Vierter Auftritt


[448] Solbist in einer großen Zipfelperuque und einen Packt Akten unter dem Arme. Die Vorigen.


WUMSHÄTER. Ei, sind Sie es denn, mein lieber Herr Solbist?

SOLBIST. Ja freilich bin ichs.

VALER sachte zum Lelio. Lassen Sie ihm ja nicht merken, daß Sie von seinem Anschlage etwas wissen; denn alles sollen bei ihm Geheimnisse sein.

WUMSHÄTER. Nun, was bringen Sie mir Gutes?

SOLBIST. Habe ichs nicht gleich lieber sollen vor der Haustüre sagen? – Geduld! Ich muß ganz in geheim mit Ihnen sprechen.

WUMSHÄTER. Ganz in geheim? Sie machen mich unruhig.

SOLBIST zu dem Lelio, welcher ihn von unten und oben betrachtet. Nun, was begucken Sie mich da?

LELIO. Ich bewundere Sie.

SOLBIST. Wie ein Bauer, der einmal in die Stadt kömmt, ein groß Haus.

LELIO. Ich sehe, Sie haben sich heute außerordentlich geputzt.

SOLBIST. Ich will ein Schelm sein, wenn es um Ihrentwillen geschehen ist.

LELIO. In dieser Peruque könnten Sie sich vor die Europäische Fama stechen lassen.

SOLBIST. Vexieren Sie mich heute nur nicht; heute bin ich in meinen Berufsverrichtungen. Ein andermal können Sie Ihren Spaß mit mir haben. Heute respektieren Sie mein Amt.[448]

LELIO. Ich habe allen Respekt vor Ihre Akten.

SOLBIST. Die Spötterei hätten Sie können weglassen. Ist es meine Schuld, daß ich mir sie selber tragen muß? Nein, gewiß nein! Ich habe nun lange genug der undankbaren Stadt, und der lieben Dorfschaft, als ein betreibsamer Rechtskonsulent gedient; und meine Dienste hätten mir, von rechtswegen, schon so viel abwerfen sollen, daß ich mir einen Jungen, einen Schreiber, einen Sekretär, oder so etwas, halten könnte. Aber wer kann denn das Glück zwingen? Bis jetzt bin ich mir alles noch selbst. Sobald ich mir aber einen Jungen, oder so etwas, werde halten können, wird meine Großmut, Sie dazu in Vorschlag zu bringen, nicht anstehen.

LELIO. Sie scherzen, Herr Solbist; und das sehr fein.

SOLBIST. Ich scherze nie anders. Doch, Herr Wumshäter, machen Sie, machen Sie, daß die Leutchen wegkommen. Ich muß allein mit Ihnen reden.

LELIO. Sie dürfen ja nur im Kanzeleistile mit ihm reden; und es wird so gut sein, als ob wir nicht da wären.

WUMSHÄTER. Aber es sind ja meine Freunde; was Sie mir zu sagen haben, können Sie ja wohl in ihrer Gegenwart sagen.

SOLBIST. Sie wollen mich also nicht hören? Gut! – – Er will gehen.

LELIO. Wir wollen Sie seinem Eigensinne nicht aussetzen, Herr Wumshäter. Bleiben Sie nur, Herr Solbist; wir gehen schon. Sachte zum Valer. Kommen Sie, Valer; es wird ohnedem bald Zeit sein, daß ich mich umkleide.

WUMSHÄTER. Nehmen Sie es doch nicht übel! Valer und Lelio gehen ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 448-449.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Misogyn
Sämmtliche Schriften: Sinngedichte, Lieder, Oden, Etc.-Junge Gelehrte.-Juden.-Misogyn.-Der Freygeist.-Schatz.-Minna Von Barnhelm (German Edition)