Das neunte Buch.

[226] Nachdem der Herr von Greenhielm seine Erzehlung geendiget hatte, bewunderte der Graf die Eigensinnigkeiten der Liebe, und den besondern Character der Philirene. Der Herr von Riesenburg aber sagte, daß ihm die Liebes-Historie des Bruders Christophs noch besser gefallen hätte. Dieselbe macht mich, fuhr er fort, an meinen ehmahlig andächtigen Hofmeister gedencken, der auch vom Schlag dieser Leute war; ich will meinen Herrn solche erzehlen:[226]

Ich war ungefehr 18. Jahr alt, als ich mit diesem andächtigen Menschen auf die hohe Schul nach Argentea kam: wir machten eine abentheuerliche Figur mit einander: er schlug die Augen immer vor sich nieder, redete nie, ohne vorher zu seufzen, und sah bey seinen demütigen Gebehrden so finster aus, daß man immer meynte, er würde einschlafen; nun setzen sie mein Bildniß neben dieses, so werden sie finden, daß wir ein recht artiges Paar müssen ausgemacht haben: mein natürliches Wesen litt unterdessen einen nicht geringen Zwang unter der Anführung eines Menschen, dessen Eigenschaften von den meinigen so weit entfernet waren; ich ehrte nichts destoweniger in ihm die Wahl meines Vaters, der mir solchen zum Aufseher mit gegeben hatte; und würde mich gern, ihm zu gefallen, ein wenig verstellet haben, wen ein Gemüth wie das meinige / darzu geschickt wäre.

Ich läugne ganz nicht, daß ich mich gerne lustig mache wenn es ohne Verletzung der Ehrbarkeit geschehen kan. Nach meiner Meynung ist der Mensch mehr zur Freude und zum Vergnügen, als zur Traurigkeit gebohren. Mein Hofmeister glaubte das Gegentheil, und ein jeder bezeigte sich hierinn nach seinem Temperament.

Ich verliebt mich damahlen in eine junge Gräfin: diese Neigung aber hatte nichts von einer grossen Leidenschaft. Wir gefielen uns nur, und hatten ein Vergnügen, uns solches einander[227] zu sagen. Dieses schmeichelte ein wenig unsrer kleinen Eitelkeit. Die Annehmlichkeiten ihrer Person reitzten mich mohl, ihr einige Liebkosungen zu machen; allein, die Ehre und ein bißgen Tugend, welche ich liebte, setzten unsern weitern Begierden ihre Grenzen, und hielten uns von den unglücklichen Ausschweiffungen der Liebe zurück.

Diese junge Gräfin hatte eine Hofmeisterin, die auch eine von den andächtigen Leuten war, welche viel von Verläugnung der Welt, von der Creutzigung des Fleisches, und von dem pur innern geistlichen Leben zu sprechen wuste: sie war schon weit über die dreyßig hinaus, und nah an den Jahren der Verzweiflung, ihre noch übrige Begierden durch das Sacrament der Ehe, ohne Sünde zu vergnügen: sie war in ihrer Meynung dermassen bekehrt, daß sie es nicht für möglich hielt, in eine kleine Liebes-Schwachheit zu verfallen. Mein Hofmeister, der auch für nichts anders als einen Wiedergebohrnen wolte angesehen seyn, machte mit ihr Bekantschaft: diese fromme Leute empfanden bald für einander eine innigste Hochachtung. Die Gleichheit vereiniget die Naturen aller Geschöpfe, warum nicht auch die Andächtigen? die Herzen unserer beyden Hofmeisterschaft branten weit heftiger, als diejenige der Welt-Leuten: die geistliche Liebe hatte solche entzündet: die Arbeit des Cörpers in den Geist ist nicht so starck, als die Arbeit des Geistes in den Cörper, das macht, weil der Geist durch nichts anders als die[228] Einbildungs-Kräfte wirken kan: werden nun diese erhitzt und rege gemacht, so stehet die Materie unter dem Gehorsam.

Unsern beyden Verliebten war es auch so; der Anfang ihrer Liebe war ganz geistlich, wann sie alleine waren, so druckten sie sich einander zum Zeichen ihrer zärtlichen Herzens-Freundschaft an die Brust: der Gräfin Hofmeisterin trug solche allezeit bedeckt; doch so bedeckt, daß leicht die geringste Bewegung das Halstuch ein wenig verrücken, und beyde über die Entblösung eines kleinen Fleckgens konte seufzen machen. Diese Bewegungen kamen oft. Bey dem Umarmen setzte es auch Küsse; aber Küsse in aller An dacht: keine Schwachheiten: wenn es ihnen beliebt, wer wolte so böses denken? sie küßten einander nur die beyde Backen. Zuweilen machte es wohl bey ihr eine kleine Schamröthe, wenn der Freund, im Feuer der Liebe, des einen Backens verfehlte, und von ungefehr neben auf den Mund ausglitschte. Der Weg, wie sie wissen, ist in dieser Gegend etwas unsicher; man verirrt sich leicht. Wenn dieser Irrthum sich zutrug, so bat er die Schöne sogleich um Vergebung, und küßte ihr dafür die Hand. Sie wurden dadurch in dem innersten bewegt: diese Bewegung hemmte ihre Sprach; sie blieben oft ganz stumm beysammen: ihre Herzen waren geprest, sie musten stark Athem holen, und dieses ließ natürlich, als ob sie seufzten. Bey diesem anhaltenden Stillschweigen besprachen sich die Augen: denn diese sind die Sprach der Geister.[229] Was sie sich einander mögen gesagt haben / ist mir unbekant: sie begriffen es selbst nicht recht: sie spürten davon nur die Wirkung: die Brust war beklemmt, der Puls gieng schneller, der Mund war trocken, und ein inwendiger Brand drohete sie zu verzehren. Sie wolten vermuthlich keines so grausamen Todes sterben: was aus heftiger Liebe geschiehet schlossen sie bey sich selbst, das kan nicht böse seyn. Kurz, nach einem halben Jahr hieß es, der Gräfin Hofmeisterin wär schwanger.

Man schaffte sie hurtig aus dem Hause: niemand hatte Anfangs den frommen Menschen, meinen Hofmeister, darüber in Verdacht. Das arme Mägden konte es gar nicht begreiffen, wie es wär zugegangen: sie sagte, sie wär bezaubert worden: sie ließ sich solches nicht ausreden; und ich hätte die Wahrheit von dieser Geschichte nimmer erfahren, wenn nicht diese unglückselige Liebhaberin in ihrem äussersten Elend zu mir ihre Zuflucht genommen hätte, ihr mit ein wenig Geld an die Hand zu gehen. Weil mir die junge Gräfin schon etwas von der Vertraulichkeit meines Hofmeisters mit ihrer Gubernantin entdeckt hatte, und allenthalben das Gespräch gieng, daß er dieselbe zum Fall gebracht hätte, so verfügte ich mich heimlich selbst zu ihr in ein elendes abgelegenes Häusgen, und wolte ihr nicht eher meinen Beystand zeigen, bis sie alles haarklein mir würde gebeichtet haben.

Sie wolte lange nicht mit der Sprach heraus,[230] sie sagte immer, der Satan wär mit im Spiel gewesen; es wär nicht natürlich zugegangen; allein, ich ließ mich damit nicht abweisen. Kurz, die Noth machte sie schwätzen; sie nante mir mit Thränen und Hände-ringen meinen Hofmeister. Wie bestürzt wurde ich nicht darüber, als ich hörte, daß dieser ehrbare Mensch das Werkzeug dieser übernatürlichen Zauberey solte gewesen seyn. Ich konte ihn nicht mehr vor meinen Augen sehen; nicht deswegen, weil er gesündiget hatte, dieses hätte mich zum Mitleiden bewogen; sondern, weil er durch seine Scheinheiligkeit GOtt und Menschen zu betrügen suchet.

Ohnerachtet aller Beweis auf ihn fiel und ihn völlig überzeugte; so läugnete er doch beständig: er schalt auf Verläumdung und böse Mäuler, und setzte seine Heucheley also noch immer fort. Ich berichtete unterdessen diese Begebenheit meinem Vater. Wir musten darüber wieder zurück nach Hause kehren, nachdem ich nicht viel über zwey Jahr in Argentea gewesen war. Mein Vater verwies meinem Hofmeister seine Aufführung, und gab ihm hernach seinen Abschied.

Der Herr von Greenhielm lenkte hierauf das Gespräch auf die Religion: Es ist leider, sprach derselbe, auch darinn eine gewisse Mode: neue Meynungen und Lehren haben jederzeit die Menschen wie die neue Kleidertrachten zur Nachahmung verleitet. Dieses kommt vermuthlich daher, weil die wenigste wissen, worinn[231] eigentlich der Grund der Religion bestehet; das unerbauliche Gezänk in der Kirchen verwirret solche noch immer mehr und mehr. Ein jeder hält sich selbst für klug: er will andere bekehren und unterweisen, und hat doch nichts als seine eigene Einbildung, damit er seine vermeynte Gaben kan rechtfertigen.

Ich habe neulich in einem Buch, sagte der Graf von Rivera, eine artige Geschicht gelesen, die sich nicht übel hieher schicket: Ein frommer Nazarener, der die Wahrheit liebte, solche aber in der Aufführung der Christen so wenig als bey seinen Glaubensgenossen fand, kam einsmahl auf der Reise in ein grosses Gast-Haus, worinnen Christen von allerhand Secten waren; sie machten sich alle an ihn, und wolten ihn bekehren. Nur einer saß still und hörte ihnen zu. Der Jud war verwundert, daß dieser mit den andern nicht gleichen Eifer zeigte, ihn zur Annehmung seiner Religion zu bereden: er machte sich deswegen von den andern los, setzte sich zu diesem Menschen, befragte ihn, ob er nicht auch ein Christ wär, und warum er ihn nicht ebenfalls zu bekehren suchte? dieser antwortete ihm, daß er noch selbst erstlich dahin trachtete, ein rechter Christ zu werden. Wie, fragte der Hebräer, seyd ihr denn nicht ein gebohrner Christ? Ja, versetzte jener, ich bin wohl von Eltern gebohren, die sich Christen nanten; aber dieses macht deswegen noch keinen Christen? es gehöret mehr darzu. Ich verstehe euch nicht, fuhr der Jude fort, von welcher Religion oder Secte[232] seyd ihr denn? Ich suche einzig und allein, erklärte sich dieser, ein rechter Christ zu werden, ohne mich darum zu bekümmern, zu welcher Secte ich mich schlagen soll; denn die Zänkereyen und Trennungen, die man unter ihnen wahrnimmt, zeigen wohl, welcher Secte, aber nicht, welcher Religion sie zugethan sind. Nun ist nur eine Religion, diese lässet sich nicht trennen. Der Jude war gantz verwundert, einen Christen von dieser Art anzutreffen, und forschte deswegen bey ihm weiter, ob denn, wenn ein Jude gedächte ein Christ zu werden, er nicht nothwendig zu einer von ihren Secten sich schlagen, und gegen die andre sich erklären müste. Wie man ehedessen, antwortete darauf jener, hätte ein Christ seyn können, ehe noch die Secten aufgekommen wären, so könte man auch noch heutiges Tages ein solcher seyn, ohne sich zu einer Secte zu schlagen. Man muß, fuhr er fort, das Christenthum nicht nach dem äusserlichen Rock urtheilen, worinn sich eine jede Secte kleidet: es ist an und für sich selbst ganz einfältig, und bestehet nicht in solchen besonderen Meynungen, womit man solches beschränken will; sondern darinn, daß man mit aller Aufrichtigkeit des Herzens den Lehren des Evangelii suchet nachzuleben.

Ja, das ist wohl gut, erinnerte hiebey der Herr von Greenhielm; aber man muß doch auch, wegen der Ordnung, Zucht und Unterweisung sich nochwendig zu einer äusserlichen Kirche mit bekennen; weil sonst die Verwirrung beydes im[233] Geistlichen, als Weltlichen zu sehr überhand nehmen würde. Der Graf gab ihm darinn Beyfall: Nur wünschte derselbe, daß man sich bey dem öffentlichen Gottesdienst mehr nach dem gemeinen Mann, als nach der Spitzfindigkeit der Gelehrten richten mögte; damit die Tempel wenigstens Schulen der Andacht und der Tugend seyn mögten; wenn man gleich darinn die verschiedene Begriffe und Meynungen nicht zusammen vergleichen könte.

Mit diesen und dergleichen Gesprächen unterhielten sich diese drey Herren auf ihrer Reise: sie wurden ein paar Stunden vor Panopolis von dem Herrn von Ridelo eingehohlet, in dessen Pallast sie abstiegen: der Graf von Rivera bezog darinn sein voriges Quartier: seine beyde Reise-Gefehrden aber mieteten sich einige Zimmer in der Nachbarschaft. Den andern Morgen war das Vor-Gemach des Grafens von den vornehmsten Herren und Bedienten des Hofs angefüllet, welche sich darinn versammlet hatten, um ihn zu bewillkommen, und bey demselben ihre Glückwünsche abzulegen.

Der Graf verfügte sich darauf nach Hofe: er fand den König krank, die Medicinische Hof-Facultät stund um ihn herum: ihr ängstliches Berathschlagen, ihre zweydeutige Gesichter, ihre lange Recepten, die sie verschrieben; alles dieses machte dem König bang: er meynte, daß er nun sterben müste; und diese Furcht vermehrte seine Krankheit.[234]

Weil es in der Herbst-Zeit war, und zuweilen ein rauhes Lüftgen wehete, so liessen ihn seine Leib-Aerzte nicht aus seinem Zimmer kommen, und aller Luft darinn den Eingang verbieten. Die Fenster wurden nicht allein mit Läden verwahret, sondern auch allenthalben mit Vorhängen bezogen. Wer zur Thür herein trat, dem wurde furchtsam entgegen gewinket, sich nicht lang darunter zu verweilen, und solche hurtig wieder zuzumachen.

Der Graf von Rivera, welcher der vollen Luft gewohnet war, suchte aus der hohlen Brust sich den Othem heraufzuziehen, der ihm in diesem Zimmer schien kürzer zu werden. Der König that, als ob er ein wenig ruhete: der Graf setzte sich deswegen auf einen Stuhl in das Vor-Gemach, wo die Herren Leib- und Hof-Aerzte ihre Geheimnisse zu Papier gebracht hatten: Er nahm ein Pülvergen und ein Gläsgen nach dem andern in die Hand, und las die daran geheftete Zettel mit Schrecken: die Ungedult übernahm ihn: Aber wie, meine Herren, sprach er zu den Aerzten, wollen sie den König gesund machen, und brauchen ihm alle diese Arzneyen? Er sagte diese Worte mit einen so erhabenen Ton, daß der König fragte, wer da wäre? der Graf von Rivera, antwortete der Cammerherr, der die Aufwartung hatte. Der Graf von Rivera? wiederhohlte der König, indem er sich im Bette aufrichtete, laßt ihn herein kommen. Der Graf kam und küßte dem König die Hand mit der gröstem Demuth, und bezeigte[235] ihm sein tiefes Mitleiden, daß er denselben unpäßlich fänd. Der König winkte dem Cammerherrn, daß man ihn mit dem Grafen solte alleine lassen: hier versicherte der König den Grafen seiner Gnade, und bat ihn, das geschehene zu vergessen.

Er klagte ihm darauf seine Noth, und wie er fürchtete, daß er sterben müste: der Graf aber redete ihm einen Muth ein; und versprach, ihn mit GOttes Hülf wieder zurecht zu bringen, wenn er sich seiner Cur anvertrauen wolte. Wie, sprach der König, wie wolt ihr mich zurecht bringen, ihr seyd ja kein Doctor? Ich kenne nichts destoweniger Ew. Maj. Natur und Temperament besser, als wenn ich ein Doctor wär, erwiederte der Graf. Ew Majestät erlauben mir, daß ich meine Gedanken darüber dero zweyten Leib-Medico entdecken mögte.

Der Graf stund damit auf, gieng in ein Neben-Zimmer, und ließ den Herrn Hippon, so nante sich der Leib-Arzt, zu sich kommen. Mein werthster Herr Doctor, redete er ihn an, ich habe die Ehre, sie als einen sehr vernünftigen und gelehrten Mann zu kennen; ich kan mir deswegen nicht einbilden, wie sie mit den andern Herren Leib-Aerzten übereinstimmen solten, den König auf eine solche Art zu tractiren, die seiner ganzen Natur entgegen ist, und solche wohl gar aufreiben dürfte, wenn sie damit fortfahren solten. Der Herr Hippon zuckte darüber die Schultern, und bekante dem Grafen,[236] daß er mit seinen Herren Collegen nicht einerley Meynung wäre: er seye aber überstimmet; Der Aelteste unter ihnen gab sich in seinen Aussprüchen das Ansehen der Unfehlbarkeit; der andere wär sein Schüler, der durch ihn sein Glück gemacht hätte, und nehm sich deswegen wohl in acht, ihm nicht zu widersprechen. Also, sprach der Graf, übet ihr Herren eure Kunst auf des Königs Gefahr, um das Ansehen eurer Wissenschaften zu erhalten? Was wollen aber der Herr Graf, fragte Hippon, daß man bey der Sache thun soll? Ich will ihnen, erwiederte der Graf, meine Meinung sagen, und wenn wir, wie ich vermuthe, darinn übereinstimmen, so lassen sie mich machen.

Daß sich der König so übel befindet, fuhr der Graf fort, kommt von dreyerley Ursachen: Erstlich von einem unordentlichen und unmäßigen Leben: zweytens, von verschiedenen heftigen Gemüths-Bewegungen: und drittens von dem stets anhaltenden Gebrauch vieler Arzneyen. Was daraus, mein Herr, wenn diese Dinge zusammen kommen, in dem menschlichen Cörper vor Unheil entstehet, wissen sie besser als ich. Wir müssen also, nach meiner einfältigen Philosophie, zuforderst die Ursachen der Krankheit so viel möglich aus dem Wege zu räumen, und den schädlichen Einfluß derselben abzuleiten trachten.

Ich meyne, der ehrliche Hippocrates habe gesagt: wer einen kranken Cörper nähret, der nähret nur die Krankheit: erfüllet ein zähes und[237] dickes Blut die Adern-Gänge und böse schleimigte Säfte verhindern die Verdauung des Magens, so lehret uns die Natur, daß eine freye Luft und eine gemäßigte Bewegung besser sey, das Geblüt zu verdünnen, und den Magen seiner Pflicht zu erinnern, als warme Bette, geheitzte Stuben, und zugesperrte Zimmer. Ich kenne Leute, die deswegen keine geschlossene Gemächer, wenn sie voller Menschen sind, vertragen können, weil bey ihnen eine volle Luft erfordert wird, um der Bewegung in ihrer Lunge den ersten Andruck zu geben, und vermittelst dieses Trieb-Werks das Blut durch alle Adern durchzudrängen.

Ich weiß nicht, ob ich mich hier Medicinisch erkläre, fragte hiebey der Graf den Leib-Arzt: gar wohl, sprach dieser: der Herr Graf sprechen, als ob sie von unserm Handwerk wären. Wenn sie mich nur verstehen, fuhr der Graf weiter fort; meine Meynung wär also diese: Man ließ dem König Luft, und hielt ihn zur Diät und einer mäßigen Bewegung: viele Arzneyen machen die Natur in ihrer Würksamkeit nur irre. Man müste dabey sein Gemüth mit allerhand unschuldigen Abwechselungen und Ergötzlichkeiten unterhalten; alle verdrießliche Sache aber so lang vor ihm verborgen halten, bis er wiederum eine gewisse Stärke erlanget hätte. Wann sie dieses, mein Herr Hippon, für gut halten, so will ich alsbald darzu Anstalt machen, den König morgen nach der Einsiedeley zu bringen.[238]

Hippon billigte alle des Grafens Anschläge, und versprach ihm darinn behülflich zu seyn: sie giengen darauf wieder zu dem König. Ew. Majestät seyen gutes Muths, redete der Graf ihn an, morgen, so GOtt will, werd ich die Gnade haben, dieselbe nach der Einsiedeley zu begleiten: für das übrige lassen sie mich sorgen. Der König meynte, der Graf wär nicht wohl bey Sinnen? wie sprach er, soll ich mich in die Luft wagen? wo soll ich Kräfte hernehmen, eine solche Reise zu thun? Hippon sagte darauf dem König: er könte des Grafens Anschlägen ohne Gefahr sich anvertrauen, es würde schon alles gut gehen: der Graf beurlaubte sich damit bey dem König.

Er fand unter andern Bedienten auch den Silon im Vor-Gemach: mein lieber Silon, redete er ihn an, indem er ihm die Hand reichte: ich weiß, daß er dem König getreu ist, und daß er deswegen mich hat suchen bey ihm in Ungnad zu bringen: ich verzeih ihm solches von Herzen, er hat wohl gethan, daß er auf meine Aufführung, die ihm verdächtig schien, ein wachsames Auge gehabt: ich will mir jetzo seine Freundschaft ausbitten: wir wollen beyderseits unsere Treue für den König vereinigen: ich werde Gelegenheit haben, ihm allen von mir geschöpften Argwohn zu benehmen. Silon wuste sogleich dem Grafen hierauf nicht zu antworten, er hatte sich einer so freundlichen Ansprach von demselben nicht versehen: er wolte[239] sich wegen des vergangenen bey ihm entschuldigen; der Graf aber druckte ihm die Hand: und sagte, es wär schon alles vergessen.

Er machte darauf hurtig Anstalten, den König nach der Einsiedeley zu bringen. Er fuhr mit anbrechendem Tag, in Gesellschafft seines Wirths, des Herrn von Ridelo, zu dem alten Einsiedler, der ihn mit Freuden-Thränen empfieng: er entdeckte ihm sein Vorhaben: der Einsiedler fand solches wohl ausgedacht: der Herr von Ridelo lies darauf die unter seinem Befehl stehende Aufseher der Königlichen Lust-Häuser in geschwindester Eil zusammen kommen, und die Gemächer in der Einsiedeley mit nöthigen Tapeten, Bettungen und andern Geräthschaften versehen.

Der Graf von Rivera kam gegen Mittag wieder nach Hofe: der König saß auf einer Ruhbank, und hatte seinen Kopf in ein Küssen gesteckt. Der Graf von Rivera fragte ihn, wie er sich befänd. Der König antwortete ihm: schlecht; er hätte die Nacht über nicht geschlafen. Ich hoffe, versetzte der Graf, Ew. Majestät sollen diese Nacht besser ruhen. Was wolt ihr denn mit mir anfangen? fragte ihn der König. Ew. Majestät, sagte der Graf, werden sich gnädigst gefallen lassen, diesen Nachmittag nach der Einsideley zu verreisen. Ich glaube, Graf, erwiederte der König, ihr seyd nicht klug; wie soll ich denn hinkommen? Ich nehm, antwortete der Graf, diese kleine Reise von Ew. Majestät[240] auf meine Gefahr, und ich weiß, daß sie dero Gesundheit zuträglich seyn wird. Als nun Hippon darzu mit einstimmte, so ließ sich endlich der König bereden. Die andere beyde Leib-Aerzte wolten mit dieser Unternehmung des Grafens nichts zu thun haben. Dem ungeachtet so faßte dieser den König unter den linken Arm, mittlerweile, daß derselbe sich mit dem rechten auf einen Cammerherrn stützte; und brachte ihn solchergestalt in einem guten Pelz-Mantel eingewickelt in die Gutsche.

Es war zu gutem Glück einer von den schönen Herbst-Tagen, die der angenehmsten Sommers-Zeit nichts nachgaben. Der König hatte noch kaum das freye Feld erreichet, so warf er schon seinen Pelz von sich, und bekam ein wenig Farbe: man hatte die Gläser an der Gutschen bishero zugehalten: die Sonne brannte von aussen durch dieselbe, daß der König anfieng warm zu werden. Der Graf ließ deswegen das Fenster auf der Seiten, wo er saß, herunter, und dem König bekam die Luft nicht übel.

Die Pferde lieffen unterdessen in einem starken Trab fort: so sanft auch die Gutsche in Riehmen und in Federn hieng, so machte sie doch einige Erschütterungen; zuweilen setzte es auch ein wenig unsanfte Stösse. Nicht wahr, fragte der Graf im Scherz den Herrn Hippon, welcher neben ihm, gegen über dem König saß, diese Stösse sind gut? man findet eine solche Arzney nicht in allen Apotheken. Der König[241] muste darüber lachen. Ihr seyd mir wahrhaftig ein poßierlicher Doctor, sprach er zu dem Grafen: ich finde mich wirklich ein wenig leichter; nur ist mir der Kopf etwas schwindelich: das macht, erwiederte der Graf, weil Ew. Majestät sich bisher der Luft entwöhnet, und lange nicht aus dero Zimmer kommen sind: doch kan man jetzo ein wenig sachte fahren: Er rief damit einem an dem Schlag reitenden Edelknaben, und befahl, daß der Gutscher die Pferde nur einen Schritt solte gehen lassen.

Nachdem der König anderthalb Stunden gefahren war, ließ der Graf ein wenig halten, und dem König zur Erfrischung einen Trunk von einem rothen Wein, welcher in der Gegend von Bontacko wächset, und für den gesundesten gehalten wird, mit einem Biscuit reichen. Der König ließ sich solches gut schmecken, und wurde immer munterer.

Im Fahren beobachtete der König die schöne Gegend, besonders war er sehr vergnügt, längst dem breiten Strohm, unter einer langen Baum-Allee nach Bellahai zu fahren. Als sie den Garten dieses prächtigen Schlosses erreichten, fragte der Graf den König, ob er nicht Lust hätte, ein wenig auszusteigen? der König sagte ja, wenn es ihm anders der Graf, als sein ausserordentlicher Leib-Doctor, erlauben würde. Er stieg damit aus der Gutsche, lehnte sich im Gehen auf den Grafen, und bedankte sich für dessen guten Rath, indem er sich weit besser befände, als die vorige Tage.[242]

Man trug eben die rare Gewächse und Pomeranzen-Bäume in ihre Winter-Behausung: der König freuete sich, darunter einige zu bemerken, die so voll der schönsten Früchten hiengen, daß ihm solches kaum natürlich schien. Der Gärtner und seine Leute sahen nicht so bald den König ankommen, so liefen sie hinzu, und brachten ihm allerhand rare Gewächse und Blumen entgegen. Die Freude und Entzückung, womit sie solches thaten; und die übel-gesetzte, aber wohlgemeinte Wünsche, die sie für des Königs Gesundheit ausstiessen, gefielen demselben wohl; er befahl ihnen dafür ein Geschenke zu reichen.

Der Graf ließ unterdessen die Wasser springen: Ein Chor der besten Waldhornisten, die er voraus gesandt hatte, stiessen nach der Kunst in ihre Hörner; und wechselten darauf ihre lang sam-gezogene Töne mit dem hell-durchdringenden Klang der Clarinetten; welche mit dem angenehmen Rauschen der spielenden Wasser eine süsse Harmonie machten.

Es war noch eine kleine Stunde von diesem Lust-Schloß bis nach der Einsiedeley: Die Demmerung begunte einzubrechen, und die Abende waren bereits kühl. Der Graf erinnerte demnach den König die Reise weiter fortzusetzen: und seinen Pelz-Mantel wieder um sich zu schlagen.

Sie kamen damit nach der Einöde, welche aus einem Haupt-Gebäude, einer Capelle, und[243] zwölf kleinen Häusern bestund: deren jedes nur einen Vor-Saal, ein Zimmer und ein Cabinet hatte. Das Schloß lag in der Mitte auf einer kleinen Anhöhe: es war mit einem Wasser-Graben und einer breiten Gallerie umgeben: eine schier unendlich scheinende Aussicht in eine ganz offene Landschaft schilderten den Augen die entzückenste Gegend: von hinten war das Königliche Gehege, welches mit vielen Schneesen bis nach Bellahai durchhauen war. Das Gebäude hatte in der Mitte ein grosses rundes Dach, durch welches das Licht in einen achteckigten Saal herunter fiel: auf diesen Saal stiessen vier Zimmer mit eben so viel Cammern; welche allesammt auf die sinnreichste und anmuthigste Art ausgezieret waren.

Der König war beydes sowohl von dieser unvergleichlichen Aussicht, als von den gemachten Anstalten des Grafens, angenehm gerühret: er sah den Untergang der Sonnen und die einbrechende Nacht mit vergnügten Augen an: die anmuthige Stille, so in dieser Gegend herrschte, war ihm eine süsse Abwechselung mit dem unruhigen Getöse seines Hofes: der Graf bat ihn, sich auf eine Ruhbank zu legen, und seine Sinnen so lang in einen angenehmen Schlummer zu versenken, bis es Zeit seyn würde zur Tafel; zu gehen: der König ließ sich alles von seinem neuen Leib-Arzt gefallen: er streckte seine Glieder auf dieses gemächliche Gestelle: es brannte ein kleines Feuer im Camin, einige Wachholder-Stauden krachten darinnen mit einem blitzenden[244] Funkeln, und durchdrangen mit ihrem lieblichen Geruch die noch übrige Feuchtigkeiten des Königlichen Schlaf-Gemachs.

Alles war still, niemand kam in das Zimmer, worinn der König lag: doch stund die Thür davon offen, wo im Vor-Gemach ein Cammerdiener aufwartete. Der König war in einen tiefen Schlaf gefallen, und genoß einer so süssen Ruh, als er in langer Zeit nicht gehabt hatte. Es war noch eine Stunde vor Mitternacht; der König schlief noch immer. Man fragte den Grafen, ob man ihn nicht zur Abend-Mahlzeit aufwecken solte? Mit nichten, sagte dieser, der Schlaf ist dem König gesunder als das beste Essen. Endlich erwachte derselbe eine Stunde nach Mitternacht: er fragte sogleich nach dem Grafen: und als dieser kam, rief er ihm entgegen: er hätte unvergleichlich geschlafen, und fänd sich nun ganz erquickt: er fügte hinzu, daß er wohl etwas essen mögte. Wenn Ew. Majestät, war darauf des Grafens Erinnerung, sich für dißmahl mit einer Tasse Schocolad, und einem Biscuit begnügen wollen, so geschähe mir eine Gnade. Ey! Ey! sprach der König! was seyd ihr vor ein unbarmherziger Doctor. Ich muß euch nun wohl folgen. Der Graf rieth ihm darauf mit einem kleinen Spiel sich so lang zu belustigen, bis der Schlaf wieder kommen würde. Der König aber bat den Grafen, ihm einige Umstände von dem letztern Feld-Zug zu erzehlen.[245]

Der Graf war erfreut, daß der König durch diesen Befehl ihm Gelegenheit gab, seine gute Meynungen und Absichten demselben zu erkennen zu geben. Doch wuste er seine Reden so geschickt einzurichten, daß sie mehr ein Gespräch, als eine blose Erzehlung waren; Er sagte dem König das wenigste von sich selbst, und von dem, was er verrichtet hatte: er zeigte ihm, wo man gefehlet, und wie dergleichen Fehler hinfüro könten vermieden werden. Dem König mangelte es weder an Verstand noch Einsicht; die Bescheidenheit des Grafens gefiel ihm wohl: er wuste, wie sehr er demselben wegen seiner erwiesenen Tapferkeit und Klugheit verbunden war.

Der König wolte etlichmachl von der Gräfin von Monteras zu sprechen anfangen; allein, das Andenken davon war ihm noch zu empfindlich: er konte ohne äusserste Gemüths-Bewegung sich nicht wohl ihrer erinnern. Der Graf gab ihm endlich selbst Anlaß von ihr zu reden. Ich wär nun, sagte er, wegen Ew. Majestät Gesundheit ausser Sorgen, wenn ich nur auch hoffen könte, deroselben Gemüths-Ruh wieder in guter Verfassung zu sehen.

Ich versteh euch, Graf, versetzte der König, wo ihr hinzielet: ihr werdet mir verzeihen, was mich meine heftige Liebe zu der Gräfin von Monteras in Ansehung eurer, hat thun machen. Wie ich höre, so ist sie auf einem ihrer Land-Güther, und lebet von der Welt in einer abgezogenen Stille; dergestalt, daß sie ganz nicht mehr soll[246] zu bewegen seyn, einigen Besuch, weder von mir, noch meinen Cavallieren anzunehmen.

Dieses solte mich glauben machen, antwortete darauf der Graf, daß Ew. Majestät sich desto leichter entschliessen würden, dero Königliche Neigung auf eine Prinzeßin zu wenden, welche mit mehr Erkäntlichkeit, als die Gräfin von Monteras, die Gunst eines so grossen Königs zu verehren weiß.

Die Gräfin von Monteras, erwiederte der König mit einem Seufzer, scheinet mir allzu liebens-würdig, als daß ich sie so leicht solte vergessen können. Wenn dieselbe Ew. Majestät auch vergnügt machen könnte, war des Grafens Antwort, so wolt ich deroselben diese Neigung keineswegs wiederrathen; allein, so ist dieselbe, aller ihrer Vorzügen und guten Eigenschaften ungeacht, doch weder von einer solchen Geburt, noch von einer solchen Gemüths-Art, daß sie sich auf den Aquitanischen Thron schicken solte. Könige und Fürsten pflegen immer hierinn einen gewissen Wohlstand zu beobachten, welche ihrer Hoheit und denen Umständen eines Königlichen Hauses gemäß ist.

Ich versteh euch, Graf von Rivera, unterbrach hier der König mit einiger Bewegung, ihr wolt sagen, die Gräfin schicke sich besser für euch? Ich sage dieses nicht, erklärte sich hierauf der Graf, ich denke jetzo nur allein auf das Vergnügen meines Königes. Ich läugne[247] nicht, daß ich die Gräfin liebe; allein, ich kenne die Pflicht, womit ich Ew. Majestät verbunden bin; ich werde nichts thun, was derselben zuwider ist.

Weil der Graf vermerkte, daß dieses Gespräch des Königs Empfindlichkeit noch allzuzärtlich rührte, so lenkte er solches auf die Angelegenheiten des Staats. Ew. Majestät, sagte er, würden wohl thun, wenn sie einen Gesandten an den Licatischen Hof zu schicken, sich gnädigst wolten gefallen lassen. Es ist nöthig, dem König dieser uns benachbarten Völcker, gewisse, für beyde Cronen vortheilhafte Friedens-Vorschläge zu thun, bevor die Sachen noch in grössere Weitläuftigkeiten ausbrechen, und die Licatier durch neue Bündnisse zu mächtig werden mögten. Der Graf, um dem König zu zeigen, daß er nur darauf bedacht sey, ihm und dem Staat zu dienen, bat denselben, dieses Geschäfte ihm anzuvertrauen.

Der König ließ sich zwar den Vortrag des Grafens gefallen, doch bezeigte er ihm auch, daß er seiner Gegenwart nicht gerne lang beraubet seyn mögte, und daß er nicht eher ihm erlauben könte, diese Reise anzutreten, als bis er wieder zu seiner völligen Gesundheit gelanget seyn würde.

Gegen Morgen empfand der König wieder eine Neigung zum Schlaf; man kleidete ihn aus, und legte ihn zu Bette: er schlief, wiewohl[248] nicht so gut als auf der Ruhebank. Nach 10. Uhr stund er wieder auf. Der Graf war bald bey der Hand. Nun kommen Ew. Majestät allmählig wieder in die Ordnung, sprach er zu dem König. Der Thee mit einigen frisch-eingemachten Pomeranzen-Schalen war zum Frühstück bereit. Der König gieng dabey im Schlafrock in diesem kleinen Lust-Gebäude herum: er sah von aussen die anmuthigste Gegend, und von innen die sinnreichste Gemählde, welche mit den nachdrücklichsten Sinnbildern, und Lebens-Regeln bezeichnet waren. Der Graf machte den König unter andern folgende beobachten:

Ein springendes Wasser, dessen in die Luft schiessender Strahl eine Crone in der Höhe erhält: mit dieser Unterschrift; Er erhält. Vermuthlich weiset dieses Sinnbild, sagte der Graf, auf die Göttliche Vorsehung, welche gecrönte Häupter, durch ihre verborgene Macht, in der Höh erhält, ohne welche sie sonst leicht zu Boden stürzen.

Ein von einem Felsen sich herab-stürzender Bach, welcher ein Mühl-Rad treibet, mit den Worten: Lebendige Wasser treiben. Der Graf erklärte dieses Sinnbild, daß das Leben und die Gesundheit des Menschen in einer fortdaurenden Bewegung, und in dem steten Zufluß reiner und frischer Säfte bestünde. Stille Wasser, sprach er, haben insgemein schädliche Dünste; da im Gegentheil rauschende Bäche, die sich von hohen Felsen in die Thäler[249] ergiessen, für die gesundeste gehalten werden. Immer stille liegen, macht den Menschen dickblütig; immer rennen und lauffen erschöpfet die Kräfte. In einer ordentlichen Bewegung aber bestehet das Geheimniß der Gesundheit. Die Gemüths-Ruh müssen wir in uns selbst suchen, sie können von aussen nicht in uns. Angenehme Zufälle erfreuen; widerwärtige betrüben; beyde aber stöhren nicht leicht unsere Gemüths-Ruh, wenn einmahl das Triebwerck unserer Natur in Ordnung ist.

Das dritte, worüber der König selbst eine Auslegung verlangte, war ein Feld voll allerhand Waffen und Rüstungen, in dessen Mitte ein geharnischter Plock stunde, wobey sich Pallas in den Wolken zeigte: mit der Umschrift: Was nutzen diese / wo jene abwesend ist?

Dieses erkläret sich leicht, antwortete der Graf; die Waffen bedeuten Macht und Stärke; wo aber die Weisheit, welche hier durch die Pallas vorgestellet wird, abwesend ist; da kan mit allen Waffen und verkehrten Anstalten nichts ausgerichtet werden. Dieses neben stehende will fast eben dieses sagen: Es ist ein mit vollen Seegeln durch die Meeres-Wellen streichendes Schiff, welches nur von einem Steuermann regieret wird: die Worte sind: Einer regieret alles. Dieses kan unmittelbar von GOtt, mittelbar aber von einem Regenten verstanden werden, wo das Versehen eines einzigen Menschen oft viele tausend[250] unglücklich macht; nicht anders, als ein unverständiger Steuermann, der sich mit so viel Menschen und Gütern, die er auf seinem Schiffe hat, in den Grund seegelt.

Was bedeutet dann, forschte der König weiter, dieses vortrefliche Geschirr, da so viel Leute nach einander kommen, und was sie in ihren Gefässen tragen, hineinschütten; welches aber alles unten wieder durchläuft, und von Kröten, Eidexen, Schlangen und anderem Ungeziefer aufgelecket wird? Die Unterschrift lautet: Wir füllen vergebens. Dieses, allergnädigster König, hat wohl eine nachdenkliche Bedeutung. Der schöne Topf, den Ew. Majestät hier sehen, ist dero Schatz-Cammer: die Leute, die Most und Oel hinein schütten, sind dero Unterthanen: das Loch, wo unten alles durchlauft, zeiget eine üble Haushaltung; und die daherum sich einfindende Ungeziefer, sind die viele Schlemmer und Müßiggänger, die sich an dero Königl. Hofe befinden.

Genug, Graf, sprach der König, ihr solt mir heut kein Sinnbild mehr auslegen: ich sehe ihr seyd ziemlich aufgeräumt, mir die Wahrheit zu sagen. Wolte GOtt! versetzte der Graf, mit einer demüthigen Gebehrdung, ich könte Ew. Majestät nur so viele und wichtige Wahrheiten sagen, daß sie mögten gesünder, ruhiger und der glückseeligste Monarch in der Welt werden: dieses ist der einzige Zweck von meinen freyen Reden. Der König druckte hierauf den[251] Grafen mit einer herzlichen Bewegung an seine Brust: redet nur mit mir, sprach er, als mit eurem Freund: ich sehe wohl, daß ihr aufrichtig seyd, und es gut mit mir meynet.

Nachdem der König hierauf mit dem Grafen ein paar Parthien auf dem Biliard gespielet hatte, kam Herr Hippon mit seinen Magen-stärkenden Tropfen, und bat den König solche einzunehmen.

Als dieses geschehen, ließ der König sich ankleiden, und gieng wieder in den grossen Saal, darinn seine bey sich habende Hof-Bedienten, nebst einigen Herren und Räthen sich befanden. Der König aber behielte, weil er Chur-mäßig leben solte, niemand bey sich zur Tafel, als den Grafen von Rivera, und den Cammerherrn, der die Aufwartung hatte. Die Tafel war klein, und mit wenig Speisen besetzt. Fette Suppen, Fricasseen, Pasteten, Torten, Fische, Mehl-Milch-Back- und Zuckerwerk, zusammt dem Obst, welches der König überaus liebte; imgleichen dicke, süsse und schwere Weine, die jenseit der Gränze von Itrurien wachsen, und von keiner leichten volatilischen Natur sind; alles dieses war hier nicht zu finden.

Der König, als er diese so mager-besetzte Tafel mit Nachdenken betrachtete, und seine liebste Speisen nicht mit dabey fand, fragte den Mund-Koch, wer die Küche so schlecht bestellet hätte? dieser antwortete, der Herr Graf von Rivera habe ihm den Küchen-Zettul gegeben,[252] und der Herr Doctor Hippon hätte selbst ihm kochen helfen. Der König muste über diese Nachricht, die der Mund-Koch mit einer ganz trocknen Art heraus sagte, von Herzen lachen; und als Hippon darauf seine gewöhnliche Stelle hinter ihm, bey dem Mundschenk einnehmen wolte, befahl ihm der König, weil er die Küche so Medicinisch besorget hatte, daß er auch mit essen solte. Die andere Herren wurden angewiesen in einem von den sogenannten Pavillons zu speisen.

Der König aß, ohneracht der wenigen Tractamenten, mit so grossen Appetit, daß seine beyde Gesundheits-Räthe ihm darinn Einhalt thun musten. Nach der Tafel liessen sie, weil es gut Wetter war, des Königs Jagd-Wagen anspannen, und fuhren mit ihm nach dem Wald, wo der Graf einiges Wild hatte zusa en treiben lassen: im Holz liessen sich die Jäger mit ihren Jagd-Hörnern hören, und der König schoß ein paar Rehböck. Den Abend hatte der Graf ein paar vortreffliche Sängerinnen, nebst einigen Königlichen Virtuosen zu einer Cammer-Music bestellet, wobey der König sich überaus vergnügt bezeigte.

Der Graf unterhielt sich bey dieser Gelegenheit eine Weile mit dem alten Einsidler in seinem Zimmer allein. Er empfieng von ihm die beste Lehren, und fragte ihn in den wichtigsten Dingen um Rath. Der Einsidler warnete ihn insonderheit vor der Ehrsucht, als der allergefährlichste[253] Neigung grosser Geister; sie müssen sich, sprach er zu demselben, als ein Werkzeug in der Hand der Göttlichen Vorsehung betrachten; ohne sich selbst deswegen im mindesten etwas von dem guten Fortgang einer Sache zuzuschreiben, noch sich darüber selbst zu schmeicheln. Dann dieses trennet den Menschen von GOtt; und ausser GOtt ist der Mensch eine arme und elende Creatur.

Der Graf war in diesem Fall nicht wie andere junge Leute, die, wenn sie ein blindes Glück erhoben, solches ihrer eigenen Vortrefflichkeit zuschreiben, und in dieser Einbildung so weit gehen, daß sie meynen, sie wüsten bereits alles; und hätten deswegen nicht nöthig, daß man sie noch unterrichte. So grosse Eigenschaften auch in dem Grafen sich beysammen fanden, so hatte er dennoch an sich selbst und an seinen Verrichtungen noch vieles auszusetzen: er bekannt solches dem frommen Einsiedler: Ich habe wohl, sprach er, gute Meynungen und Absichten; allein, ich bin noch weit vom Ziel: ich bin oft mit mir selbst so wenig zufrieden, daß ich schier darüber den Muth verliehre.

Dieses ist wohl, mein liebster Graf, antwortete ihm Pandorest, in gewissen Absichten gut; allein, sie müssen sich dabey wohl in acht nehmen, daß dieses Misfallen ihrer selbst nicht zu weit gehe: es steckt öfters ein subtiler Hochmuth darunter verborgen, welcher nur deswegen mit sich selbst nicht zufrieden ist, weil uns[254] gewisse Gaben und Vollkommenheiten mangeln, damit man gerne sich groß machen, und sich selbst wohlgefallen mögte. Die währe Weisheit entdecket uns die Abhänglichkeit von GOtt, und unser eigen Nichts: sind wir einmahl so weit gekommen, so wird es uns wenig Kummer machen, ob wir wenig oder viel Gaben besitzen: wir sind zufrieden, so lang wir uns einfältig und aufrichtig an GOtt halten; er mag uns zu etwas grosses, oder auch zu nichts in dieser Welt gebrauchen: seine Absichten sind die Regeln unseres Lebens; und wie er uns solche zu erkennen giebt, so müssen wir uns ihnen auch hingeben. Die Einflüsse von oben, welche alles Gute in uns beleben und hervorbringen, mangeln niemahls bey einem rechtschaffenen Eifer, der die Redlichkeit unseres Herzens zum Grunde hat.

Als diese beyde Herren also mit einander redeten, erschallte im grossen Saal die Music. Der Graf nahm daher Anlaß den Einsiedler zu fragen, was er von den gewöhnlichen Lustbarkeiten des Hofes hielte, und ob er wohl meynte, daß ein guter Christ, ohne Verletzung seines Gewissens, daran mit Antheil nehmen könte. Wenn dergleichen Ergötzlichkeiten an und für sich selbst unschuldig sind: antwortete dieser, so seh ich nicht, was man dadurch bey GOtt verdienen solte, wenn man sich ihrer entäussern wolte. Ein jedes Alter und ein jeder Stand aber hat seine gewisse Ergötzlichkeiten, die ihm eigen sind; je älter man wird, je mehr verliehret[255] man davon den Geschmack. Die Sinnen nutzen sich nach und nach ab, und werden stumpf: das zärtliche Gefühl, die Empfindungen der Lust, die Stärke der Einbildungs-Kraft verschwinden; und man kan mit dem alten Barsillai die Stimme der Sänger und Sängerinnen nicht mehr unterscheiden. Unterdessen aber gönnte dieser doch solche Freude noch gerne seinem Sohn, und ließ ihn auch mit dem König David nach Hofe ziehen.

Es sind, fuhr Pandoresto fort, verschiedene Arten der Belustigungen: einige sind ihrer Natur nach unschuldig, und werden, nachdem man sich derselben bedienet, entweder gut, oder böse. Sie sind gut, wann sie die Gesundheit des Leibes befördern, den Geist ermuntern, und das Herz mit edlen und großmüthigen Regungen erfüllen: sie sind böse, wenn sie das Gegentheil wirken, und diejenige heilige Ordnung stöhren, welche GOtt in allen unsern Handlungen will beobachtet wissen. Die beste Sachen in der Welt können durch einen verkehrten und unordentlichen Gebrauch böse werden: die Strafen folgen hier dem Verbrechen auf dem Fusse nach; GOtt strafet dergleichen Laster und Ausschweifungen nicht: sie rächen sich selbst, und strafen die Ubertreter der Göttlichen Unordnungen mit einem ihrem Verbrechen gemässen Leiden: Lasterhafte Leute machen auch die unschuldigsten Ergötzlichkeiten böse: ihnen ist nichts eine Lust, wo die Sünde solche nicht schärfet und abscheulich macht. Die Natur eines vernünftigen[256] Menschen ist ihnen darzu nicht empfindlich genug: sie müssen dabey die Menschheit ausziehen, die Vernunft verliehren und darüber zu einem Vieh werden. Es ist gewiß, daß die unschuldige Belustigungen die sündliche mehr verhindern als verursachen; um aber solche zu kennen, muß man weise und tugendhaft seyn, und die Künste und Wissenschaften lieben.

Wie kommt es aber, fragte der Graf weiter, daß es so viele fromme Leute geben, die schier alle Belustigungen für sündlich halten, und solche deswegen keinem Christen gestatten wollen? Diese Leute, erklärte sich Pandoresto, sind entweder in der That, oder nur zum Schein fromm: Die Erste irren im Begriff, den sie vom Bösen und vom Guten haben: sie wissen nicht, was GOtt, was der Mensch, und was die Welt ist. Der Grund ihres Irrthums hat nichts destoweniger etwas gutes: sie wollen sich an GOtt nicht versündigen: sie fürchten sich deswegen vor der Gelegenheit: wer wolte diese Leute wegen der Zärtlichkeit ihres Gewissens tadeln? das sey ferne. Ich halte das Tanzen und Spielen in gewisser Maaß für eine erlaubte Lust: ich wolte aber keinem, der sich daraus ein Gewissen macht darzu rathen. Viele gehen deswegen nicht in die Schau-Spiele; ohneracht diese Are von Ergötzlichkeit, wenn sie wohl und vernünftig eingerichtet würde, mit unter die nützlichsten und erbaulichsten könte gerechnet werden: Ich sehe daraus, daß die Belustigungen nicht allen Menschen gleich durch erlaubet[257] sind. Zeit, Alter, Stand, Gefahr; und das Gewissen eines jeden Menschen lehren uns, wie weit wir darinnen gehen dürfen.

Was die Schein-Frommen anlangt, die unter der Larve der Heiligkeit die gröste Heuchler abgeben; so pflegen dieselbe insgemein aus gewissen heimlichen Absichten sich der äusserlichen Lust und Ergötzlichkeit zu entschlagen: sie halten sich wegen des Zwangs, den sie sich hier anthun, auf eine Art schadlos, daß sie solchen gegen andere Vortheile reichlich auf Wucher legen. Die heimliche Lust ist ihnen empfindlicher, als die öffentliche Freude: das Ansehen der Weisheit und der Frömmigkeit nähret ihren Hochmuth; und die Sparsamkeit ihren Geitz. Sie sind diejenige, welche der Heyland Mückenseiger und Cameel-Verschlucker nennet, weil sie aus allen Kleinigkeiten grosse Sünden machen, von aussen rein scheinen; inwendig aber voller Unreinigkeit und böser Tücke sind. Dieses sind in der That die gefährlichste Leute in der Welt; die, indem sie, wie die Pharisäer sich durch ihre Scheinheiligkeit über alle die gemeine Schwachheiten erheben, nicht einmahl leiden können, daß sichs andre wohl seyn lassen. Sie machen dem Christenthum, bey Leuten, die Vernunft haben, nur ein böses Ansehen; indem sie die Empfindungen der Natur und der Billigkeit übernhauffen werfen, ohne GOtt und der Religion dadurch die gerinste Ehre zu erweisen.

DGer raf verfügte sich darauf in den Saal, und[258] Pandorest blieb Abends, auf des Königs Befehl, bey der Tafel: er fand solche nicht Königlich, aber gut und mäßig besetzt: eine Suppe, mit ein wenig gestoften Wurzel-Werk, und einigen Braten von zarten Lämmern und Wildpret, wobey an statt des Backwerks, und der Neben-Schüsseln, eingemachte Citronen und Pomeranzen mit Biscuiten sich befanden; dieses war alles. Pandorest nahm deswegen Gelegenheit, allhier eine Lob-Rede der Mäßigkeit zu halten: er unterstützte seine Gründe mit einem lebendigen Beweis an seiner eignen Person. Ich habe bereits, sagte er 87. Jahr in dieser Welt gelebet, und ich empfinde noch nicht die gewöhnliche Schwachheiten eines so hohen Alters. Mein magerer Cörper hat keinen Mangel an Säften: ich nähre darinn keine überflüssige Feuchtigkeiten, und entzünde nicht das Geblüt durch stark-gewürzte Speisen und hitzige Getränke: die einfältige Natur bestellet meine Tafel, und die Furcht vor dem Allmächtigen schützet mein Herz vor unordentlichen Leidenschaften.

O selige Einfalt, fuhr er fort, warum sind wir so weit von dir abgewichen. Wir jagen jetzo uns selbst den Tod in alle Glieder; unsere Köche bereiten uns darzu den süssen Gift, der unsern Geschmack reitzet mehr zu essen, als die Natur verarbeiten kan: was diese noch verschonen, verdirbt die Unwissenheit der Aerzte, und das künstliche Gemengsel der Apotheker. Unsere Zärtlichkeit ist so groß, da[259] sie kaum ein rauhes Lüftgen mehr vertragen kan: es scheinet, als ob das menschliche Geschlecht mit uns aussterben wolte: die geringste Bemühung ermattet unsern schwächlichen Leib, und ein wenig Ungemach wirft uns darnieder: wir haben die wunderlichste Krankheiten, welche den Alten unbekant waren: und wenn wir alles im Uberfluß besitzen, so naget uns die Trägheit, die lange Weil und die Schwermuth. Die Arbeit ist uns eine Pein; die Zeit eine Last, und das Leben unerträglich. Unsere prächtige Palläste sind zu Hospitälern, und die weichste Pflaumen-Federn zu Lägern der Kranken worden. Wir sind zu allen grossen Thaten, durch welche die Helden der vergangenen Zeiten sich vergöttert haben, untauglich. Wir sinken schon zur Erden, wenn man uns nur die gewohnte Gemächlichkeit, die weiche Küssen, und die niedliche Speisen entziehet. Unsere Kräfte sind bereits verschwunden, ehe wir noch in das rechte männliche Alter kommen; und unsere Gemüths-Bewegungen werden desto stärker, je zärtlicher wir den Cörper pflegen. Gegen alle diese Feinde unseres Lebens, unserer Ruh und unserer Glückseligkeit, schützet uns nichts als die Mäßigkeit.

Pandoresto setzte diesen Anmerkungen, welche uns eine traurige Erfahrung lehret, die Geschichte eines berühmten Adriatischen Edelmanns hinzu: von welchem er erzehlte, daß er bis in die vierzig Jahre der elendeste und kränklichste Mensch von der Welt gewesen wär; und der nichts destoweniger, nachdem[260] ihn schon alle Aerzte verlassen hatten, nechst GOtt, durch das einzige Mittel der Mässigkeit sein Leben in beständiger Gesundheit, in allem Vergnügen und bey einem vortreflichen Verstand, über hundert Jahre hingebracht hätte.

Diese Exempel gefielen dem König wohl, allein die Nachfolge machte ihm Qual; es kam ihm überaus schwer an sich unter den Zwang einer solchen Tugend zu setzen, zu deren Ubertrettung ihn alles zu reitzen schien. Dem ungeachtet, so wuste es der Graf von Rivera durch seine lebhafte Vorstellungen und artige Manieren bey dem König dahin zu bringen, daß er sich den Regeln der Mässigkeit unterwarf.

Der König fand sich in kurzer Zeit dadurch so wohl, als er je zuvor gewesen war. Der Graf brachte damahls auch seine beide Freunde, den Herrn von Greenhielm und den Herrn von Riesenburg, welche nebst dem Herrn von Ridelo ihn zu besuchen gekommen waren, vor den König. Dieser empfieng sie auf das leutseligste, und befahl, daß man dem Fremden alle ersinnliche Ehre bey seinem Hof erweisen solte: Den Herrn von Riesenburg aber erklärte er, wegen seiner im letzten Feldzug bezeigten Tapferkeit, zu seinem wirklichen Cammerherrn, und gab ihm dabey die Anwartung auf das nechste Regiment. Er wolte sie damit an die Marschalls-Tafel verweisen, mit dem Zusatz, daß er[261] sie gerne bey der seinigen behalten wolte, sie würden aber jene besser bestellet finden; Der Graf von Rivera sagte hierauf, daß, wo der König diesen Herren sonst die Gnade thun wolte, sie mit sich an seiner Tafel speisen zu lassen; so würde die mittelmäßige Bestellung derselben sie nicht hindern, dieser Ehre zu geniesen: Der Graf aber hatte dismahl ein paar Trachten mehr aufsetzen lassen, dieweil sie unverfänglich waren, dem König nicht übel bekamen; zumahl da er den Nachmittag darauf in Begleitung dieser und anderer Herren sich mit Jagen belustigte.

Diese Kennzeichen der wiederherstellten Gesundheit des Königs machten, daß sich nach etlichen Tagen der Graf bey demselben beurlaubte, und wieder nach Panopolis sich verfügte; um daselbst mit dem Herzog von Sandilien, wegen seiner vorhabenden Reise und dem mit dem König von Licatien zu schliessenden Frieden die nöthige Rathschläge zu pflegen.

Dieser oberste Staats-Minister war dem Grafen von Natur nicht abhold; er war nur deswegen ihm nicht völlig gewogen, weil er verursachte, daß seine Base nicht Königin werden wolte. Die Entfernung des Grafens schmeichelte demnach seinen Absichten besser, als wenn er beständig bey Hofe und bey dem König bleiben würde. Er lobte deswegen seinen Eifer für den Dienst des Königs und hies alle dessen Rathschläge gut: Er gab ihm dabey alle Kennzeichen[262] einer wahren Freundschaft und Hochachtung. Der Graf wuste schon, wie weit er diesen Versicherungen des Herzogs zu trauen hatte. Doch erinnerte er sich, daß ihm der Herzog das Leben bey dem König gerettet hatte; er ließ ihm deswegen ein so aufrichtiges und von der lebhatesten Erkänntlichkeit durchdrungenes Gemüthe sehen, daß der Herzog, wenn er auch gewolt hätte, ihn nicht hassen konte.

Als der König hierauf, sich wiederum, mit völlig hergestellter Gesundheit, zu Panopolis eingefunden hatte, trat der Graf seine Reise nach Licatien mit Vergnügen an. Er empfahl dem König den Freyherrn von Riesenburg, als einen Cavalier, auf dessen Eifer und Treu er sich verlassen könte. Den Herrn von Greenhielm aber, welchen der König seiner Gefangenschaft entlassen und noch darzu mit einem kostbaren Degen beschenket hatte, nahm er mit sich zu sei nem Reise-Gefährden.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742., S. 226-263.
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