Eilfter Auftritt


[328] Anton. Damis. Lisette.


ANTON vor sich. Ich kann die Leute unmöglich so alleine lassen. – – Herr Valer fragt, ob Sie in Ihrer Stube sind? Sind Sie noch da, Herr Damis?

DAMIS. Sage mir nur, Unwissender, hast du dir es denn heute recht vorgesetzt, mir beschwerlich zu fallen?

LISETTE. So lassen Sie ihn nur da, Herr Damis. Er bleibt doch nicht weg –

ANTON. Ja, jetzt soll ich da bleiben; jetzt, da es schon vielleicht vorbei ist, was ich nicht hören und sehen sollte.

DAMIS. Was soll denn vorbei sein?

ANTON. Das werden Sie wohl wissen.

LISETTE sachte. Jetzt, Anton, hilf mir, Julianen bei deinem Herrn recht schwarz machen. Willst du?

ANTON. Ei ja doch! zum Danke vielleicht –

LISETTE. So schweig wenigstens. – – Notwendig, Herr Damis, müssen Sie mit Julianen übel fahren. Ich betaure Sie im voraus. Der ganze Erdboden trägt kein ärgeres Frauenzimmer – –

ANTON. Glauben Sie es nicht, Herr Damis; Juliane ist ein recht gut Kind. Sie können mit keiner in der Welt besser fahren. Ich wünsche Ihnen im voraus Glück.

LISETTE. Wahrhaftig! du mußt gegen deinen Herrn sehr redlich gesinnt sein, daß du ihm eine so unerträgliche Plage an den Hals schwatzen willst.

ANTON. Noch weit redlicher mußt du gegen deine Mamsell sein, daß du ihr einen so guten Ehemann, als Herr Damis werden wird, mißgönnest.

LISETTE. Einen guten Ehemann? Nun wahrhaftig, ein guter Ehemann, das ist auch alles, was sie sich wünscht. Ein Mann, der alles gut sein läßt –

ANTON. Ho! ho! alles? Hören Sie, Herr Damis, für was Sie Lisette ansieht? Aus der Ursache möchtest du wohl selbst gern seine Frau sein? Alles? ei! unter das alles, gehört wohl auch? – – du verstehst mich doch? –[328]

DAMIS. Aber im Ernste, Lisette; glaubt Sie wirklich, daß Ihre Jungfer eine rechte böse Frau werden wird? Hat sie in der Tat viel schlimme Eigenschaften?

LISETTE. Viel? Sie hat sie alle, die man haben kann; auch nicht die ausgenommen, die einander widersprechen.

DAMIS. Will Sie mir nicht ein Verzeichnis davon geben?

LISETTE. Wo soll ich anfangen? – Sie ist albern – –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Und ich sage: Lügen!

LISETTE. Sie ist zänkisch – –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Und ich sage: Lügen!

LISETTE. Sie ist eitel – –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Lügen! sag ich.

LISETTE. Sie ist keine Wirtin – –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Lügen!

LISETTE. Sie wird Sie durch übertriebenen Staat, durch beständige Ergötzlichkeiten und Schmausereien, um alle das Ihrige bringen –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Lügen!

LISETTE. Sie wird Ihnen die Sorge um eine Herde Kinder auf den Hals laden –

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Das tun die besten Weiber am ersten.

LISETTE. Aber um Kinder, die aus der rechten Quelle nicht geholt sind.

DAMIS. Kleinigkeit!

ANTON. Und zwar Kleinigkeit nach der Mode!

LISETTE. Kleinigkeit? aber was denken Sie denn Herr Damis?

DAMIS. Ich denke, daß Juliane nicht arg genug sein kann. Ist sie albern? ich bin desto klüger; ist sie zänkisch? ich bin desto gelassener; ist sie eitel? ich bin desto philosophischer gesinnt; vertut sie? sie wird aufhören wenn sie nichts mehr hat; ist sie fruchtbar? so mag sie sehen, was sie vermag,[329] wann sie es mit mir um die Wette sein will. Ein jedes mache sich ewig, womit es kann; das Weib durch Kinder, der Mann durch Bücher.

ANTON. Aber merken Sie denn nicht, daß Lisette ihre Ursachen haben muß, Julianen so zu verleumden?

DAMIS. Ach freilich merk ich es. Sie gönnt mich ihr, und beschreibt sie mir also vollkommen nach meinem Geschmacke. Sie hat es ohne Zweifel geschlossen, daß ich ihre Mamsell nur eben deswegen, weil sie das unerträglichste Frauenzimmer ist, heiraten will.

LISETTE. Nur deswegen? nur deswegen? und das hätte ich geschlossen? Ich müßte Sie für irre im Kopfe gehalten haben. Überlegen Sie doch nur –

DAMIS. Das geht zu weit, Lisette! Traut Sie mir keine Überlegung zu? Was ich gesagt habe, ist die Frucht einer nur allzuscharfen Überlegung. Ja, es ist beschlossen: ich will die Zahl der unglücklich scheinenden Gelehrten, die sich mit bösen Weibern vermählt haben, vermehren. Dieser Vorsatz ist nicht von heute.

ANTON. Nein, wahrhaftig! – Was aber der Teufel nicht tun kann! Wer hätte es sich jetzt sollen träumen lassen, jetzt da es Ernst werden soll? Ich muß lachen; Lisette wollte ihn von der Heirat abziehen, und hat ihn nur mehr dazu beredt; und ich, ich wollte ihn dazu bereden, und hätte ihn bald davon abgezogen.

DAMIS. Einmal soll geheiratet sein. Auf eine recht gute Frau darf ich mir nicht Rechnung machen; also wähle ich mir eine recht schlimme. Eine Frau von der gemeinen Art, die weder kalt, noch warm, weder recht gut, noch recht schlimm ist, taugt für einen Gelehrten nichts, ganz und gar nichts! Wer wird sich nach seinem Tode um sie bekümmern? Gleichwohl verdient er es doch, daß sein ganzes Haus mit ihm unsterblich bleibe. Kann ich keine Frau haben, die einmal ihren Platz in einer Abhandlung de bonis Eruditorum uxoribus findet, so will ich wenigstens eine haben, mit welcher ein fleißiger Mann seine Sammlung de malis Eruditorum uxoribus vermehren kann. Ja, ja; ich bin es ohnehin meinem Vater, als der einzige Sohn, schuldig,[330] auf die Erhaltung seines Namens mit der äußersten Sorgfalt bedacht zu sein.

LISETTE. Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen – – Ich habe Sie, Herr Damis, für einen so großen Geist gehalten – –

DAMIS. Und das nicht mit Unrecht. Doch eben hierdurch, glaube ich, den stärksten Beweis davon zu geben.

LISETTE. Ich möchte platzen! – – Ja, ja, den stärksten Beweis, daß niemand schwerer zu fangen ist, als ein junger Gelehrter; nicht sowohl wegen seiner Einsicht und Verschlagenheit, als wegen seiner Narrheit.

DAMIS. Wie so naseweis, Lisette? Ein junger Gelehrter? – – ein junger Gelehrter? – –

LISETTE. Ich will Ihnen die Verweise ersparen. Valer soll gleich von allem Nachricht bekommen. Ich bin Ihre Dienerin.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 328-331.
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