird gleich fertig sein.

MARY. Madam Wesener kommen also mit?

FRAU WESENER trocken. Wie so? ist kein Platz für mich da?

MARY. O ja, ich steh hinten auf und mein Caspar kann zu Fuß vorangehn.

MARIANE. Hören Sie, Ihr Soldat gleicht sehr viel einem gewissen Menschen den ich ehemals gekannt habe und der auch um mich angehalten hat.

MARY. Und Sie gaben ihm ein Körbchen. Daran ist auch der Desportes wohl schuld gewesen.

MARIANE. Er hat mir's eingetränkt.

MARY. Wollen wir? Er bietet ihr die Hand, sie macht ihm einen Knicks und winkt auf ihre Mutter, er gibt Frau Wesenern die Hand und sie folgt ihnen.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 218-220.
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