Achter Auftritt


[768] Lelio. Lisette. Peter. Der Poet. Jungfer Ohldin.


PETER. Der verfluchte Kerl! Nu wie weit wären wir denn richtig, mein Schatz? Nu ja, bis aufs Vermögen. Vorher aber habe ich doch noch unterschiedene Punkte, die Sie mir notwendig eingehen müssen. Ich habe sie ohngefähr ein wenig aufgesetzt. Er zieht einen Zettel aus der Tasche. Erstlich verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihrem künftigen Mann allezeit die gebührende Ehrfurcht zu leisten, und ihn nicht anders, als Ewr. Gnaden, zu benennen. Nu? Versprechen Sies?[768]

JUNGFER OHLDIN. Aber – –

PETER. Sie sollen das verdammte Wort gegen mich nicht gebrauchen. Wer hat zu befehlen? Der Mann, oder das Weib? Ich, oder Sie?

JUNGFER OHLDIN. Verzeihen Sie, wir sind aber noch nicht Mann und Weib.

PETER. Ach! Was wir nicht sind, können wir werden. Anderns verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihm alle Gelder in Händen zu lassen, um damit nach Belieben zu schalten und zu walten. Nu? versprechen Sies?

LISETTE. Ohne Zweifel wird das einer von den Hauptpunkten sein.

JUNGFER OHLDIN. Das könnte man wohl einem vernünftigen Manne einräumen. Aber – –

PETER. Genug. Das andere mag ich nicht wissen. Ich bin vernünftigen Mannes genug. Drittens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einer uralten adlichen Familie entsprossen, die zwei Kinder, welche er außer der Ehe erzeugt – – Nun, von dem Punkte wollen wir ins geheim reden. Den braucht niemand sonst zu wissen, als Sie. Viertens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes – – –

HERR KRÄUSEL. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen in die Rede falle. Wollen Sie nicht so gütig sein, und sich von Ihrer zukünftigen wertesten Gemahlin das Carmen zeigen lassen, das ich auf Ihre, Gott gebe bald zu Stande kommende, Hochzeit verfertiget habe? Ich habe nicht wohl Zeit, länger zu verziehen – – und – –

PETER. Wo ist es? Wo ist es?

JUNGFER OHLDIN. Hier. Sie gibt es ihm.

PETER. Was ist das für ein Quark? Ich sehe es gleich aus dem Titel, daß es nichts nütze ist. Weiß Er denn nicht, daß ich Erb- Lehn- und Gerichtsherr, auf Nichtswitz, Betteldorf, Schuldhausen und Armingen gewesen bin? Das muß alles[769] mit darauf kommen. Auch daß ich 16 Jahr unter den Franzosen, 12 Jahr unter den Österreichern, 19 Jahr unter den Holländern, 17 Jahr unter den Engländern, und ohngefähr 22 Jahr unter den Sachsen gedient habe – – – O zum Henker! nun bin ich verloren – –


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 768-770.
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