Siebenter Auftritt


[552] Juliane. Henriette. Lisette. Lisidor. Theophan. Adrast.


LISETTE. Hier bringe ich sie, Herr Lisidor. Wir sind höchstbegierig, zu wissen, was Sie zu befehlen haben.

LISIDOR. Seht freundlich aus, Mädchen!, ich will euch etwas Fröhliches melden: Morgen solls richtig werden. Macht euch gefaßt!

LISETTE. Was soll richtig werden?[552]

LISIDOR. Für dich wird nichts mit richtig. – Lustig, Mädchens! Hochzeit! Hochzeit! – Nu? Ihr seht ja so barmherzig aus? Was fehlt dir, Juliane?

JULIANE. Sie sollen mich allezeit gehorsam finden, aber nur diesesmal muß ich Ihnen vorstellen, daß Sie mich übereilen würden. – – Himmel! morgen?

LISIDOR. Und du, Henriette?

HENRIETTE. Ich, lieber Herr Vater? ich werde morgen krank sein, todsterbenskrank!

LISIDOR. Verschieb es immer bis übermorgen.

HENRIETTE. Es kann nicht sein. Adrast weiß meine Ursachen.

ADRAST. Ich weiß, schönste Henriette, daß Sie mich hassen.

THEOPHAN. Und Sie, liebste Juliane, Sie wollen gehorsam sein? – – Wie nahe scheine ich meinem Glücke zu sein, und wie weit bin ich vielleicht noch davon entfernt! – Mit was für einem Gesichte soll ich es Ihnen sagen, daß ich der Ehre Ihrer Hand unwert bin? daß ich mir bei aller der Hochachtung, die ich für eine so vollkommene Person hegen muß, doch nicht getraue, dasjenige für Sie zu empfinden, was ich nur für eine einzige Person in der Welt empfinden will.

LISETTE. Das ist ja wohl gar ein Korb? Es ist nicht erlaubt, daß auch Mannspersonen welche austeilen wollen. Hurtig also, Julianchen, mit der Sprache heraus!

THEOPHAN. Nur ein eitles Frauenzimmer könnte meine Erklärung beleidigen; und ich weiß, daß Juliane über solche Schwachheiten so weit erhaben ist, – –

JULIANE. Ach Theophan! ich höre es schon: Sie haben zu scharfe Blicke in mein Herz getan. – –

ADRAST. Sie sind nun frei, schönste Juliane. Ich habe Ihnen kein Bekenntnis weiter abzulegen, als das, welches ich Ihnen bereits abgelegt habe. – – Was soll ich hoffen?

JULIANE. Liebster Vater! – Adrast! – Theophan! – Schwester! – –

LISETTE. Nun merke ich alles. Geschwind muß das die Großmama erfahren. Lisette läuft ab.

LISIDOR zu Julianen. Siehst du, Mädchen, was du für Zeug angefangen hast?[553]

THEOPHAN. Aber Sie, liebste Henriette, was meinen Sie hierzu? Ist Adrast nicht ein ungetreuer Liebhaber? Ach! wenn Sie Ihre Augen auf einen getreuern werfen wollten! Wir sprachen vorhin von Rache, von einer unschuldigen Rache – –

HENRIETTE. Topp! Theophan: ich räche mich.

LISIDOR. Fein bedächtig, Henriette! Hast du schon die Krankheit auf morgen vergessen?

HENRIETTE. Gut! Ich lasse mich verleugnen, wenn sie kömmt.

LISIDOR. Seid ihr aber nicht wunderliches Volk! Ich wollte jedem zu seinem Rocke egales Futter geben, aber ich sehe wohl, euer Geschmack ist bunt. Der Fromme sollte die Fromme, und der Lustige die Lustige haben: Nichts! der Fromme will die Lustige, und der Lustige die Fromme.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 552-554.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Freigeist
Der Freigeist