[Dritter Brief]

[347] London, den 30. Nov. 1775


Ein unangenehmer Vorfall, die Unpäßlichkeit eines meiner Reisegefährten gibt mir itzt ganz unvermutet Zeit zur Erfüllung meines Versprechens, Ihnen, liebster B., noch einmal vor meiner Abreise zu schreiben, welches mir sonst unmöglich gewesen wäre. Ich wende nun einen Teil dieser Frist mit desto größerer Bereitwilligkeit auf diese Beschäftigung, als sie mir, außer dem Vergnügen, das mir jede Unterhaltung mit Ihnen gewährt, auch noch den Mangel an freundschaftlichem Umgang ersetzt, den ich als ein, nach bereits genommenem Abschied, pro absente Erklärter, gewissermaßen hier leide.

Ohne das mindeste von dem zu vergessen, was ich Ihnen von Weston und einigen Schauspielerinnen auf den englischen Bühnen versprochen habe, fange ich wieder mit Garrick an.

Mich dünkt, ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß er den Hamlet im französischen Kleide spielt. Es scheint allerdings sonderbar. Ich habe ihn deswegen öfters tadeln hören, aber doch niemals zwischen den Akten, oder beim Nachhausefahren, oder hinten drein beim Abendessen, sondern immer nach verloschenem Eindruck, und bei wieder erwachtem Kopf, im kalten Gespräch, wo, wie Sie wissen, sehr oft gelehrt für gut, und auffallend für scharfsinnig angenommen und gegeben wird. Ich muß gestehen, dieser Tadel hat mir nie so recht eingewollt. Und bedenken Sie nur, ob es so sehr schwer war so behutsam zu sein.

Einmal wußte ich: Garrick ist ein äußerst scharfsinniger Mann, der das genaueste Register über den Geschmack seiner Nation führt, sicherlich nichts ohne Ursache auf der Bühne unternimmt, und überdas das ganze Haus voller alter Trachten hängen hat; ferner ein Mann, bei dem jedes Tags Erfahrung nicht zu monströser Erweiterung des Maulwerks, sondern zu Beförderung harmonischen Wachstums von einem gesunden Kopf den gehörigen Stellen zugeführt wird. Und der Mann sollte nicht sehen können, was jeder Londonsche Macaroni mit Händen greifen zu können glaubt? Er, der schon vor 30 Jahren war, was seine meisten Tadler ziemlich erbettelt itzt sind? Anstatt also einzustimmen, fing ich an bei mir zu überlegen, was ihn wohl bewogen haben könnte, so etwas zu tun. Ich dachte lang umher, wenigstens zu meiner eigenen Beruhigung[347] etwas zu finden, als ich bei der zweiten Vorstellung des Hamlet, die ich sah, in dem Augenblick, da er den Degen gegen den Horatio zieht, vermutlich mit Garricks Empfindung zusammen traf. Nach meinem System ist er nun entschuldigt; er würde sogar bei mir verlieren, wenn er anders er schiene. Ich lasse jedermann seine Freiheit, damus petimusque. Ich weiß es sehr wohl, daß man bei solchen Dingen durch eine gewisse vermeintliche Anspannung nur allzuoft durch den Weg des Superfeinen endlich zu demselben Irrtum geleitet wird, den der andere auf dem weit bequemeren der Übereilung geschwinder findet. Aber dem sei, wie ihm wolle, verschweigen kann ich Ihnen meine Gründe nicht, die, wenn sie auch gleich nicht Garricks sein sollten, doch denkende Schauspieler hier und da auf etwas Bessers leiten könnten.

Mir kommt es vor, als wenn alte Trachten auf der Bühne für uns, wenn wir nicht gar zu gelehrt sind, immer eine Art von Maskeradehabit wären, der zwar, wenn er schön ist, gefällt, allein, das geringe Vergnügen, das er gewährt, kann selten ganz zu der Summe des übrigen geschlagen werden, das den Eindruck des Stücks vermehrt. Es geht mir hierin, wie mit den deutschen Büchern mit lateinischen Lettern. Für mich sind sie immer eine Art von Übersetzung. Der Augenblick, den ich anwenden muß, mir diese Zeichen in mein altes darmstädtisches ABC zu übersetzen, ist dem Eindruck nachteilig. Ein Sinngedicht würde bei mir die ganze Kraft des ersten Mals verlieren, wenn ich es z.B. bei umgekehrtem Buch heraus buchstabieren müßte. Von den subtilen Fäden, an denen unser Vergnügen hienieden hängt, ist es Sünde, auch nur einen ohne Not durchzuschneiden. Da also, sollte ich denken, wo unsre itzige Kleidung in einem Schauspiel nicht die empfindliche Majestät unserer Schulgelehrsamkeit beleidigt, sollen wir sie auf alle Weise beibehalten. Unsere französischen Röcke sind längst zur Würde einer Haut und ihre Falten zur Bedeutung von Mienen gediehen, und alles Ringen, Krümmen, Fechten und Fallen in einer fremden Tracht verstehen wir zwar, aber wir fühlen es nicht. Den Fall eines Hutes während eines Kampfes fühle ich völlig, den von einem Helm weit weniger, er könnte sich auf die Ungeschicklichkeit des Akteurs schieben lassen, und lächerlich aussehen. Ich weiß nicht, wie fest ein Helm sitzen muß und kann. Als Garrick in oben erwähnter Stellung den Rücken zum Teil gegen die Versammlung kehrte, und ich bei[348] seiner Anstrengung die bekannte Diagonalfalte von der Schulter nach der entgegengesetzten Hüfte erblickte, fürwahr, ich hätte selbst sein Gesicht ein paarmal dafür hingegeben. In dem dintigen Mantel, von dem Hamlet einmal spricht, hätte ich bei weitem das nicht gesehen. Ein gut gebauter Schauspieler, (und das sollten wenigstens alle die sein, die sich mit dem Trauerspiel abgeben) verliert allemal in einer Tracht, die sich zu sehr von der entfernt, die irgend einmal im Leben, bei einem früher, beim andern später, keiner der geringsten Gegenstände unserer Wünsche, und die süßeste Befriedigung jugendlicher Eitelkeit war, und in der unser Auge das zu viel und zu wenig bis zu Strohhalmebreiten anzugeben weiß. Wohlverstanden, daß ich hiermit nicht sage: Cäsar und Englands Heinriche und Richarde sollten in Gardeuniform mit Schärpe und Ringkragen einher treten. Diese und ähnliche Abweichungen von einem allgemeinen Gebrauch zu empfinden und zu ahnden, hat jedermann Kenntnisse und antiquarischen Stolz in der Schule und von Kupferstichen, Münzen und Ofenplatten gesammlet. Ich meine nur, wo der Antiquar in den Köpfen eines Publikums über einen gewissen Artikel noch schlummert, da soll der Schauspieler nicht der erste sein, der ihn wecken will. Das kleine episodische Vergnügen, wenn ich so reden darf, das mir der schnöde Prunk eines Maskeradenhabits macht, ersetzt mir den Eintrag nicht, der dadurch dem Stück von jener andern Seite geschiehet. Alle Zuschauer leiden den Verlust, sie glauben nur nicht alle, daß das die Ursache sei. Doch ist hierin der Geschmack eines einsichtsvollen Schauspielers, der die Stärke und Schwäche der Augen kennt, vor die er treten soll, über alle Regeln. In dem Fall, den ich voraussetze, findet sich London in Absicht auf den dänischen Hamlet, und hat da Garrick nötig, es zum Schaden beider Parteien klüger zu machen? Garrick entbehrt gern von der einen Seite ein bißgen Lob seiner Gelehrsamkeit, wenn ihm von der andern die Herzen zu Tausenden zufallen.

Nun kommen Sie, mein Freund; wegen dieses ästhetischen Schattenspiels, aus dem vielleicht etwas für den Genius Quinquennii zu machen gewesen wäre, wenn einer unserer philosophischen Savoyarden sein erhabenes Babel dazu hätte anstimmen wollen, sollen Sie nun, wo nicht schadlos gehalten, doch wenigstens durch Abwechslung erquickt werden. Ich will Ihnen den drolligen Weston, von welchem ich Ihnen, als ich seinen Charakter in meinem ersten Briefe[349] flüchtig entwarf, etwas mehreres versprach, ein paar Szenen zeigen. Dieses sonderbare Geschöpf kam aus der Küche von St. James, wo sein Vater Koch vom zweiten Range war, auf einmal aufs Theater, mit einer Figur, die im Vorbeigehn auf der Straße gesehen, so wenig für dasselbe gemacht zu sein scheint, daß in der Tat ein Garrick und ein Foote nötig war, es zu finden. Denn die fanden's. Er ist von kleiner hölzerner Statur, und seine Staatspositur ist daher die mit den beiden Händen in den Rocktaschen. Seine Gesichtsbildung ist äußerst roh, die Lippen etwas dicke, und die Nase von der Familie der Schuhleistförmigen. Allein aus den Augen, die daher kaum in dieses Gesicht zu gehören scheinen, blickt der beobachtende Schalk und Garricks glücklicher Nebenbuhler, in dem Fache nämlich. Seine Stimme ist gedrückt und pelzig, und seine Rede langsam. Ich habe solche Figuren fast in allen Städten, wo ich gewesen bin, des Sonntags gesehen, ich weiß nicht, ob es Seilwinder oder Gemüsgärtner waren, nicht ganz so glatt und auch nicht so geschmeidig, als die Bäcker. Ich muß mich näher erklären. In einem Stück, worin ich mir ihn eben itzt gedenke, trug er einen Rock von himmelblauem Tuch, das sich ins Nebliche zog, eine rote Weste, schwarze Beinkleider und blaue Strümpfe; die Schuhschnallen saßen, dünkt mich, etwas am äußern Abhang des Fußes, und das ungebundene Haar hing ihm in Gruppen, wie gelbe Wurzeln, um den Kopf. Wenn er daher aufs Theater tritt, so glaubt man, es hätte sich jemand, ohne bemerkt zu werden, von der Straße dahin verlaufen, so natürlich kleidet er sich, und so ungezwungen erscheint er. Das verrät nichts Gemeines.

Sie sehen aus allem, zum Chamäleon ist er verdorben, er tut alles, was er tut, durch den Fuchs. Die Natur, die ihn von der einen Seite bestimmt zu haben scheint, Lachen zu erregen, scheint ihn von der andern der Fähigkeit beraubt zu haben, selbst zu lachen. Er ist immer ernsthaft, oder lächelt nur, und dieses selten; auch währt es lang, bis es im ganzen Gesicht herumkommt. Ich habe es einmal gesehen, da ihm in einem Stück ein niedliches Kammermädchen, um ihn ins Interesse ihrer Dame zu ziehen, die Backen tätschelt. Das Gesicht klärte sich zwar langsam, endlich aber auch zu einem solchen Grade auf, daß wenigstens zwei Dutzend Zähne herauskamen, worunter mancher nicht klein war. Da war schwerlich ein Mund im Schauspielhause, der nicht, ein jeder nach seiner Art, mit gelacht oder gelächelt[350] hätte. Weil er bei allem diesem so sehr halsstarrig original, und keinem Charakter einen Schritt zu Gefallen geht, so haben die Dichter die Charaktere zu ihm hingebracht. So soll Jerry Sneak in Foote's Mayor of Garret, welchen er so unnachahmlich spielt, nach Weston geformt sein, und da ists freilich kein Wunder. Auch der Bediente in einem Stück, das itzt viel Lärm macht, The maid of the oaks, wird nicht bloß von Weston vorgestellt, sondern der Dichter hat Weston zum Bedienten im Stück gemacht. Ich habe, glaub' ich, in meinem ersten Briefe einer Szene in Farquhars Stratagem erwähnt, worin ich Garrick und Weston beisammen gesehen habe. Ich will sie Ihnen gern nach Vermögen beschreiben, wiewohl ich noch sehr zweifle, ob ich nur einen erträglichen Schattenriß davon werde machen können. Der Schauspieler sowohl als der Zuschauer sind beide immer mehr im Lustspiel zu Haus, als im Trauerspiel, und was der erstere auch selbst durch die feinste Kunst im Trauerspiel hervorbringt, läßt sich immer, dünkt mich, leichter in Worte fassen, als was die unerschöpfliche Natur im erstern sowohl tut als bemerkt. Ich kann eine solche Szene, worin die beiden Lieblinge eines erleuchteten Volks sich bemühen, zu ihrem längst gegründeten Ruhm, ohne Übertreibung, in dem Zaum der geübtesten Vernunft, etwas hinzuzutun, nicht beschreiben. Alles, was ich tun kann, ist, einer Einbildungskraft, deren Wirkungskreis mir unbekannt ist, auf Geratewohl einige Winke zu geben, sich selbst etwas Ähnliches zu schaffen.

Garrick macht den Archer, einen Herrn von Stand, der sich aus leicht zu erratenden Ursachen in einen Bedienten verkleidet hat, und der arme Weston den Scrub, einen Aufwärter in einem armseligen Wirtshause, worin jener einkehrt, und wo man alle Bedürfnisse des Magens und Ergötzlichkeiten des Gaumens immer gestern hatte, und morgen wieder haben wird, aber niemals itzt hat. Garrick hat himmelblaue Livree, mit funkelndem Silber reich besetzt, einen blendenden Bortenhut mit einer roten Feder, spielt ein Paar weiße, glänzende, seidene Waden, und ein Paar Schnallen, die nicht besser sein können, und ist ein entzückender Kerl. Und Weston, den die schwere Last einer schmierigen Aufwartung unter zehn verschiedenen Rubriken drückt, der arme Teufel, erscheint ihm gegen über in einer traurigen abgeregneten Perücke und einem grauen Kamisol, das vor etwa dreißig Jahren für einen glücklichern Bauch geschnitten sein mogte, mit roten wollenen Strümpfen und einer grünen[351] Schürze. Er gerät in eine Art von andächtigem Erstaunen, da dieser Herr Bediente (wie das Göttingische Mädchen sagte) auftritt. Garrick, frisch, schalkhaft und schön wie ein Engel, den niedlichen Hut mit fast gefälliger Leichtfertigkeit seitwärts aus dem hellen Gesicht gestoßen, tritt munter und voll Vertrauens auf seine Waden und neuen Anzug, fest und stramm daher, und fühlt sich um ein Drittel größer neben dem trübseligen Scrub. Und Scrub, der ohnehin wenig ist, scheint auch noch das zu verlieren, und zittert mit den Knien, vor lauter Gefühl des dreifachen Kontrasts zwischen Aufwärter – – und Bedienten, und folgt bei gefallenem Unterkinn in eine Art von Anbetung Garricken bei allen Bewegungen mit den Augen nach. Archer, der den Scrub zu seinen Absichten braucht, wird bald gnädig. Sie setzen sich neben einander nieder. Dieser Teil der Szene ist in Kupfer gestochen, und Sayer hat eine Kopie davon unter seine bekannten Bildchen aufgenommen. Allein weder Weston noch Garrick gleichen sich da sonderlich, zumal ist der letztere, der sich sonst in eben dieser Bildchensammlung als Abel Drugger und Sir John Brute so herrlich gleicht, daß fast nichts drüber geht, abscheulich mißhandelt. Wer die unwiderstehliche Macht des Kontrastes auf dem Theater kennen lernen will, wenn er vom Dichter und dem Schauspieler gut und nach beiden Seiten gleich stark durchgesetzt wird, damit nicht die Struktur, deren ganze Schönheit im richtigen Gleichgewicht bestehet, nach einer Seite umgeschmissen wird, wie gemeiniglich geschiehet, der muß diese Szene sehen. Garrick wirft sich mit der ihm eigenen Leichtigkeit auf den Stuhl, schlägt den rechten Arm über Westons Lehne, und biegt sich zum vertraulichen Gespräch nach ihm hin; die herrliche Livree liegt rückwärts geschlagen, und eine Schönheitslinie schließt sich in Rock und Mann an die andre. Weston sitzt auf der Mitte des Stuhls, wie es sich gebührt, nur etwas zu weit nach vorn und auf jedem Knie eine Hand, stark versteinert da, mit den Schalksaugen auf Garricken gewendet. Wenn etwas auf seinem Gesicht ausgedrückt ist, so ist es Affektation von Würde mit lähmendem Gefühl des schrecklichen Kontrasts. Hierbei bemerkte ich etwas an Weston, das sich herrlich ausnahm. Während als Garrick mit einer gefälligen Nachlässigkeit in sich selbst ruhte, suchte ihm Weston mit steifem Rücken allmählich die Höhe abzugewinnen, teils des Anstandes wegen und teils auch zuweilen wenn Garrick ihm nicht ins Gesicht sieht, mit mehr Sicherheit eine neue[352] Vergleichung zwischen sich und ihm zu stehlen. Wenn Archer endlich mit großer Leichtigkeit die Beine über einander schlägt, so versucht Scrub ein Gleiches, und bringt es auch endlich, jedoch nicht ohne einige Hülfe der Hände, glücklich zu Stande, alles entweder bei starrenden, oder heimlich vergleichenden Augen. Endlich da Archer die herrlichen seidenen Waden zu streicheln an fängt, so will auch Weston mit seinen armseligen roten wollenen, ein Gleiches tun, retiriert sich aber wieder, und zieht mit Mitleid erregender Demütigung die grüne Schürze langsam über das Ganze. In dieser Szene tat die natürlich dumme Miene des Weston, sein treuherziges Wesen, das bei ihm aus allem hervorleuchtet, und durch den unaffektierten Pelz seiner Stimme nicht wenig gewinnt, fast Garricken Abtrag. Das ist viel gesagt. Er hatte die Götter und die Teufel auf seiner Seite. Als Bedienter in the maid of the oaks ist er in glücklichern Umständen, und geputzt, aber doch auch so, daß man sieht, es kömmt nicht allein selten an ihn, sondern es ist auch so gar seine Sache nicht einmal. Seine Haare hat er in einen wegstehenden Crapaud elend eingepackt, oben und an den Seiten sind sie zum Teil gepudert, wie mirs vorkam, nur mit den Fingern, oder Papierschnitzeln; dabei hat er einen grauen Rock, wieder rote Strümpfe an, und ein herrliches Bouquet vor. In diesem Stück unterscheidet er sich vorzüglich durch hölzerne Behendigkeit und eine Art von unnötiger Geschäftigkeit, die trotz des Schweißes, den sie ihn auspreßt, den Gang der Sache, den sie befördern soll, nicht wenig aufhält. Er will immer, kann aber vor lauter Wollen selten, und hält sich dem ohngeachtet, wenn sonst die Herrschaft nicht dabei ist, nicht undeutlich für eine der wichtigsten Personen dieses Tags. Ihm, Mrs. Abington, Herrn Dodd und den ungemein prächtigen Dekorationen, die sich zuweilen dem Operelysischen nähern, hat es dieses Stück auch zu danken, daß es zu Anfang dieses Jahrs 23mal aufgeführt worden ist. Wie gern beschriebe ich Ihnen den Mann, wie er als Schuhflicker im hinkenden Teufel (Devil upon two sticks) ein paar Schuh, die er unter dem Rock stecken hat, in die Ecke hinlegt, um mit desto mehr Anstand auf einen Schemel zu steigen, auf welchem ihn Foote zum Doktor kreiert. Aber wenn ich das durchlaufe, was ich gesagt habe, so vergeht mir alle Neigung mehr von ihm zu sagen. Es ist zwar ein Vergnügen, den Totaleindruck, den der Anblick eines solchen Wundergeschöpfes auf einen macht, in seine Bestandteile zu zerlegen, und[353] Empfindungen zu Buch zu bringen; (ich habe mir solche Beschreibungen zum Vergnügen eine Menge gemacht,) aber die Absicht einem andern ein ähnliches Vergnügen zu verschaffen, wird meist verfehlt, weil die unvermeidliche Unvollständigkeit der Zahl dieser entwickelten Gefühle, dem Leser bei ihrer Herabstimmung zur Klarheit Raum genug übrig läßt, neben dem Endzweck des Verfassers vorbei zu schleichen, oder noch schlimmer ihm den Vorwurf zu machen, er habe zu viel gesehn. Zwei Anekdoten von ihm, die mich mehr unmittelbar in des Mannes Seele sehen lassen, muß ich Ihnen noch erzählen:

Vor einigen Jahren wählte sich dieses hölzerne Gestell zu seinem Benefizstück – Sie raten sicherlich nicht was? – – Richard den Dritten. Daß das Haus voll werden mußte, zum Bersten, das konnte wohl Weston so gut vorher wissen, als Sie es mir itzt glauben. Und dieses ist wohl das einzige Mal gewesen, daß Shakespear auf dem Schauplatz von Drurylane vorsätzlich ist geschändet worden; in Coventgarden hat es Shuter mehrmals getan. Mir fiel, als ich es hörte, der Affen-Laokoon ein, wo sich die Schlange um drei Affen, Vater und Söhne, schlingt, die alle drei erbärmlich zusammen schreien. Es mag toll hergegangen sein. – Als er am Ende starb, so bestund das Volk darauf, er sollte wieder aufstehen, und noch einmal sterben, und das vermutlich mit einem Getöse, das wohl einen Toden hätte erwecken können. Der hätte in dem bekannten Monolog sagen müssen:


an ass, an ass, a Kingdom for an ass!


Die andre macht ihm mehr Ehre, auch war ich selbst Zeuge. In den Rival Candidates, demselben Stück, worin er von dem Mädchen getätschelt wird, sprach er in diesem Jahr den Epilog in Gesellschaft eines großen Hundes, den er am Ring des Halsbandes hält, und der ihm fast bis an die Hüfte reicht. Es ist ein allerliebstes Tier, und klotzt seinem drolligen Führer, während er spricht, zuweilen so menschlich herauf ins Gesicht, und dieser streichelt ihn wieder mit so vieler Herablassung, laß niemand zwischen beiden die Seelenvereinigung verkennen kann. Diesen Epilog zu sprechen, wurde Weston zum erstenmal überdrüssig, als ich das Stück zum zweitenmal sah, und wollte nicht erscheinen; das Volk nahm dieses sehr übel, und Epilogue! Epilogue! erschallte aus allen den Kehlen, die Richard den Dritten von den Toten erwecken wollten; Weston erschien immer[354] nicht. Viele Leute aus der Loge gingen weg, allein ich war entschlossen, den Ausgang abzuwarten. Auf einmal regnete es erst Birnen, dann Oranschen, hierauf Quartierbuteljen auf das Theater, und einmal flog eine, die wohl drei Quartier halten mogte, an einen der Krystalleuchter hin, und alles sah einem Aufruhr ähnlich, als Weston so gelassen, als würde er allemal so gerufen, mit Dragon, (so hieß der Hund) hervortrat. Es wurde ein wenig hie und da gezischt, aber das legte sich bald. Nun ist in dem Epilog eine Stelle, worin er den Hund anredet, indem er, wie ich glaube, von Kritiken spricht: und was hängst du denn den Schwanz, Dragon, sie werden dir nichts tun? Diese Stelle veränderte Weston, aus dem Stegreif, ohne weder dem Reim, noch dem Vers zu nahe zu treten, in diese: Und warum hängst du denn den Schwanz, Hans Narre, dir werden sie keine Bouteillen an den Kopf werfen. Diese in der Tat in einer solchen kritischen Lage und einer gereimten Rede angebrachte höchst sinnreiche Veränderung machte alles gut. Man hörte nicht auf zu klatschen, und zu rufen. Alles das machte auf Westons Gesicht nicht so viel Veränderung als auf einer Ofenplatte. Da war keine Freude, keine Miene innerer Satisfaktion; gar nichts, so wenig als auf dem Gesicht seines vierbeinigen Freundes. So viel diesesmal von Weston, von dem ich ungern schweige, weil es mir vorkommt, als hätte ich ihm Unrecht getan, weil ich mir selbst nicht Gnüge getan habe.

Ehe ich nun zu dem Frauenzimmer komme, will ich Ihnen noch eine Frage beantworten, die Sie in einem Ihrer Briefe getan haben: ob denn Garrick so ganz durch und durch untadelhaft spiele, und ob ich nicht zuweilen wenigstens etwas bemerkt, das ich weggewünscht hätte? Ihnen Fehler von Garrick anzuzeigen, liebster B., davor werde ich mich wohl hüten, allein wenn Sie wissen wollen, was mir, dessen Empfindungen ich allein hier entwickele, ohne sie mit ästhetischen Fundamentalgesetzen zusammen zu halten zuweilen nicht an ihm gefallen hat, da lasse ich mich eher ein wiewohl auch dieses nur sehr unbeträchtlich sein wird. Denn einmal müssen Sie bedenken: er spielt itzt nur Stücke, die er sich völlig eigen gemacht, und über die er nun ein Vierteljahrhundert durch in seiner ausgesuchten Gesellschaft das Urteil der größten Kenner des Menschen empfangen hat. Selbst den Strumpf, der ihm so herabhängt, kann man denken, hat ihm vielleicht Fielding herabgezogen, und den Hut, der da so schön seitwärts sitzt, Sterne oder Goldsmith zurückgestoßen.[355] Bei so bewandten Umständen, mein Freund, gibt's viel zu lernen, und wenig zu tadeln. Ferner, leugne ich nicht, sein Ruhm blendet bald mehr, bald weniger; es ist schon kein geringes Vergnügen, ich will nicht sagen Glück, ehe der Vorhang aufgezogen wird, dem Schauplatz gegenüber zu sitzen, auf dem in einigen Minuten ein Mann auftreten soll, der nach einem ziemlich einstimmigen Urteil der erste Schauspieler der neuen Zeit ist. Außerdem der Freund, Lehrer und Zögling einiger der größten Schriftsteller dieses Jahrhunderts. Ist das nichts? Ich bin, um Garricken spielen zu sehen, einmal von Morgens halb zehn an einen Weg von sechs deutschen Meilen gereiset, habe nicht zu Mittag gegessen, und erst nach elf Uhr zu Abend. Ich habe mit einer Art von wollüstiger Bangigkeit, die Musik anfangen hören, die vor dem Stück herging, in welchem ich ihn zum erstenmal sah. Und was Wunder? Hätte Garrick unter einem wärmeren Himmel, von einem engern und höhern Gerüste, mit gleicher Kraft gesprochen und Herzen erschüttert, so würden einst seine Lumpen etwas Ähnliches tun. Es ist sehr menschlich, und wird so gehen bis an das Ende der Welt. Ich erinnere mich daher jetzt nur eines einzigen Mals, und zwar im Hamlet, daß Garrick etwas auf eine Art sagte, die eine üble Wirkung auf mich tat, und einen Mißklang mit meiner damaligen Empfindung machte, die vielleicht falsch gestimmt war. Ich will Ihnen sagen, was es gewesen ist. Vor Anfang des Monologs, der auf die Szene folgt, in welcher sich der Geist dem Hamlet über den Mord eröffnet, steht Garrick, als wäre er Hamlet selbst, bis zur Untätigkeit und fast zur Zerrüttung gerührt da, und wenn endlich die Betäubung, in welche eröffnete Gräber, Greuel ohnegleichen und schreiendes Vaterblut die vortreffliche Seele gestürzt hatten, nach und nach weicht, und das dunkle schmerzhafte Gefühl sich zur Betrachtung und Worten aufklärt, und zum heimlichen Entschluß sammlet, so hat Shakespear dafür gesorgt, daß diese Betrachtung und Worte von der Tiefe und dem Tumult zeugen, aus dem sie hervorbrechen, und Garrick sorgte, wie Sie leicht denken können, von seiner Seite auch dafür, daß jeder Gestus auch einem tauben Zuschauer wiederum von dem Ernst und Gewicht der Worte gezeugt hätte, deren Begleiter sie waren; Eine einzige Zeile ausgenommen, die, nach meinem Gefühl, so wie sie damals Garrick sprach, weder dem tauben Zuschauer, noch dem blinden Zuhörer hätte gefallen können. Er sprach die physiognomische[356] Bemerkung, die er auch in seine Schreibtafel trägt: that one may, Smile and Smile and a Villain, mit der Miene und dem Ton der kleinlichen Nachspötterei, fast als wollte er den Mann damit auszeichnen, der immer lächelte und lächelte und doch dabei ein Schurke war. Ich kann nicht leugnen, dieses fiel mir in meiner damaligen Verfassung so auf, daß ich den Augenblick erwachte.

Wehe meinem Briefe über Garrick, wenn Sie und Ihre Freunde anders stimmen sollten. Ich fürchte es nicht; denn bei der zweiten Vorstellung des Hamlet, der ich beiwohnte, hatte ich das für mich schmeichelhafte Vergnügen, ihn dieselben Worte meiner Empfindung durchaus gemäß aussprechen zu hören, nämlich mit dem Ton der wohl bedachten Anzeichnung zu nahem Gebrauch. Das Lächeln des Schurken, den Hamlet meint, war für ihn von der einen Seite zu wichtig, und zu scheußlich von der andern, sich dagegen bei einem Selbstgespräch mit mimischem Spott zu kühlen. Die Lippen, die so gelächelt hatten, mußte der Tod aus Hamlets Händen (und nichts anders) Ernsthaftigkeit lehren, und das je eher je besser. Was Garricken bewogen haben mag, jene Worte damals so zu sprechen, will ich nicht ausmachen. Ich dachte, die schönen und sanften Wörter Smile and Smile mögten vielleicht schwer ohne Mienen, die wenigstens zur Familie der lächelnden gehörten, auszusprechen gewesen sein, allein ich glaube doch nun, daß es eher ein Versuch, als ein unvermuteter Streich seiner Zunge und ihrer Nachbarschaft war. Sehen Sie, ist das nicht herrlich? Ich merke so eben erst, daß ich des Mannes Kunst auf Kosten seines Verstandes verteidige. Also kein Wort mehr davon.

Unter den hiesigen Schauspielerinnen ist nach meinem Geschmack Mrs. Barry noch immer die größte, oder doch die allgemeinste, und die einzige, die in diesem Punkt eine Vergleichung mit Garrick aushält. Sie kann, zu einem eiteln Kammerpüppchen zusammengeschnürt, sich mit süßer Selbstgefälligkeit tänzeln und zieren, und trippeln, daß den kleinen Mamsellen und den großen Bedienten das Herz im ganzen Hause aufgeht; und dann wieder mit einem Strom von rauschender und rieselnder Seide hinter sich her, mit hohlem Rücken und stolz zurückgewandtem Angesicht einhertreten, wie die Eitelkeit, wenn sie sich am Zug ihrer Schleppe weidet. Sie ist eine große Schönheit, und, wie mir gesagt worden, auch selbst ohne Schminke beim Sonnenlicht auffallend schön, eine geborne Schauspielerin.[357] Ihr Geburtsort ist das schöne, romantische Bath, wo ihr Vater Apotheker war. In ihrem 10. Jahr (wie mir eine Dame erzählt hat, die sie damals kannte) warf sie ihr Strickzeug weg, schlich sich mit dem Shakespear auf den Boden des Hauses, und sprach mit den Schornsteinen. Ihre Schönheit gehört zur Klasse der Heiligen, und der herrschende Ausdruck in ihren Mienen und dem Klang ihrer über alles reizenden Stimme, ist sanfte Unschuld und entgegenkommende Güte. Ein Weib so wie sie der Himmel haben wollte! Sanft, nachgebend, und so wenig satirisch als heroisch. O, sie erschrickt vor einem God damn! als wenn eine Bombe spränge. Ich habe sie als Cordelia im König Lear gesehen, wie sie die von Tränen glänzenden großen Augen nach dem Himmel hob, dann sprachlos die Hände hochringend, mit dem Anstand und, wie mich dünkte, dem Glanz einer Verklärten, ihrem alten verlassenen Vater entgegen eilte und ihn umarmte. Es ist das Größte, was ich in der Art von einer Schauspielerin gesehen habe, noch itzt das Fest meiner Phantasie, und ich werde das Andenken an diese Szene nur mit meinem Leben verlieren. Als ich vor 5 Jahren hier war, sah ich sie schon als Desdemona in Othello. Ich habe Ihnen gewiß in Göttingen davon erzählt. Auch erinnere ich mich kaum jemals so stark Partei in einem Stück genommen zu haben, als damals. Reddish, der den teuflischen Jago vorstellte, ist mir noch itzt unausstehlich. Wehe allen Lippen und Nasen, die der seinigen gleichen, wenn ich einmal eine Physiognomik schreibe!

G.C.L.

Schluß des dritten Briefes aus England an Boie

Damals war Mrs. Barry noch in Drurylane; jetzt spielt sie in Coventgarden. Herr Barry, ihr Mann, ehemals ein angebeteter und noch jetzt immer beliebter Schauspieler, ist alt und steif Herr Garrick ließ also diese vortreffliche Frau, vielleicht ihres Mannes wegen, gehen, den er teuer bezahlen mußte, und nicht sonderlich mehr brauchen konnte, und zog dafür Herrn Yates und seine Frau aus Coventgarden an sich, wovon jener kein übler drolliger Schauspieler, und das vermutlich für wenig Geld ist, diese aber im hohen Tragischen nächst Mrs. Barry sicherlich die größte Schauspielerin, die England hat. Mrs. Barry bekommt, wie mir ein Mann gesagt hat, der es wissen[358] kann, jährlich 1800 Pfund, nehme ich nun an, daß ihr Mann nur die Hälfte hat, und setze außerdem die Revenue an ihren Benefizabenden auf 500 Pfund, (Miß Catley, eine mutwillige, beliebte Sängerin, bekam an ihrem Benefizabend, wie ich genau weiß, 309 Pfund;) so genießt dieses Ehepaar für die wenigen Winterabende, an welchen es spielt, ein jährliches Einkommen von fast 20 000 Talern. Da läßt sich freilich gut für spielen, wenn, wie bei diesen Personen, Trieb der Natur einen schon ohne Besoldung zum Schauspieler macht. Den Sommer bringen sie auf einem herrlichen Landgute in Surrey zu, das ich einmal in der Ferne habe liegen sehen. Ich stund auf eine halbe Stunde stille, und doch konnte ich mich an dem mannigfaltigen Zauberlichte nicht satt sehen, welches meine Phantasie auf das Haus und die Gegend warf, in welcher es stehet.

Nun komme ich auf eine Schauspielerin, die ich schon einigemal genannt habe, Mrs. Abington, eine in mehr als einer Rücksicht so merkwürdige Frau, daß ich Ihnen leicht ein kleines Werk über sie schreiben könnte. Und hätte ich Ihnen durch eine solche Schrift die Talente dieser ungewöhnlichen Seele genau entwickelt, so würde ich, glauben Sie mir, stolzer darauf sein, als auf irgend ein approbiertes Werk in diesem Fach. In einem Brief so etwas auch nur zu versuchen, habe ich jetzt weder Zeit noch Geduld, und es gehörig durchzusetzen, wenn ich aus den Urteilen der Leute schließen darf, von welchen ich sie habe bewundern hören, auch sicherlich weder hinlängliche Kenntnisse noch Erfahrung. Das wenige, das ich von ihr sagen werde, setze ich nur deswegen her, weil es nach einer solchen Entschuldigung, nach dem Plan meiner Briefe, die Ihnen eine kleine Nachricht von allen guten Schauspielern in London geben sollen, eben so unverzeihlich sein würde ganz von ihr zu schweigen, als das erwähnte Werk, dem ich nicht gewachsen bin, wirklich zu unternehmen.

Mrs. Abington ist von Mrs. Yates und Mrs. Barry so unterschieden, wie die komische Muse von der tragischen. An Majestät und Ausdruck sanfter Empfindung steht sie ihnen, zumal der letztern, nach, und übertrifft sie an Talent, die bittere Wahrheit, mit allen den kleinen begleitenden Zügen, den Zeichen der eigenen Bemerkung, tief ins Herz zu reden, daß jeder glauben muß, sie meinte ihn; und dann auch an leider allzufrüh geübter Kunst; bei allem diesen, den herrlichsten Wuchs mit einem gefälligen Strich von Absicht zu zeigen,[359] der dieser großen Schauspielerin noch aus der gefährlichen Schule anklebt, in welcher ihre Reize ausgebildet worden und – – – – noch ehe sie die Bühne betrat, ihren Lohn empfangen haben. An Geist ist sie sicherlich allen englischen Schauspielerinnen sehr weit überlegen. Man merkt es ihr an, die papierne Welt in Drurylane ist ihr zu enge, auch ist es jetzt, da ich dieses schreibe, bereits mehr als Mutmaßung, daß sie dereinst ihre Rolle in dem großen Original selbst spielen wird. Ihr Gesicht ist nichts weniger als schön; sie ist blaß und dabei zu stolz sich zu schminken, ihre Nase etwas aufgestülpt und der Mund keiner von den feinsten. Allein ihre Blicke schneiden unter den schönen Augenbraunen oft mit einem gewissen unbeschreiblichen Lächeln über entdeckte Torheit begleitet, so mächtig hervor, daß dem bange werden muß, den sie treffen. Der Schnitt ihrer Kleidung und ihr Kopfputz ist, wie mich Damen versichert haben, deren Urteil ich zur Ergänzung sowohl als Beglaubigung der meinigen anführe, jederzeit im allergrößten Geschmack; sie tritt daher selten auf das Theater, daß nicht die Mode der feinen Welt hinter ihr herträte. In den stummen Rollen, oder wenn sie etwas gesagt hatte, dem sie mit stummen Auf- und Abgehen Kraft geben wollte, ging sie, wider die Gewohnheit der Schauspieler, oft grade vom Zuschauer ab nach der Tiefe des Theaters. Da hätten Sie sehen sollen, mit welchem Anstand sie sich in den Hüften wog, und mit jedem Tritt die Blicke des kopierenden Neides und der kopierenden Bewunderung, die ihr aus tausend Augen folgten, noch mutwillig schärfen zu wollen schien. So wenig sie für das Trauerspiel geschaffen ist, so wenig ist sie es für das Niedrigkomische. Ihre Rede ist langsam, und wenn sie Torheiten kopieren soll, so müssen es nur solche sein, die sich mit affektierter oder unaffektierter Grazie im Anstand vertragen. Während als sich daher die Gemahlin des Harlekins mit den Albernheiten des armen und reichen Pöbels herumzauset, so schlägt sie sich nach den bestimmten Gesetzen eines anständigen Duells mit den Torheiten der Großen. Hierin ist, wenn meine Empfindung nicht trügt, ihre hauptsächlichste stärke, und zeigt von einer gewissen Würde der Seele, die alle niedrige Mittel den Beifall der Menge zu haben verachtet. Auch die niedrigen Rollen weiß sie von dem Staub der Werkstätte und Spinnstube zu reinigen: wenn dieses nicht allemal zu billigen sein sollte, so hat doch, einer solchen Künstlerin gegen über, die Kritik selten Unbarmherzigkeit[360] oder kaltes Blut genug, das am Ganzen hängend fehlerhaft zu finden, was isoliert gewiß vortrefflich wäre. Ich habe sie sehr oft spielen sehen, auch einigemal mit Garrick zugleich. Am meisten gefiel sie mir in the provoked Wife; the Beaux' Stratagem; in rule a wife and have a wife; in the Bon Ton; in much ado about nothing und the maid of the Oaks, einem Stück, welches sich auf eine wahre Geschichte gründet und vom General Burgoyne seiner Nichte Lady Derby zu Ehren geschrieben worden. Wenig Stücke in der Welt werden wohl mit so viel geschmackvoller Pracht und so vollkommen gut aufgeführt, als dieses, denn es ist mehr als wahrscheinlich, daß der Verfasser sich die Schauspieler gewählt, und bei Zeichnung der Charaktere ihren besonderen Charakter in Betracht gezogen hat. Die Dekorationen hat Lutherberg gemalt und kosten gegen 10000 Taler.

Sie hat, wie man sagt, hauptsächlich durch ihren Geist, einen Mann gefesselt, der an Glücksgütern, Stand und Ruhm nur wenige seinesgleichen in England hat, keinen Neuling. Er ist ein Witwer, und hat ihr Verbindungen antragen lassen, denen zur Voll kommenheit nichts fehlte, als die priesterliche Einweihung. Da sie mit dieser Art von Verbindung sehr bekannt ist, (denn auch Herr Abington, dessen Namen und Vermögen sie besitzt, war ihr gesetzmäßiger Mann nicht) so ging sie dieselben, wie man sagt, unter folgenden Bedingungen ein: Sie müsse Besuche annehmen dürfen, vor wie nach, und welche sie wolle; der Lord müsse sie nie in ihrem Hause besuchen; er müsse ihr außer Pferden und Karosse wöchentlich so Pfund aussetzen, und endlich niemals von ihr verlangen das Theater zu verlassen. Es wurde alles eingestanden. Ein Sieg, weswegen sie nicht allein von allen ihres Gewerbes, sondern auch von einem großen Teil der züchtigern Schönheiten Englands beneidet wird, und der desto merkwürdiger ist, als er sich weder auf Jugend noch glühende Wangen, noch überhaupt Schönheit des Gesichts gründet. Diese Anekdote, für deren Wahrheit in allen Stücken ich eben nicht haftest will, steht, dünkt mich, hier nicht am unrechten Ort, da sie einiges zu belegen dient, was ich von dieser Schauspielerin gesagt habe. Wenn Sie sie einmal im Spiegel sehen wollen, so kaufen Sie sich ein gewisses Porträt von ihr, das nach Reynolds von Elisabeth Judkins in schwarzer Kunst vortrefflich gearbeitet worden ist. Ein wahrhaftes Muster einer leichten Stellung, und natürlichen Ordnung[361] der Hände, vermutlich von dieser leichten Hexe selbst angegeben. Es sollte billig von manchen deutschen Porträtmalern studiert werden, deren Favoritstellung der Hände noch immer von der Lage der Flügel an einem gebratenen Huhn geborgt zu sein scheint. Ich besitze es, und es wird vermutlich auch in meiner kleinen Porträtsammlung haften, die sonst, wie Sie wissen, eben so, nur in flüchtigern Generationen, kommt und geht, wie die schnöden Sterblichen, deren Abbildungen sie enthält. Doch ich breche meinem Versprechen gemäß hier ab, werde aber dieser merkwürdigen Dame doch noch einmal an einer Stelle meines Briefes Erwähnung tun, wo Sie es schwerlich vermuten.

In Coventgarden ist noch Mrs. Hartley merkwürdig. Ihr großer Ruhm gründet sich minder auf ihre Kunst, als ihre an hohes Ideal grenzende Form. Die Londonsche Macaroni haben ihr den Namen Mediceische Venus gegeben. Sehr armselig, wie mich dünkt; sie ist nichts weniger, als ein niedliches, winziges Venusfigürchen, sondern, wenn sie eine Tochter Jupiters ist, so ist gewiß Juno ihre Mutter. In Masons Elfrida hat sie eine Rolle, worin sie kniet, und da läuft London zusammen, Mrs. Hartley knien zu sehen. Ich habe sie ein einziges Mal gesehen, aber nicht auf den Knien, sondern als Lady Macbeth. Die Szene, wo sie im weißen, dünnen Gewand, nachtwandelnd einher tritt, und das Königsblut, von dem sie träumt, von ihren Händen wischt, schwebt mir noch immer vor, ob sie gleich gar nicht in Shakespears Geist spielte, und bei so viel Güte in den Mienen und der Stimme kaum konnte. Ich glaubte eine Heilige zu sehen, die sich die schwere Buße auflegt, ein paar Minuten die Gebärden eines Teufels nachzumachen.

Nun, mein Freund, will ich einmal mit Ihnen auf ein paar Augenblicke zur Abwechslung die Welt in einer Nuß, Drurylane und Coventgarden verlassen, und zu der Nuß im Flittergold einer Welt, der italienischen Oper im Haymarket, herab – nicht wahr, herabsteigen. Ich habe die vergötterte Gabrielli gesehen und gehört, und hätte sie sprechen können, wenn ich gewollt hätte: es ist mir einigemal angetragen, und sogar verdacht worden, daß ich es nicht getan habe. Sie kennen sie gewiß aus Brydones Reisen, aus denen ich sie schon in Göttingen kennen gelernt hatte. Ich hatte, nach jener Beschreibung, ein fast größeres Verlangen sie zu hören, als Garricken. Sie war lange mit mir in demselben London, ehe sie erschien. Das machte die[362] Sache sehr viel schlimmer, wie Sie wissen. Auf einmal wurde angekündigt:


Opera Dido

Dido, Signora Gabrielli.


Ich ging eine Stunde vorher nach der Oper, und wurde abgewiesen: Signora wäre krank. Einige Tage darauf wurde wieder avertiert:


Dido, Signora Gabrielli.


Ich ließ mich in der Sänfte hintragen, und wurde wieder abgewiesen: Signora hätte die Influenza, so nannte man in jenen italienischen Tagen in London den Schnupfen. Zum drittenmal fuhr ich hin. Ich war eben vorher bei Dr. Forster zu Tisch und verließ, Gabriellis wegen, eine höchst angenehme Gesellschaft von Gelehrten, die fürwahr von Otaheite und Neu-Seeland sprachen, wie unser einer von Eimbeck. Ich mußte wieder abziehen: Dido wäre noch nicht wohl. Endlich acht Tage nachher, es war der 11. November dieses Jahres, schien die Sache Ernst zu werden. Signora hatte die Influenza verloren, und eine bis zur Raserei gestiegene Influenza Signora zu sehen hatte London befallen. Nun ging ich wieder zu Fuß, aber dafür auch zwei geschlagene Stunden vorher. Mein Geld wurde genommen, und ich lief die Treppe hinauf voll von Vergnügen Ihnen dereinst von Gabrielli schreiben zu können, die ich selbst noch nicht gesehen hatte. Als ich an die Tür der Galerie kam, für welches Glück man drittehalb Gulden bezahlt, sahe ich, bei dem Licht einer düstern Laterne, eine Dame stehen, die sich sorgfältig in die eine Ecke der Tür gepreßt hatte. Sie hatte sich fest in eine Saloppe gewickelt, die Kappe übergeschlagen, und hauchte tief in einen Federmuff, so daß ich von ihrem ganzen Gesicht nichts sehen konnte, als etwas von der Stirne und die Augen, allein das war auch für mich mehr als hinreichend, den Augenblick Mrs. Abington zu erkennen. Also Mrs. Abington und ich hatten unter 800 000 Seelen, die London enthält, wo nicht die größte Neugierde Signora Gabrielli zu sehen, doch gewiß unter allen, die größte Vorsicht gebraucht, sie für drittehalb Gulden zu befriedigen. Ich suchte so geschwind ich konnte mein bestes Englisch zusammen: Es würde vermutlich diesen Abend sehr voll werden, sagte ich: Das glaube sie auch, sagte sie, und weil in demselben Augenblick unsere Prophezeiung mit Macht anfing in[363] Erfüllung zu gehen, und ich für ratsam hielt, mich in die andre Ecke der ziemlich breiten Tür zu stellen, um wenigstens, wenn die Schleuse geöffnet würde, bei der zu vermutenden Geschwindigkeit des einbrechenden Stroms den traurigen Schutz der Friktion zu genießen, so wurde unsere Unterredung, die, nicht wahr? so herrlich angefangen hatte, unterbrochen, und ich habe nie wieder die Ehre gehabt. Denn in der erschrecklichen Katarakte nach Eröffnung der Tür, wovon Mrs. Abington und ich die ersten Tropfen waren, verlor ich sie aus dem Gesicht. Als ich aber saß und mich erholt hatte, fand ich, daß zwischen ihr und mir nur zwei Personen, Mann und Frau vermutlich saßen, und ich unter fünfen nach dieser Seite der einzige war, der ein Opernbüchelchen hatte. Da nun Mrs. Abington doch immer gern wissen wollte, wann Gabrielli wieder erscheinen würde, so ging mein Buch bis an sie hin. Als daher Dido zum letztenmal abtrat, so erhielt ich, aus alter Bekanntschaft, an der Türe mein Buch mit einer Verbeugung wieder zurück, für die Lord der sie besser hätte deuten können als ich, den Wochengehalt vielleicht verdoppelt hätte. Was man nicht für Bekanntschaften macht, wenn man reist!

Nun geschwind, Gabrielli. Der Vorhang fuhr unter einem Donner von zwanzig Pauken und Trompeten auf, der meinen Odem aufhielt, und Dido Gabrielli, in Gold und weißer Seide, flog vor einer silbernen karthaginesischen Garde unter dem Beifall Londons daher. Es ist keine Kleinigkeit, so was zu sehen und zu hören. Stellen Sie sich vor, unter den Karthaginensern, ganz hinten, entdeckte ich unsern alten sonderbaren George H** mit Uniform, Schärpe und Ringkragen der englischen Garde. Er hatte die Woche beim Opernhause diesen Abend und kannte Dido vermutlich. Er kauete diesesmal nicht an seinem Zopf, wie ehemals auf der Weender Straße, und nahm sich bei dieser Musik nicht übel aus. Allein dieser Auftritt war auch fast das beste, was ich diesen Abend hatte. Stellen Sie sich unter Gabrielli eine Frau vor, mit rundlichem Gesicht, viel eher klein als groß, und der bereits die Tag- und Nachtgleichen des Lebens aus den Augen sehen; die schlechterdings keine Aktion hat, und im Vertrauen auf ihre Stimme ihre Arien, 3/4 des Gesichts gegen die Zuschauer gewandt, abgurgelt, oft bei schiefgedrehtem Hals, mit den Augen auf eine individuelle Loge gerichtet, so haben Sie sie ganz. Einige Arien, als unter andern – gleich im ersten Akt:
[364]

Son Regina; e Sono amante

E l'imperio io sola voglio,

Del mio Soglio, e del mio cor.

Darmi legge in van pretende

Chi l'arbitrio a me contende

Della gloria, e dell'amor.


sang sie vortrefflich, allein mich dünkt, ich habe es in meinen Träumen besser gehört. Mit einem Wort, ich wollte, eine Viertelstunde in Drurylane, an einem schönen Abend, so wenig für diese Dido geben, als ein bequemes warmes Landhaus in Buckinghamshire, oder der Bergstraße, für ihr papiernes Karthago. Damit Sie aber doch diesem Urteil, das übrigens mit dem besten Teil von London einstimmt, nicht zu viel trauen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht so ganz unparteiisch bin. In einem Kopf, an welchem ein solches Paar ungeübter, oder vielleicht unverwöhnter Ohren sitzt, wie der meinige, kann der feine Kitzel einer komplizierten Musik unmöglich die schmerzhaften Stiche auch nur lindern, die ihm die unüberschwenglichen Absurditäten der italienischen Oper alle Augenblicke geben muß. Statt des virgilischen Aeneas und des wackern Montezuma, der 200 schwangere Gemahlinnen auf einmal hatte, sehe ich hier einen gemästeten Hämling mit Waden bis an die Fersen, die Hand an ein schlappes Herz gelegt, hoch von Liebe trillern, daß sich die Steine erbarmen mögten. Ich kann und mag nicht mehr sagen. Sind Sie zufrieden damit? Doch ehe ich die Oper verlasse, muß ich Ihnen noch etwas von einem Mädchen sagen, das alle Aufmerksamkeit verdient, und auch vermutlich schon hat, einer Tänzerin, der kühnen Nebenbuhlerin unserer vergötterten Heinel, die ich in der Oper habe tanzen sehen.

Bacelli eine junge (so schien sie mir wenigstens) aber große Meisterin im höhern Tanz, ein allerliebstes Geschöpf Wenn Bacelli ein italienisches Ohr an Kuß erinnern könnte, so sollte ich denken, hätte sie sich Bacelli genannt, wie sich der maltesische Nachahmer der Nachtigall, Rossignol. Sie ist keins von den winddürren, mit Fleischfarbe überstrichenen Gerippen, deren Tanz im Mondschein bei gemeinem Anzuge einem Gespensterpickenick auf einem Kirchhof ähnlich sehen müßte. Sie ist eher stark als mager, und ihr Körper hat jene glückliche Länge, die bei aller Niedlichkeit sich im Notfall auch mit Majestät verträgt. Auch in ihren Sprüngen behält sie eine unbeschreibliche[365] Grazie immer bei, und im mehr sanften Tanz weiß das Auge kaum, was es hauptsächlich fassen soll, die Arme, oder die Füße, oder irgend einen andern Zug des wallenden Umrisses. Was das für ein Vergnügen ist, zu sehen, wie auf das Signal einer bezaubernden Musik, sich das Gewühl figurierender Luftspringer wie eine See bricht, um diese junge Venus zu einem Solo hervorschweben zu lassen, wenn man das Solo nennen kann, wo tausend Herzen mithüpfen – –

Nun, dem Himmel sei Dank, mit einem Vergnügen, wie Milton aus der Hölle, kehre ich nach Coventgarden und Drurylane zurück, und hole noch einiges nach. Sie verzeihen mir diese Sprünge, mein Freund, und ich wage sie desto getroster, als ich Ihnen unter meinen vielen Versprechungen, das weiß ich, sicherlich keine Ordnung in meinen Briefen versprochen habe. Den wegen seiner großen Verdienste, seines Prozesses, und seiner Physiognomie berühmten Macklin habe ich den Shylock in Shakespears Kaufmann von Venedig spielen sehen. Sie wissen, Macklin als Shylock klingt auf dem Zettel so schön wie Garrick als Hamlet. Es war gerade der Abend, an dem er zum erstenmal, nach geendigtem Prozeß, wieder erschien. Als er heraustrat, wurde er mit einem dreimaligen allgemeinen Klatschen, wovon jedes wohl eine Viertelminute dauerte, empfangen. Es ist nicht zu leugnen, diesen Juden zu sehen ist mehr als hinreichend, in dem gesetztesten Mann auf einmal alle Vorurteile der Kindheit gegen dieses Volk wieder aufzuwecken. Shylock ist keiner von den kleinlichen, beredten Betrügern, die über die Tugenden einer goldenen Uhrkette aus Tomback eine Stunde plaudern können; er ist langsam, in unergründlicher Schlauigkeit stille, und wo er das Gesetz für sich hat, bis zur Bosheit gerecht. Stellen Sie sich einen etwas starken Mann vor, mit einem gelben, rohen Gesicht, und einer Nase, die an keiner der 3 Dimensionen sonderliche Mangel leidet, einem langen Unterkinn und einem Mund, bei dessen Schlitzung der Natur das Messer ausgefahren zu sein schien, bis all die Ohren, auf einer Seite wenigstens, wie mich dünkte. Sein Kleid ist schwarz und lang, seine Beinkleider ebenfalls lang und weit, und sein Hut dreikantig und rot, nach Art der italienischen Juden vermutlich. Die ersten Worte, die er sagt, wenn er auftritt, sind langsam und bedeutend! Three thousand Ducats. Das doppelte th und das zweimalige s, zumal das letzte nach dem t, das[366] Macklin so leckerhaft lispelt, als schmeckte er die Dukaten, und alles, was man dafür kaufen kann, auf einmal, geben dem Mann, gleich beim Eintritt, einen Kredit, der nicht mehr zu verderben ist. Drei solcher Worte so, und an der Stelle gesprochen, zeichnen einen ganzen Charakter. In der Szene, wo er seine Tochter zum erstenmal vermißt, erscheint er ohne Hut, mit aufgesträubtem Haar, wovon einiges fingerlang vom Wirbel senkrecht in die Höhe steht, bei dieser Miene wie von einem Galgenlüftgen gehoben. Die beiden Hände sind geballt, und seine Bewegungen kurz und konvulsivisch. Einen sonst ruhigen, entschlossenen Betrüger in solchen Bewegungen zu sehn, ist fürchterlich. Hinter drein wurde ein Nachspiel Love a la mode aufgeführt, wovon Macklin der Verfasser ist, und worin er selbst die Rolle des Sir Harry Mac Sarcasm unnachahmlich spielt, und fast (vermutlich als Autor) nicht vom Theater wegkömmt. Es ist sehr unterhaltend und strotzt von Witz. Ich habe denselben Schauspieler auch als Macbeth gesehen, in derselben Rolle, die ihn ehemals den Aufruhr verursachte, der die Ursache des Prozesses war. Ich kann nicht sagen, daß er mir hier sehr gefallen hat, ob er gleich mit großem Verstand spielte, allein der Mann hat nicht allein die Jahre, sondern auch die Steifigkeit des Alters. Es tut mir immer weh, wenn ich einen alten Schauspieler auf dem Theater niederstürzen sehe, weil ich weiß, es muß ihm auch weh tun.

Ich glaube, (ich fürchte, sollte ich jetzt sagen) ich werde Ihnen noch einmal schreiben. Mein Reisegefährte hat sich in den drei Tagen verschlimmert. Leben Sie wohl.

London den 2 Dezember 1775.

G.C.L.[367]

Quelle:
Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Band 3, München 1967 ff..
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