Drittes Kapitel

[173] Er war Kollege unserer Kinderfrau am Theater; der Unterschied lag nur darin, daß sie »auf der Bühne Vorstellungen gab und Tänze aufführte«, während er nur ein »Toupetkünstler«, d.h. Friseur und Schminkmeister war und alle leibeigenen Schauspielerinnen des Grafen »anzumalen und zu frisieren« hatte. Er war aber kein alltäglicher Meister mit dem Frisierkamm hinter dem Ohr und der Büchse mit der Fettschminke in der Hand, sondern ein Mann mit eigenen Ideen, mit einem Worte ein Künstler.

Ljubow Onissimowna behauptete, daß niemand so gut wie er einem Gesicht »einen Ausdruck« zu verleihen verstand.

Ich kann heute nicht mehr genau sagen, unter welchem von den Grafen Kamenskij diese beiden Künstler gewirkt haben. Es sind drei Grafen dieses Namens bekannt, und alle drei galten in Orjol als »grausame Tyrannen«. Der Feldmarschall Michailo Fedotowisch wurde im Jahre 1809 von seinen eigenen Bauern wegen seiner Grausamkeit erschlagen;[173] dieser hatte zwei Söhne: Nikolai und Ssergej, von denen der erste im Jahre 1811 und der zweite im Jahre 1835 gestorben war.

Als Kind, in den vierziger Jahren, ging ich oft an einem riesengroßen, hölzernen Gebäude vorbei, auf dessen Fassade mit schwarzer und brauner Farbe falsche Fenster gemalt waren und das von einem langen, halb eingefallenen Bretterzaun umgeben war. Es war das verrufene Herrenhaus des Grafen Kamenskij; gleich daneben befand sich auch das Theater. Das letztere stand so, daß man es vom Friedhofe an der Dreifaltigkeitskirche aus gut sehen konnte, und Ljubow Onissimowna leitete alle ihre Erzählungen mit den Worten ein:

»Schau mal hinüber, mein Lieber ... Siehst du das schreckliche Gebäude?«

»Ja, es ist schrecklich, Kinderfrau!«

»Nun will ich dir etwas noch Schrecklicheres erzählen.«

Eine ihrer Erzählungen vom Toupetkünstler Arkadij, einem empfindsamen und kühnen jungen Mann, der ihrem Herzen nahe stand, will ich hier wiedergeben.

Quelle:
Ljesskow, Nikolai: Der versiegelte Engel und andere Geschichten. München 1922, S. 173-174.
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