Siebenter Auftritt


[531] Adrast. Theophan.


THEOPHAN. Ihre Geliebte, Adrast, schickte mich hierher: Ich würde hier nötig sein, sagte sie. Ich eile, und bekomme lauter Rätsel zu hören.

ADRAST. Meine Geliebte? – – Ei! wie fein haben Sie dieses angebracht! Gewiß, Sie konnten Ihre Vorwürfe nicht kürzer fassen.

THEOPHAN. Meine Vorwürfe? Was habe ich Ihnen denn vorzuwerfen?

ADRAST. Wollen Sie etwa die Bestätigung aus meinem Munde hören?

THEOPHAN. Sagen Sie mir nur, was Sie bestätigen wollen? Ich stehe ganz erstaunt hier. – –

ADRAST. Das geht zu weit. Welche kriechende Verstellung! Doch damit sie Ihnen endlich nicht zu sauer wird, so will ich Sie mit Gewalt zwingen, sie abzulegen. – – Ja, es ist alles wahr, was Ihnen Henriette hinterbracht hat. Sie war[531] niederträchtig genug, uns zu behorchen. – Ich liebe Julianen, und habe ihr meine Liebe gestanden. –

THEOPHAN. Sie lieben Julianen? –

ADRAST spöttisch. Und was das Schlimmste dabei ist, ohne den Theophan um Erlaubnis gebeten zu haben.

THEOPHAN. Stellen Sie sich deswegen zufrieden. Sie haben nur eine sehr kleine Formalität übergangen.

ADRAST. Ihre Gelassenheit, Theophan, ist hier nichts Besonders. Sie glauben Ihrer Sachen gewiß zu sein. – – Und ach! wenn Sie es doch weniger wären! Wenn ich doch nur mit der geringsten Wahrscheinlichkeit hinzu setzen könnte, daß Juliane auch mich liebe. Was für eine Wollust sollte mir das Erschrecken sein, das sich in Ihrem Gesichte verraten würde! Was für ein Labsal für mich, wenn ich Sie seufzen hörte, wenn ich Sie zittern sähe! Wie würde ich mich freuen, wenn Sie Ihre ganze Wut an mir auslassen, und mich voller Verzweiflung, ich weiß nicht wohin, verwünschen müßten!

THEOPHAN. So könnte Sie wohl kein Glück entzücken, wenn es nicht durch das Unglück eines andern gewürzt würde? – – Ich betaure den Adrast! Die Liebe muß alle ihre verderbliche Macht an ihm verschwendet haben, weil er so unanständig reden kann.

ADRAST. Wohl! an dieser Miene, an dieser Wendung erinnere ich mich, was ich bin. Es ist wahr, ich bin Ihr Schuldner, Theophan: und gegen seine Schuldner hat man das Recht, immer ein wenig groß zu tun; – – doch Geduld! ich hoffe es nicht lange mehr zu sein. Es hat sich noch ein ehrlicher Mann gefunden, der mich aus dieser Verlegenheit reißen will. Ich weiß nicht, wo er bleibt. Seinem Versprechen gemäß, hätte er bereits mit dem Gelde hier sein sollen. Ich werde wohl tun, wenn ich ihn hole.

THEOPHAN. Aber noch ein Wort, Adrast. Ich will Ihnen mein ganzes Herz entdecken. – –

ADRAST. Diese Entdeckung würde mich nicht sehr belustigen. Ich gehe, und bald werde ich Ihnen mit einem kühnern Gesichte unter die Augen treten können. Geht ab.

THEOPHAN allein. Unbiegsamer Geist! Fast verzweifle ich[532] an meinem Unternehmen. Alles ist bei ihm umsonst. Aber was würde er gesagt haben, wenn er mir Zeit gelassen hätte, ihn für sein Geständnis, mit einem andern ähnlichen Geständnisse zu bezahlen? – – Sie kömmt.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 531-533.
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