Zehnter Auftritt


[771] Jungfer Ohldin. Lelio. Lisette. von Schlag. Herr Oronte und Frau Oronte.


LELIO. Halten Sie, Herr Capitaine, es ist auf mein Anstiften geschehn. Sie machen mich durch Ihre Heirat unglücklich. Und können Sie mir es verdenken, daß ich alle Mittel angewandt habe, sie zu hintertreiben?

VON SCHLAG. Das sollte mir leid sein, wenn ich Sie unglücklich machte. Nein, Lelio, wenn Sie mir in meinem Vorhaben nicht hinderlich sein wollen – –

HERR ORONTE. Ach, was kann Ihnen der hinderlich sein, wenn sie nur will. Und sie will.

FRAU ORONTE. Es ist wahr, Jungfer Ohldin, was werden Sie[771] sich an einen Menschen kehren, der Ihnen solche Streiche spielen kann.

LELIO. So? Madame, wer war denn das, der mir vorhin allen möglichen Beistand dazu versprach?

FRAU ORONTE. Ach vorhin war ich mit meinem Manne zerfallen.

LELIO. Und itzo – –

FRAU ORONTE. Sind wir wieder versöhnt. Ein Paar rechtschaffene Eheleute müssen sich des Tags hundertmal zanken, und hundertmal wieder versöhnen.

LELIO. Jungfer Muhme, ehe ich in Ihre Heirat willigen kann, eher biete ich Ihnen selbst meine Hand an. Denn ich glaube das nächste Recht auf Sie zu haben.

JUNGFER OHLDIN. Was?

LISETTE. Was?

JUNGFER OHLDIN. Diesen Einfall hätten Sie können eher haben. Wir sind nun schon über zehn Jahr im Hause beisammen.

VON SCHLAG zieht den Lelio bei Seite. Ein Wort im Vertrauen. Warum wollen Sie mich nicht an ihrem Vermögen Anteil nehmen lassen? Ich glaube, es wird für uns beide genug sein. Als Mann bekäme ich es in die Hände. Und ich versichere Sie, Sie sollens von mir besser genießen als von ihr. Ja, ich verspreche Ihnen so gar, an das, was übrig bleibt, wenn sie stirbt, keinen Anspruch zu machen. Meine Schulden nötigen mich itzo, diesen Schritt zu tun, den ich sonst gewiß würde unterlassen haben. Widerstehen Sie mir nicht länger, so können wir als beständige Freunde leben.

JUNGFER OHLDIN. Darf man nicht hören, was Sie hier im Vertrauen reden?

LELIO. O! Es war nichts. Der Herr Capitaine hat mir mein Unrecht vorgestellt, wenn ich Ihnen an Ihrem Glücke länger hinderlich sein wollte. Ich willige in alles.

JUNGFER OHLDIN. O! Sie sind doch noch ein ehrliebender Mensch! Und ich versichre, daß Ihre Einwilligung nicht wenig dazu beigetragen, daß ich itzo, mit so vielem Vergnügen, dem Herrn Capitaine meine Hand darbiete.

VON SCHLAG. Sie machen uns glücklich, Lelio.[772]

LISETTE sachte. Aber Herr Lelio.

LELIO sachte. Laß es sein Lisette, nun soll es erst recht bunt über Ecke gehn.

JUNGFER OHLDIN. Aber, Lisette, mit dir habe ich ein Wort noch zu reden. Wir sind geschiedene Leute. Du kannst hingehn, wo du hin willst. Denn ich weiß doch wohl, daß alle die Possen von dir herkommen, und daß du einzig und allein meinen Vetter verführst.

LISETTE. Ich – –

VON SCHLAG. O meine allerliebste Mademoiselle, ich bitte für das arme Mägdgen. Behalten Sie sie immer noch.

JUNGFER OHLDIN. Nein. Nein. Sie muß weg. Sie muß weg.

VON SCHLAG. Erzeigen Sie mir diese erste Gefälligkeit.

JUNGFER OHLDIN. Nein. Nein. Es schickt sich nicht, es schickt sich nicht.

VON SCHLAG. Ach. Es schickt sich allzuwohl. Zumal bei Leuten von adlichem Stande, wie wir sind.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 771-773.
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