Schaubert, Briefsteller

[73] Jena. Anweisung zur regelmäßigen Abfassung teutscher Briefe, und besonders der Wohlstandsbriefe, herausgegeben von M. Joh. Wilh. Schaubert. Bei Th. Wilh. Ernst Güth 1751.[75] in 8t. Die Briefsteller und Heldendichter sind jetzt die Modeskribenten in Deutschland. Was brauchten unsere witzigen Köpfe mehr, als zu wissen, daß uns gute Briefe und Epopeen fehlen, um diesen Mangel abzuhelfen? Hätte man ihnen gleich zu Anfange dieses Jahrhunderts diesen Mangel zu Gemüte geführt, so würde unser Vaterland jetzo wenigstens so viel Briefsammlungen, als Gelegenheitscarmina, und eben so viel Heldengedichte als Postillen haben. Wie stolz könnten wir alsdenn gegen die Ausländer sein! Doch nur noch wenige zwanzig Jahre Gedult, meine Herren Balzacs, Bussys, Fontenells, Tassos, Glovers, Miltons etc. so werden Sie sich durch unsere G** R** St** durch unsre B** N** und von Sch** verdunkelt sehen. Wir würden uns ein Vergnügen daraus machen den Herrn M. Schaubert, unter diese Zahl zu setzen, wann wir wüßten, wem wir ihn von den Ausländern entgegen setzen sollten. Wo ist der witzige Kopf unter ihnen, der wenn er dichtet und wenn er Briefe schreibt, so systematisch ist, als nimmermehr kein Kompendium der wolfischen Philosophie? Wir freuen uns recht inniglich über die neue Erweiterung des Reichs der mathematischen Lehrart, und ersuchen den Herrn Verfasser dieser Anweisung, ja bei einer neuen Auflage den Paragraphen die Überschriften, Erklärung, Heuschesatz, Aufgabe, Auflösung, Zusatz etc. beifügen zu lassen; und in seinen eigenen Briefen, wenn er deren eine besondere Sammlung einmal heraus geben sollte, in Randnoten ja wohl anzuzeigen, welches der Hauptinhalt und Nebeninhalt, welches die Hauptgedanken und Nebengedanken derselben sind. Seine Arbeit hat übrigens einen ganz besondern Vorzug, diesen nämlich, daß man gleich aus dem Titel das gründlichste Urteil davon fällen kann. Er will regelmäßige Briefe schreiben lernen. O wahrhaftig was wäre auch sonst schöne als das Regelmäßige! Er darf aber nicht meinen, daß auch wir nichts mehr als den Titel gelesen haben. Eben weil uns die Lesung seiner Bogen Zeit gekostet hat, und wir doch in nichts klüger daraus geworden sind, eben darum haben wir uns aus Verdruß die regelmäßige Freiheit genommen, unsre Meinung zu sagen. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 6 Gr.[76]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 73-77.
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