Von der Policey.

[545] Die Policey ist das einzige Mittel im bürgerlichen Leben Ruh, Ordnung und gute[545] Sitten zu unterhalten. Es ist nicht genug, daß man einen Staat gegen auswärtige Feinde schützet, und darinn die Nahrung zu befördern sucht. Ein Volck, das bey seinem Uberfluß keine Policey hat, ist wie ein wohlgefüttertes Pferd, welches nicht zu beritten ist; es lässet sich schwer regieren, und gehet öffters mit seinem Reuter durch, wenn es ihn nicht gar herunter wirfft.

Bey den alten Teutschen galten, nach dem Zeugnüs eines Römischen Geschicht-Schreibers, die gute Sitten mehr, als die Gesetze. Betrübtes Andencken! Nun gelten schier weder die eine, noch die andere mehr. Wir leben bey allem Druck der Gewaltigen, in einer Sorglosen Freyheit. Ein jeder thut was er will: wir wagen alles, wir setzen alles aufs Spiel. Geräths, so geräths: wer verdirbt, der verdirbt. Man schilt auf böse Zeiten: man wirfft die Schuld auf die Regenten; wo nicht gar auf die göttliche Vorsehung. Dieses ist die allgemeine Philosophie; so urtheilt der Pöbel, so denckt der Burger, so vermißt sich der Adel. Was Wunder, daß die alte Redlichkeit verloschen ist, daß die Boßheit herrschet, daß die Unordnungen überhand nehmen, und die Laster schier zu Tugenden geworden sind.

Billig solte man die Policey in den Tempeln suchen: Billig solte die Religion selbst uns zu ihrer Beobachtung anhalten: billig solten[546] die Begriffe von GOtt, der alles durch Weißheit und Ordnung regieret, auch die Menschen bewegen, all ihr Thun gleichfalls nach dieser Regel einzurichten. Weil aber die Religion ihre Krafft, und die Tugend ihr Ansehen bey den Menschen verlohren hat; so ist nöthig, sie wenigstens durch eine gute Policey von den gröbsten Ausschweiffungen und Lastern abzuleiten, und, wann es möglich wär, sie auch zum guten zu zwingen.

Ihre Haupt-Absicht gehet demnach dahin, Ruh und Ordnung, Zucht und Sicherheit, Nahrung und Billigkeit im gemeinen Wesen zu erhalten. Sie dultet nicht, daß einer sein Gut verprasse, noch daß er dessen Verlust auf den Umschlag der Carten und Würffel setze: sie dultet nicht, daß sich die Leute ohne alle Vernunfft heyrathen, und nachgehends ihre Ehen mit Zanck und Hader führen: sie dultet nicht, daß man die Kinder übel erziehe, und im Luder und Mässiggang aufwachsen lasse: sie dultet nicht, daß einer den Adel und grosse Titul kauffe, den keine Verdienste darzu würdig machen. Sie setzet dem Hochmuth Schrancken, und machet keinen Hochgebornen, der in der Werckstatt, oder in der Cram-Bude jung worden ist. Die Policey lässet das Gesinde nicht Herr seyn, noch dem Pöbel die Freyheit, Gesetz und Gebräuche zu machen: sie gestattet nicht, daß sich Leute in Sammet, in Seyden, in Gold und Silber kleiden, die das Geld dazu borgen; oder die von solchem Stande sind,[547] daß sie auch Wolle und Leinwand zierten. Sie vergönnet der wilden Jugend nicht, ihre unordentliche Begierden in verbottenen Winckeln abzukühlen: sie überliefert den Balger dem Blut-Gericht, als einen Todschläger, und den Banckeruttirer dem Kercker, als einen Dieb: sie spannet die liederliche Müssiggänger in Karn, und schliesset das leichtfertige böse Gesindel in die Zucht-Häusser: sie hält die Strassen von Land-Streichern und Bettlern rein, und versorget die Armen und Nothleydende in den Hospitälern: sie erfüllet die Magazinen mit Vorrath, und kauffet nicht erst die Früchte auf, wenn sie schon theuer sind: sie giebt den nöthigsten Lebens-Mitteln ihren gemessenen Preiß, und lässet nicht den Fremden von den Gastwirten das Messer an die Gurgel setzen. Die Krancke werden nicht durch unerfahrne Aertzte nach der Methode, und durch die Quacksalber, ohne Methode ums Leben gebracht: die Handwercks-Leute erfrechen sich nicht, wenn sie einem etwas verdorben, für diese Bemühung noch die Zahlung zu fordern, und dem Kaufmann gehet es so leichte nicht hin, wenn er einem verdorbene Waaren vor gute verkaufft.

Die Policey hemmt das Gezäncke in den Kirchen, und die Mißbrauche in den Schulen: sie erlaubet nicht einem jeden Gelehrten, alles was ihm einfällt, drucken zu lassen: sie beschräncket diese allzugrosse Freyheit durch vernünfftige[548] Regeln, und lässet nichts in die Buchläden kommen, als was nützlich, was gut, was angenehm und was erbaulich ist.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742., S. 545-549.
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