Sechzehnter Auftritt


[370] Chrysander. Damis. Anton.


ANTON. Gott sei Dank, daß jemand kömmt!

CHRYSANDER. Das verzweifelte Mädel, die Lisette! Und Zu Anton. du, du Spitzbube! du sollst dein Briefträgerlohn auch bekommen. Mich so zu hintergehen? schon gut! – Mein Sohn, ich habe mich besonnen; du hast Recht; ich kann dir Julianen nun nicht wiedernehmen. Du sollst sie behalten.

DAMIS. Schon wieder Juliane? Jetzt da ich ganz andre Dinge zu beschließen habe – – Hören Sie nur auf damit; ich mag sie nicht.

CHRYSANDER. Es würde unrecht sein, wenn ich dir länger widerstehen wollte. Ich lasse jedem seine Freiheit; und ich sehe wohl, Juliane gefällt dir –

DAMIS. Mir? eine dumme Deutsche?

CHRYSANDER. Sie ist ein hübsches, tugendhaftes, aufrichtiges Mädchen; sie wird dir tausend Vergnügen machen.

DAMIS. Sie mögen sie loben oder schelten; mir gilt alles gleich. Ich weiß mich nach Ihren Willen zu richten, und dieser ist, nicht an sie zu gedenken.

CHRYSANDER. Nein, nein; du sollst dich über meine Härte nicht beklagen dürfen.

DAMIS. Und Sie sich noch weniger über meinen Ungehorsam.

CHRYSANDER. Ich will dir zeigen, daß du einen gütigen Vater hast, der sich mehr nach deinem, als nach seinem eignen Willen richtet.

DAMIS. Und ich will Ihnen zeigen, daß Sie einen Sohn haben, der Ihnen in allen die schuldige Untertänigkeit leistet.

CHRYSANDER. Ja, ja; nimm Julianen! Ich gebe dir meinen Segen.

DAMIS. Nein, nein; ich werde Sie nicht so erzürnen – –

CHRYSANDER. Aber was soll denn das Widersprechen? Dadurch erzürnst du mich!

DAMIS. Ich will doch nicht glauben, daß Sie sich im Ernste schon zum drittenmal anders besonnen haben?[370]

CHRYSANDER. Und warum das nicht?

DAMIS. O, dem sei nun, wie ihm wolle! Ich habe mich gleichfalls geändert, und fest entschlossen, ganz und gar nicht zu heiraten. Ich muß auf Reisen gehen, und ich werde mich, je eher je lieber, davon machen.

CHRYSANDER. Was? du willst ohne meine Erlaubnis in die Welt laufen?

ANTON. Das geht lustig! Der dritte Mann fehlt noch, und den will ich gleich holen. Damis will Julianen nicht, vielleicht fischt sie Valer. Gehet ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 370-371.
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