Schönaich (?), Possen im Taschenformate

[219] Leipzig. Allda sind vor kurzen drei Bogen in Duodez auf Schreibpapier unter dem Titel: Possen im Taschenformate, gedruckt worden. Ihr Verfasser [Christoph Otto Freiherr von Schönaich ?], oder wenigstens ein guter Freund von ihm, hat die Vorsicht gehabt, uns folgende Rezension davon zuzuschicken. »Wir sind für das feine und für das muntere in der Satyre viel zu stark eingenommen, als daß wir gegenwärtigen Bogen nicht ihr gebührendes Recht sollten widerfahren lassen. Der Herr Verfasser hat seine Possen in lauter kleine Kapitel geteilet, in deren jedem er ein gewisses[219] Etwas abhandelt. Als z. E. etwas moralisches, etwas poetisches, etwas historisches, etwas kritisches u.s.w. Die Herren Kunstrichter bekommen hier eben so wohl ihren Teil, als die strengen Philosophen, die jede sonnenklare Wahrheit auf das abstrakteste demonstrieren wollen. Der Verfasser hat dem Frauenzimmer eben so lachend die Wahrheit gesagt, als den finstern Altertumsforschern. Ein Lustspiel von 5 Handlungen ist hier auf 5 Duodezseiten zu sehen. Es hat alle erforderliche Eigenschaften eines Lustspiels, und der Leser wird über dieses eben so gut lachen müssen, als er über eines von 4 Stunden lacht. Die Handlung des gegenwärtigen dauert 6 Stunden. Die Beschreibung von Utopien ist sehr lehrreich, und die verschiednen Arten der Waffen sind voller Witz; kurz diese drei Bogen enthalten so viel, als manche Satyre von drei Alphabeten.« – – Daß wir diese Lobsprüche unverändert mitteilen, kann man aus dem 142. Blatte der »Hallischen Zeitung« erkennen, wo man eben dasselbe Formular, nur mit einem etwas veränderten Anfange, finden wird. Es heißt nämlich daselbst: »es ist bekannt, bei was für Gelegenheit diese Art kleiner Schriften jüngst Mode zu werden angefangen hat.« Man versteht Sie, mein Herr Panegyrist! Und damit Sie auch alle und jede verstehen mögen, so wollen wir es nur gerade heraussagen, daß diese Possen, welche


––––– – ipse

Non sani esse hominis, non sanus juret Orestes,


eine Satyre auf das Format und die zufällige Einrichtung der Lessingschen Schriften, allem Ansehen nach, sein sollen. Sie kosten drei Groschen; aber auch drei Groschen gibt man nicht für Possen hin. Was war also zu tun, damit sie gleichwohl bekannt würden? Ohne Zweifel hat der Verleger dieser Blätter den besten Einfall gehabt, den man in dieser Absicht nur haben kann. Er hat sie nämlich nachdrucken lassen, und ist entschlossen sie für ihren innerlichen Wert zu verkaufen, d. ist, sie umsonst auszugeben. Sie stehen in den Vossischen Buchläden, hier und in Potsdam den Liebhabern zu Dienste.[220]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 219-221.
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