Die erste Abhandlung.

[113] Der Schauplatz stellet eine Oda / oder ein Gemach des Frauenzimmers im Seraglio für.

Sisigambis. Ibrahim.


SISIGAMBIS.

Hilf Himmel! wer erbricht Uns unser Schlaffgemach?

IBRAHIM.

Die Sonnenwende folgt stets ihrer Sonnen nach.

SISIGAMBIS.

Wie? sucht der Käyser hier die Keuschheit zu entweihen?

IBRAHIM.

Nein! Weyrauch aufs Altar dir / Göttin / aufzustreuen.

SISIGAMBIS.

Ach Gott! was dreut uns sein hier ungewöhnlich Schwerd7?

IBRAHIM.

Es lächst nach meinem Blut / wenn sies / mein Liecht / begehrt.

SISIGAMBIS.

Was sucht der Fürst für Liecht in schwartzen Trauer-Zimmern?

IBRAHIM.

Man sieht der Sterne Gold bey Nacht am schönsten schimmern.

SISIGAMBIS.

Mit Amurathen fiel mein Stern schon in die See.

IBRAHIM.

Versinckt ein Stern / so steigt ein ander in die Höh.

SISIGAMBIS.

Mein Geist fleucht neues Liecht / und buhlt mit seinem Schatten.

IBRAHIM.

Solch Liebreitz kommt nicht Ihr / auch Todten nicht zu statten.

SISIGAMBIS.

In seiner Asch und Gruft schöpft meine Seele Lust.

IBRAHIM.

Schütt auß dein Liebes-Oel in eine glimme Brust.[113]

SISIGAMBIS.

Die Liebe glimmet noch in Amurathens Aschen.

IHRAHIM.

Der Tod hat / was ja glam / wie Lauge weggewaschen.

SISIGAMBIS.

Sein Tod vertilgt in mir / was Brand und Eitel heisst.

IBRAHIM.

Wohl! so bestrahle sie aufs neu / ein reger Geist.

SISIGAMBIS.

So Sonn als Brunst verraucht / wo Hertz und Luft ist trübe.

IBRAHIM.

Hier brennet Ibrahim mit unverfälschter Liebe.

SISIGAMBIS.

Hat Sonn und Fürst an Dunst und Mir was liebens-werth?

IBRAHIM.

Durch deinen Liebreitz wird mein lodernd Hertz verzehrt.

SISIGAMBIS.

Mag / die das kalte Leid entseelet / Feuer zeugen?

IBRAHIM.

Man sieht auß Heclens Eiß- und Schnee-kluft Flammen steigen.

SISIGAMBIS.

In meiner Seele glimmt kein Funcken frembder Brunst.

IBRAHIM.

So Blitz als Liebe wird gezeugt auß Kält und Dunst.

SISIGAMBIS.

Was sol für Anmuth blühn auf diesen welcken Wangen /

Auff dieser schlaffen Brust? Ein Garn / das Löwen fangen

Und Riesen fässeln sol / ja Käyser schlingen ein /

Muß nicht auß schlechtem Zeug und irdschem Drate seyn.

Der Agstein zeucht nur Spreu / Magnete ziehn nur Eisen /

Nicht schwer und schätzbar Gold. Die Flamm und Glut beweisen

An Zedern ihre Krafft; sind gegen Golde kalt.

Und Sisigambis sol mit welckender Gestalt

Den grossen Sultan ziehn? des Käysers Hertze zünden

Durch lauen Liebreitz an? Wir selber / wir empfinden:

Daß unser Anmuths-Trieb zu schlechter Weyrauch sey

Auff Ibrahims Altar.

IBRAHIM.

Die Demuth wohnet bey

Meist der Vollkommenheit; und die pflegt eigne Sachen /

Die gleich unschätzbar sind / im Urtheil klein zu machen.

Sie Sisigambis spricht die Schönheit schlecht in Ihr /

Mein Geist macht aber sie zu einem Abgott mir.

Die Marmel / die von nichts alß Kält und Härte wißen /

Zerschmeltzen / wenn auff sie die Augen-Strahlen schüßen;

Die Bäch und Kräuter sind ehrsüchtig deinen Fuß

Mit Küssen zu verehrn. Ich / Sisigambis/ muß

Dein Englisch Antlitz nicht nur einen Garten rühmen /

Da Lilgen Stirn und Halß / die Wangen Rosen blümen /[114]

Den Mund Granaten ziern; von dem Verhängnüs ist

Die Sisigambis uns zum Paradis erkiest.

Weil wir ja / ausser Ihr / nicht Heil/ nicht Ruhe finden.

SISIGAMBIS.

Mag in Ihm Alima nicht süssern Brand anzünden?

Ja diese gantze Burg ist ein recht Himmelreich /

Das tausend Sonnen hegt.

IBRAHIM.

Ach! keine kein' ist gleich

Und reicht den Schatten dir! Die güldnen Himmel werden

Von einer Sonn erhellt. Der grosse Kräyß der Erden

Hegt einen Fenix nur: Und in Stambuldens Stadt

Ist eine Gottheit nur / die uns zum Priester hat.

O Sonne meiner Seel / und Abgott meines Hertzen.

SISIGAMBIS.

Man siht ein Irrlicht an offt für gestirnte Kertzen.

IBRAHIM.

Wer nicht die Schönheit kennt und prüfet / ist stockblind;

Wer sie nicht preißt und liebt / ein Stock / ein alber Kind.

Sie / Sisigambis / ist ein Zirckel aller Zierden /

Ein Engel dieser Welt / ein Labsal der Begierden /

Ein Kleinod unsrer Zeit / der Mensch und Himmel spricht

Den güldnen Apffel zu.

SISIGAMBIS.

Der Käyser kiese nicht

Für Demant schlechtes Glaß. In wenig Zeit erbleichet

Des falschen Purpers Glantz / den uns Begierde streichet

Für blöden Augen an. Nach einst-gebüßter Lust /

Wird er schon Eckel fühln für Sisigambens Brust;

Ja die Vernunfft in Ihm für Blind- und Thorheit schelten /

Was Ubereilung itzt läßt für Vergnügung gelten.

IBRAHIM.

Wahr ists: daß / was bald wächst / auch plötzlich sich verliert.

Das Thier beym Hyppanis / das eine Nacht gebiert /

Stirbt mit dem Abende. Ach! aber / ach du fehlest/

Wenn du des Sultans Brand zur Ubereilung zehlest.

Du kennst des Käysers Arth: wie vieler Frauen Trieb /8

Wie mancher Jahre Reitz bey uns ohnmächtig blieb /

Nur einen süssen Brand in unser Hertz zu stecken.

Das Feuer war uns kalt / die Schönheit schien uns Flecken /

Der Liebreitz eckelnd Gifft. So schleuß nun: was für Blitz

Auß deiner Anmuth fährt. Von eines Funckens Hitz

Entzündet Weyrauch sich. Viel Flammen aber müssen

Dar würcken / wo der Stahl sol glühn / das Gold-Ertzt flißen.[115]

Als aber Amurath Fürst / ich ein Kind noch war /

Lag meines Bruders Mund auff deinen Brüsten zwar /

Du aber bautest dir schon Tempel in mein Hertze.

Von selbter Zeit brenn ich / und meinem Hellen-Schmertze

Hat ieder Tag geflößt frisch Oel und Schwefel ein.

Sol / was nun langsam wird / starck / fest/ und tauernd seyn /

Solln darumb so viel Zeit die Elefanten leben /

Weil sie zehn gantzer Jahr in Mutterleibe schweben /

So saget meine Seel ihr felsen-feste Treu

Und lange Liebe zu.

SISIGAMBIS.

Sie sey gleich alt / gleich neu;

Es sey gleich Ernst / gleich Schertz: daß mich der Sultan liebet /

Daß mein gewölcktes Aug Ihm reine Blicke giebet /

So ist in mir doch nichts / was wieder lieben kan /

Kein Zunder / welcher Brand und Anmuth mehr nimmt an;

Der zärtsten Jahre Tacht / das dieses Feuer fänget /

Ist von der Zeit verzehrt / und durch mein Leid versenget.

IBRAHIM.

Der Sonne Strahlen gehn der Morgenröthe für.

Ist diese von dir weg / so leuchtet jene mir.

Allein in Ihr siht man zugleiche Blum' und Früchte /

Und Lentz und Sommer spieln. Dein Schön-seyn prangt mit Lichte /

Dein Freundlich-seyn gebiert anmuthgen Morgen-Thau.

Ach! aber / schätze nicht mein Lieben so sehr lau:

Daß Ibrahim allein die flüchtge Merzen-Blume

Der eiteln Schönheit liebt. Diß würde seinem Ruhme

Viel Flecken brennen an. Wer Farb und Haut nur liebt /

Liebt mit den Augen nur. Was meiner Seele giebt

Vergnügung / stecket auch in Sisigambis Seele.

Heißt Schönheit des Gemüths; sind Gaben / die die Höle

Des Grabes nicht versehrt / sind Blumwerck / das stets blüht /

Und Sonnen / welche man nie untergehen siht.

SISIGAMBIS.

Was mein Gemüthe regt / ist Tugend / die verwehret

Die Thorheit zu begehn / die Ibrahim begehret.

So lesche denn der Fürst die Flamm in erster Glut.

IBRAHIM.

Die ist nicht leschbar mehr. Man zündet mit der Flut

Den Kalck / das Lieben an durch kalt-gesinnt Entschlüßen.

SISIGAMBIS.

Der Fürst wird doch umbsonst sein Liebes-Oel vergießen[116]

Auff meines Hertzens Kalck. Denn Ihm sey einmahl kund:

Alß Amurath mein Licht schloß sterbend seinen Mund /

Hab ich durch theuren Eyd9 die Keuschheit seinem Geiste

Biß in den Tod gelobt.

IBRAHIM.

Daß man Gelübde leiste /

Wenn sie nur leistbar sind / heischt Tugend / schaffet Ruhm.

Das Lieben aber hat diß Recht und Eygenthum:

Daß kein Gelübde nicht auch kein Gesetz es bindet.

Denn hier schafft die Natur / und die Vernunfft verblindet

Durch der Begierden Rauch. Sonst sol ein jeder zieln

Auff Glauben / aber hier mag man mit Eyden spieln.

SISIGAMBIS.

Welch Aberglaube bannt vom Lieben Ehr und Eyde

Und des Gewissens Trieb? Wo nicht auß Unschulds-Seyde

Das Garn der Liebe wird gesponnen / fressen sich

Die Unglücks-Motten ein. Drumb stelle man auff mich

Nicht dieses Fall-Bret auf. Es ist der Thorheit Lehre:

Verwechseln Gold für Ertzt / und für Verlust der Ehre

Die Wollust tauschen ein.

IBRAHIM.

So schätzt sie für Verlust /

Wenn sich der Fürst ihr schenckt / und Sisigambis Brust

Zu seinem Himmel macht? So urtheilstu für Schande /

Wenn Ibrahim dich ehrt? den man von Ardens Sande

Biß wo die Wolge strömt / und Oby sich ergeust /

Dem von Giebraltars Haupt / biß wo der Oxus fleust /

Die Völcker so wie Gott fußfällig Ehr erzeigen.

Für dem sich Ispahan / Wien / Agra / Kitay neigen /

Amara / Pecking bückt.

SISIGAMBIS.

Die Götter dieser Welt

Beginnen offt / was Gott im Himmel nicht gefällt /

Was Ehr und Tugend stört.

IBRAHIM.

Was ist an mir zu schelten /

Was iedem Muselman nicht Mahumed läßt gelten?

SISIGAMBIS.

Verstattet Mahumed: daß man Gelübde bricht?

IBRAHIM.

Der Käyser der befiehlts / verstattets Mufti nicht.

SISIGAMBIS.

Kein Fürst / kein Ibrahim herrscht über die Gewissen.

IBRAHIM.

Sein Blitz zermalmt / die nicht gehorchen seinen Schlüssen.

SISIGAMBIS.

Der Himmel straft die Seeln / die Meyneyd hat befleckt.

IBRAHIM.

Wird die / die unser lacht / von fernem Blitz erschreckt?

SISIGAMBIS.

Des Höchsten Rachschwerd ist der Bosheit unentfernet.

IBRAHIM.

Wie: Daß dein Hochmuth nicht auch unsers fürchten lernet?[117]

SISIGAMBIS.

Wo mich der Käyser liebt / was ist für Furchte Noth?

IBRAHIM.

Verschmähte Liebe führt im Köcher Haß und Tod.

SISIGAMBIS.

Behertzte Tugend läßt sich Haß und Tod nicht schrecken.

IBRAHIM.

Trotz kan auß Sonnen auch Gewölck und Blitz erwecken.

SISIGAMBIS.

Die Sonne der Vernunft verklärt Begierd und Brunst.

IBRAHIM.

Wir bitten noch einmahl Ihr wiedmend unsre Gunst.

SISIGAMBIS.

Wir werden tausendmal ihm Lieb und Bitt abschlagen.

IBRAHIM.

Laß schaun: was ein frech Weib Uns Macht hat zu versagen.

SISIGAMBIS.

Hilf Himmel! wil der Fürst durch Noth-Zwang uns entweyhn?

IBRAHIM.

Gib dich!

SISIGAMBIS.

Der Käyser ruh / ich werd auf Hülfe schrein.

IBRAHIM.

Gib dich! sonst sol dein Blut hier diesen Dolch bespritzen.

SISIGAMBIS.

So sol diß Messer mich10 für Dolch und Unzucht schützen.

IBRAHIM.

Zückstu / Verteufelte / das Messer wider mich?

SISIGAMBIS.

Auf einen fernern Tritt erwarte Rach und Stich.

IBRAHIM.

Hat Weib und Wahn diß ie gewagt auf Oßmans Erben?

SISIGAMBIS.

Du oder ich sol eh durchbohrt / als fleckicht sterben.


Kiosem. Die Käyserliche Mutter. Ibrahim. Sisigambis. Sechierpera. Achmet. Kuslir Aga ein verschnittener Mohr / der das Frauenzimmer in Obacht hat.


KIOSEM.

Was hat der Fürst hier für?

SISIGAMBIS.

Er spinnet Nothzucht an.

KIOSEM.

Ha! daß ein Sultan sich so sehr verstellen kan!

IBRAHIM.

Steht Weibern frey die Macht des Käysers zu verhöhnen?

SISIGAMBIS.

Wir suchten seine Brunst mit Demuth abzulehnen.

IBRAHIM.

Die Demuth reucht nach Trotz / die Fürsten was schlägt ab.

KIOSEM.

Durch solche Schandthat baut er seiner Ehr ein Grab.

IBRAHIM.

Sol reine Liebe sich hier Schandmal schelten lassen?

SISIGAMBIS.

Die lieben andre nicht / die ihren Ruhm selbst hassen.

IBRAHIM.

Befleckt der Fürsten Ruhm / was ieden Sclav ergetzt?

KIOSEM.

Die Wollust ist vergönnt / wenn man ein Ziel ihr setzt;

Wo aber Tugend sie und Maaß nicht hält im Zaume /

Flösst sie in Seel und Leib Gift / wenn sie Brunst und Gaume

Gleich reinsten Zucker schätzt. Dein siecher Leib wird bald /

Ja hat dich schon gelehrt11: daß Jugend selbst wird kalt /

Die hier zu hitzig spielt; und daß / der Seuchen hecket /[118]

Das Leben ihm verkürtzt; der hier den Bogen strecket

Zu vielmal / und zu hoch. Auch Stahl wird weich gemacht.

Du mergelst dich des Tags / nicht nur iedwede Nacht

Mit so viel Weibern ab; schwimmst in den Uppigkeiten /

Wenn du / gleich einer See / lässt Zimmer dir bereiten

Mit Zobeln überdielt /12 mit Dirnen angefüllt /

Die alle Welt dir zinßt. Wie manch unzüchtig Bild

Verstellt dein Schlafgemach nach schlimmer Heyden-Weise.13

Dein Ambra / dein Zibeth / der täglich deine Speise14

Mit Uberflusse würtzt / ist zwar ein Saltz der Brunst /

Nicht aber Lebens-Oel / auß welchen du umbsonst

Verschwelgte Kräfte suchst.

IBRAHIM.

Was hat sie zu verliehren /

Wenn wir uns selbst verspieln?

KIOSEM.

Der Mutter wil gebühren

Zu sorgen für das Heil der Kinder biß in Tod.

IBRAHIM.

Nicht sich zu massen an ein Herrisches Gebot.

KIOSEM.

Von Schmach und Lastern sie vernünftig abzuleiten.

IBRAHIM.

Wer darf die Fehler zehln / wenn hohe Häupter gleiten?

KIOSEM.

Der gantze Welt-Kreiß sieht auf eines Fürsten Fall.

Man forscht mit scharffem Aug und durch gehöhlt Chrystall

Der Sterne Flecken auß; Man schreibt ins Buch der Zeiten

Der Sonnen Finsterniß auch / die der andern Seiten

Der Welt nur sichtbar sind. Und deine Thorheit hält

Unsichtbar / Schand und Fleck der Sonnen dieser Welt?

Schmiert als wohlständig an dem Purpur und der Seide /

Was Woll und Haar verstellt; schminckt Wangen mit der Kreide /

Die Füsse greulich mahlt? So Würd als Helffenbein

Muß reiner / als schlecht Thon und grober Pöfel seyn;

Weil Fürsten / die das Gift der Laster an sich nehmen /

Von ihrem Himmel es auf hundert Völcker sämen.

Ihr bös' Exempel sind die Funcken / die den Brand

Auf tausend Häuser streun.

IBRAHIM.

Was misst man mit Bestand

Uns für Verbrechen bey / das deinen Fluch verdienet?

SISIGAMBIS.

Er hat sich mit Gewalt mich zu entweyhn erkühnet.

SECHIERPERA.

Ist solcher Liebes-trieb bey Fürsten unerhört?

Und zu Stambulden neu? Hartneckigkeit versehrt

Die hohe Majestät / die stets mit Fug erhebet

Durch Zwang / was Glimpf verspielt. Ja in den Zimmern klebet[119]

Durch andre Sultane vorhin verspritztes Blut

Der Weiber / die verschmäht auß thörchten Ubermuth

Verliebter Herren Gunst. Das Schwerd / das uns erstritten.

Hat Constantinus Reich / hat ebenfals durchschnitten

Ein so verstocktes Weib.15

KIOSEM.

Wer hat dir Magd erlaubt

So keck zu brechen loß? flöstu der Erden Haupt

So falsche Lehren ein? Ja solche Kuplerinnen /

Wie hier der Wechselbalg sich zeiget / sind die Spinnen /

Die auf der Keuschheit Blüth ihr Sünden-Gist schmiern an /

Die Zirze / die in Vieh die Menschen wandeln kan /

Sind Furien/ die sich mit Liebes-Larven schmücken /

Die Tugend in Verderb / in Schande Fürsten rücken.

Sind Motten / die mit List und Häucheln unterm Schein

Der Seidenwürmer sich in Purpur nisten ein /

Des Reiches Ancker-Seil / des Glückes Band zerbeissen.

Dergleichen Thier bist du. Du wilst ja Zucker heissen /16

Doch birgt dein süsser Mund im Hertzen Gall und Gift.

Die Jugend ist weich Wachs / in die sich leicht die Schrift

Der Wollust pregen lässt. Dir Hur ists zuzuschreiben:

Daß man den Sultan sieht so freche Laster treiben;

Daß ietzt sein eisicht Hertz und die vor kalte Brust

Ein feuricht Etna scheint / die minder Brand und Lust /17

Als das gefrorne Meer / ließ anfangs von sich schiessen.

Die Frauen auf der Burg / die uns vor glauben hiessen:

Daß Ibrahm von Natur kalt und ohnmächtig sey;

Sehn ietzt sich allzu schwach für seiner Raserey

Der niemals-satten Brunst.

SECHIERPERA.

Kriegt für getreue Dienste

Befleißte Redligkeit Verfschmähung zu Gewienste?

So laß ich andern Müh und Sorge willig hin.

KIOSEM.

Was? rühmstu Treu und Dienst / verfluchte Kuplerin?

SECHIERPERA.

Es schaffet dem mehr Ruhm / den Völckern mehr Vergnügen /

Dem Reiche mehr Bestand / der nicht das Pfund verliegen

Des Landes-Fürsten lässt / und ihren kalten Geist

Zu reger Liebe reitzt; als / der sich ihn befleisst

Wie einen Papegoy ins Keficht einzuschlissen.

Sie selbst weiß: daß der Fürst den Tartar Chivas müssen[120]

In Rhodis reiben auf;18 weil Ibrahms kalter Sinn /

Der unvererbte Stuhl ihn auf den Wahn trieb hin:

Für Oßmans Enckel sich und Erben schon zu rühmen.

Wem wird nun / außer mir / zu dancken sichs geziehmen?

Daß sein vor stumpfer Kiel ietzt scharffe Pfeile spitzt /

Daß von fünf Söhnen ist des Oßmans Thron gestützt.19

Wormit hab aber ich die Sultanin verletzet?

Weil ihr zu Liebe nicht von mir ward außgeschwetzet:

Daß nach der Sultanin erdichtetem Bericht

Des Käysers Augentrost die Perl auß Curdi nicht

Sey durch den Schlag erblasst? denn Er / mein Fürst / mag wissen:

Die Riesin habe ja wohl freylich sterben müssen /20

Weil sie die Sultanin zur Tafel laden ließ /

Und sie durch Eyversucht gereitzt / erwürgen hieß.

IBRAHIM.

Verfluchter Meuchel-Mord! unartigs Mutterhertze!

Das sich belustiget an seines Kindes Schmertze /

Ja sein Vergnügen stört; Schafft Strick und Hencker her!

Sie leide / was sie that / weil sie von Liebe leer

Und voll von Rachgier ist! Inzwischen solstu sehen

Vor deinen Abgott falln / dein zartes Schoskind schmehen;

Die Rosen mit Gewalt schaun dieser brechen ab /

Die uns für Anmuth Trotz / für Blumen Disteln gab.

KIOSEM.

Fleuch / Sisigambis/ fleuch! halt Fürst! wil er ja wütten /

So mag er seinen Grimm auf diese Brust außschütten /

Die Ihn gesäuget hat.

IBRAHIM.

Laß mich!

KIOSEM.

Hier ist das Ziel /

Das deine Rach außtagt. Denn deine Mutter wil

Im angedreuten Strick eh ihren Geist außblasen /

Und den gezückten Dolch fühln in den Därmern rasen /

Als diese Schand-That sehn.

IBRAHIM.

Stracks / Achmet / schaff sie weg;

Eh ihr verspritztes Blut des Sohnes Hand befleck /

Und laß ins alte Schloß die Wüttende verstecken.21

ACHMET.

Ich eile den Befehl des Käysers zu vollstrecken.


Ibrahim. Sechierpera.


IBRAHIM.

Jedoch was schlüßen wir die / die den Halß verwürgt /

Die unterm Mutter-Hertz ein Kwäll voll Gifft verbirgt /[121]

Erst ins Gefängnis ein? Man sündigt mit Erbarmen.

Es koste Kopff und Blut! ha; solln uns Weiber-Armen

Die Beute ringen auß? Und Täuber jagen nicht

Dem Adler Tauben ab: Und dieses Reh entbricht

Sich auß des Jägers Garn und auß des Tygers Klauen /

Der Stein und Ertz zermalmt? Auff! laß uns einst noch schauen /

Was Sisigambis gilt / und was der Käyser kan!

SECHIERPERA.

Mein Fürst / mein Herr / mein Haupt / es sicht mich selber an

Der Sisigambis Trotz / und Kiosems Erkühnen.

Ich selber muß gestehn: daß sie den Tod verdienen /

Jedoch braucht man mit Nutz bey Straffung klarer Schuld /

Den Kapzaum der Vernunfft / den Zügel der Geduld.

Wer sich die strenge Flut läßt der Begierden jagen /

Wird auff die stürme See des Untergangs verschlagen /

Auff der kein Ancker hält. Der Mutter Untergang /

Der Sisigambis Schimpff und fürgesetzter Zwang

Kan wenig Lust und Trost dem großen Herren geben;

Viel Unruh aber sich durch solches Werck erheben /

Weil Volck und Janitschar auf beyder Wincken sieht.

Der Käyser schaue nur: die Rosen sind verblüht /

Die Blätter längst versängt an Sisigambis Zierde /

Durch Amurathens Brunst. Vernünftige Begierde

Sucht Blumen / derer Glantz die Knospe noch versteckt /

Und Lippen / darauf man nicht frembden Speigel schmeckt.

Ich weiß fürs Käysers Seel und seine süsse Flammen

Was liebens-würdigers; ein Kind / in dem beysammen

Die gütige Natur hat Jugend und Verstand

Schön-reitzend-freundlich-seyn verknüpfet in ein Band;

Ein Kind / das zärter ist / als die auß Ledens Schalen

Einst solln gekrochen seyn; das mit den Anmuths-Strahlen

Der Sterne Glantz beschämt / die Sonne machet blind /

Den Rosen ihr Rubin durch Anmuth abgewinnt /

Den Lilgen ihre Perln. Der Morgenröthe Prangen

Und Scharlach wird entfärbt von ihren Purpur-Wangen /

Für ihrem Mund erbleicht Granat und Schnecken-Blut;[122]

Kein Bisam-Apfel reucht bey ihrem Athem gut.

Die Flammen kwälln auß Schnee / auß Marmel blühn Corallen /

Zienober krönet Milch auf ihren Liebes-Ballen.

Kurtz: diese Göttin ist der Schönheit Himmelreich /

Der Anmuth Paradiß; ein Engel / der zugleich

Verlangen im Gemüth / Entsetzung in den Augen /

Im Hertzen Lust gebiehrt. Auß ihren Lippen saugen

Die Seelen Honigseim und Zucker süsser Hold.

IBRAHIM.

Diß alles / was du rühmst/ ist Kupfer gegen Gold /

Und Schatten gegen Liecht / wenn ich der Riesin Zierde /

Die Perl Armeniens mit brennender Begierde

Für mein Gedächtniß zieh. Ich schwere dir / mein Kind:

Daß meine Flammen nicht mit ihr verloschen sind:

Das Abuchalid nicht so sehr geliebt Hababen22 /

Die er schon halb verwest ließ auß der Erde graben /

Und tausend Küß ihr gab / als meine Seele noch

Nach meiner Riesin lächst.

SECHIERPERA.

Der Fürst schätzt billich hoch /

Was die Erfahrung preißt / für dem / was andre loben /

Das Auge liegt dem Ohr im Lieben allzeit oben.

Mein Leben aber sey verspielt / wo Ambre nicht

Des Mufti himmlisch Kind jen' und auch all' absticht.

Der Zunder heisser Brunst ist selbst in mir entglommen /23

Seit dem ich zweymal sie im Bade wahrgenommen.

Ihr Mund bepurperte die Chrystallinnen-fluth /

Die Brüste schneiten Perln / die Augen blitzten Gluth;

Wenn sie ihr Haupt erhob auß ihrer Marmel-Wanne /

Schien sie das Ebenbild der Sonn im Wasser-Manne /

Die Kwellen kriegten mehr von ihren Strahlen Brand /

Vom Leibe Silber-Welln / vom Haare güldnen Sand.

Hier wil ich im Gemäld Ihm nur den Schatten zeigen.

IBRAHIM.

Ist Ambre diß?

SECHIERPERA.

Ihr Bild.

IBRAHIM.

Ist sie getroffen?

SECHIERPERA.

Eigen.

Wiewohl der Himmel geht gemahlten Sternen für.

IBRAHIM.

Hilf Himmel! kwillt das Oel der Lieb auch auß Papier?

Steckt auch in Farben Glut? kan auch der Schönheit Schatten

Begierde zünden an? die Bilder / die wir hatten

Uns in das Hertz geprägt / auf einmal leschen auß?[123]

Was neues drücken ein? Ach / unsre Seel ist Graus /

Das Hertze liegt in Asch / und wir stehn in der Flammen /

Wie brenn' und lodern wir! Raff allen Witz zusammen /

Gebrauche Treu und Fleiß / mein Engel / und mein Kind;

Daß diese Sonne ja den Käyser lieb-gewinnt.

Ach! aber / was für Sieg lässt Ibrahim ihm träumen

Von dieser Göttin Hold? Fürlängst Entweyhte räumen

Nichts unserm Lieben ein. Und Sisigambis lacht

Des Käysers / die so weit / so fern als Tag und Nacht /

So weit als Sonn und Mond / von Ambren ist entfernet.

SECHIERPERA.

Hat diese Närrin gleich Natur und Witz verlernet /

Wenn sie des Sultans Gunst mit Füssen von sich stösst:

So lächsen tausend Seeln24 nach Balsam / welchen flösst

Die Hold des Käysers ein. Die Keusch- und kältsten brennen /

Wo Fürsten-Blicke falln. Man gebe zu erkennen

Des Käysers reine Glut dem Vater; dessen Eyd

Nichts minder ihn verknüpft / auf die Ergetzligkeit

Des Sultans /25 als aufs Heil des Reiches vorzusinnen.

IBRAHIM.

Wohl! wir gehn / umb alsbald sein Hertze zu gewinnen.


Der Schauplatz verändert sich in den Saal Hosada /wo die grossen Bedienten sich versamlen / und der Stul des Sultans steht.

Mufti. Mehemet Bassa. Bectas. Janitscharen Aga. Kiuperli Bassa. Kul Kiahia der Vnter-Aga der Janitscharen.


MUFTI.

So tritt Venedig noch uns Candien nicht ab?

MEHEMET.

Die Antwort / welche mir ietzt erst Soranzo gab /

Ist Hochmuth / Dreuen / Trotz.

BECTAS.

Sol eine Stadt uns pochen?

Ist Oßmanns Witz verfalln / und Oßmanns Arm zerbrochen?

Kan unser Fürst / der ja das Haupt der Welt wil seyn /

Mit allen Kräften nicht zwey Städte nehmen ein?

Canea / Retimo sind ja in unsern Händen.

MEHEMET.

Sey sicher: daß wir nichts an Candien mehr enden;

Auch würde dort noch ietzt kein Türckisch Segel wehn /[124]

Wenn sich Venedig hätt ie Friedenbruchs versehn.26

Mit Ungewafneten läßt sichs leicht Streiche wagen.

Jetzt / nun wir auß der See schon zweymal sind geschlagen /

Durch ihren Morosin / nimmt unser Sultan wahr:

Es dörffe mehr Verstand / auch schaff es mehr Gefahr

Mit einer solchen Stadt / als geilen Weibern kriegen.

Jetzt / nun der Krieg sich schleppt / lässt ihn der Sultan liegen /

Hengt seiner Wollust nach. Dem Divan liegt die Last

Des Krieges einig ob.27

BECTAS.

Wo nicht ein Fürst selbst fasst

Das Ruder seines Reichs / kan keine Fahrt gerathen.

Gott krönet Knechte nicht so / wie der Fürsten Thaten.

Alß Oßman in den Grund diß Reich geleget hat /

Alß Orcan Prusien erobert / Amurath

Die Stadt des Adrian / und in Europens Hertze

Den ersten Spieß gesteckt; ja unsers Glaubens Kertze

Im Nord gezündet an; alß König Bajazeth

Die Siegs-Stadt Serviens durch neuen Sieg erhöht /

Den Käyser Sigismund hat schier in Staub getretten;

Alß Mahumeth den Strom der Donau schloß in Ketten /

Biß in Wallachen drang; Alß Ludwig und sein Land

Und sein verzweifelt Heer in Amurathens Hand

Besiegt bey Varna fiel / und seiner Falschheit Nebel

In blutge Flut zerran; Als die erhitzte Sebel

Des grossen Mahumeths zwey Käyserthümer zwang:

Daß zweyer Käyser Kopff für seine Füsse sprang;

Als er zwölff Reich einnahm / zwey hundert Städt erstritte /

Wie Selmi überwand Damaßkens groß Gebitte

Des Tomonbejus Reich; als Solimans sein Stahl

Pest / Rhodis / Ofen zwang; ja als noch's letzte mahl

Vom vierdten Amurath ward Bagadet bezwungen /28

Hat dieser Helden Arm selbst durch den Feind gedrungen /

Und für des Reiches Heil das Leben feil gemacht.

Itzt nun der Sultan nur auff Uppigkeit hat acht /

Was sol für Glück uns blühn?

MUFTI.

Ja / leyder! ich befahre:

Es nähere sich ietzt das Ende der zwölff Jahre /29

Seit dem des Oßmans Hand den rothen Apffel führt[125]

Als unser Untergang. Und meine Seele rührt

Die grosse Wasserflut /30 die Mahumeds Gebeine

Zu Mecha fort geschwemmt / und die geweyhten Steine

Des Heyligthumbs versehrt. Der Pers' und Ketzer31 hat

Für wenig Zeit uns schon die uns hochheilge Stadt

Medinen abgerennt;32 wie viel ist Zeit verstrichen:

Daß unser Käyser halb vom Glauben abgewichen?

Daß Achmet Bottschafften dem Christen Gratian

Nebst Ländern übergab?33 Ja ein recht Greuel kan

Fürst Fakardin34 uns seyn / der Schaum verdammter Christen.

Kein geiles Weib kan nicht nach Buhlern so gelüsten /

Noch zaubrisch schläffen ein / als den besigten Hund

Hart Amurathes lieb. Und uns ist leyder kund:

Daß Persen Christen hat zu Feld-Herrn fürgestellet.

Als Facfurs Ehweib ward vom Arcomat gefället /35

Und mit ihr Ascota; ward er zwar todt und bleich

In Armen eines Mönchs: Allein Chach Abas Reich

Vom Aberglaub erfüllt; Indem er durch sein Bitten

Den Schwärmern Lufft erwarb: daß Abubeckers Hütten

Itzt thörchte Christen fülln. Da die Gewogenheit

Zu Christen sterbens-werth hieß noch für wenig Zeit.

Als König Kataband36 die Gurgel ab ließ stechen

Dem erstgebohrnen Sohn / war einig diß Verbrechen

Des Anza Menza Schuld. Wie feindlich scharff und schwer

Fiel vor der Christenheit der Tartarn flüchtig Heer?

Cham Chiran37 aber hat den Sultan längst verlachet /

Das Türcksche Heer zerstreut; verdammten Bund gemachet

Mit Polen / und sein Kind zur Geißel ihm versetzt /

Und der Cosacken Schwarm uns auff den Halß gehetzt;

Der Caffa / Sinope und Trapezunt bezwungen /38

In Port und Vorstadt ist Stambuldens eingedrungen.

Der Divan weiß selbst mehr kein Mittel unsrer Ruh;

Alß: daß mans Bosphors Mund mit Ketten schließe zu.39

Ja Siebenbürgen trotzt den Sultan mit Befehlen:

Daß Er zum Fürsten den Ragotzy muß erwehlen /40[126]

Den Istuan thun ab. Noch schlimmer Zufall ist:

Daß Käyser Machmets Sohn Jachias ward ein Christ;41

Daß er den Groß-Vesier / das Haupt der Janitscharen /

Den Muft / und die mehr des Reiches Pfeiler waren /

Durch Meineyd so nam ein: daß sie ihm hatten schon:

Den Bruder Achmet ab / ihn auf des Oßmanns Thron

Zu setzen sich verschworn; daß er Kosack und Christen

Und Tartern sich erkühnt auff unsern Fall zu rüsten /

Bejammern wir noch itzt. Und hätte Wallstein nicht /

Sein Abgott; durch die auch vergeßne Treu und Pflicht

So zeitlich sich gestürtzt / hett er wohl Mittel funden /

Zu schlagen unser Reich mit mehr und grössern Wunden.

Doch ach! das ärgst ist diß; was mir mein Hertz auffritzt:

Daß Käyser Ibrahims sein Sohn in Franckreich sitzt /42

Den der Maltheser Macht gefänglich hat bestricket /

Alß für drey Jahren er nach Mecha ward geschicket.

Auß welchem mit der Zeit der Räuber Aberwitz

Ein Werckzeug schnitzen kan / des Oßmanns hohen Sitz /

Den Glauben Mahumets empfindlich anzufechten;

Die Pers' und Christen stets mit uns in Krieg zu flechten

Sich durch viel Arglist mühn.

MEHEMET.

Ich spüre viel Gefahr /

Und unsers Untergangs sind hundert Zeichen dar.

Der Türcken Käyserthumb steht nicht auf eignen Kräfften.

Wir stehn / so lange noch die Christenheit mit Säfften

Verkaufften Friedens sich läßt sicher schläffen ein;

Und ihre Schwerdter selbst in eignen Därmern seyn

Itzt scheints: es lehre sie der Schaden sehend werden:

Daß wir sie / wie ein Fluß am Ufer Sand und Erden /

Schier ohn Empfindlichkeit / im Grunde waschen auß;

Biß mit durchbohrtem Rand auf einmahl Reich und Hauß

Ein Raub der Wellen wird. Denn Holland hat durch Frieden

Mit Spanien nicht nur den langen Zwist entschieden;

Tschernin spannt auch nunmehr den Bogen höher an;

Sagt: daß sein Käyser nichts in Siebenbürgen kan[127]

Enthengen unserm Heisch; trotzt auff des Adlers Klauen /

Wo er in Ungern würd auch minsten Eingriff schauen.

Weil zwischen Teutschland / Schwed' und Franckreich auch der Fried

Auf sicherm Fuße steht.

KIUPERLI.

Das Unglück das uns blüht /

Kömmt her von unser Schuld. Daß Aden ist verlohren /

Des Rothen Meeres Mund / daß Habeleh der Mohren43

Ihr Kapzaum ist verspielt / daß Baßora noch wanckt /

Rührt her: daß mancher Held wird spöttisch abgedanckt;

Daß man Damaß / Alcayr und Bagadet vertrauet

Dem / der das meiste zahlt;44 und die am Brete schauet /

Die nur des Sultans Gunst erkauffen durch viel Geld;

Daß man Verdienst und Treu für ärgste Laster hält /

Verschnittenen räumt ein die Tugenden zu drücken /

Ja sich den Vögeln gleicht / die nur den Guckug zwicken /

Auß Sorg: er werde noch alß Falcke sie falln an;

Daß man / als Sonne nichts erhoben sehen kan /

Und die gleich Sternen sind / alß Dünste drückt zur Erden;

Des Sultans Tochter-Söhn itzt auch läst fähig werden

Der Würden45 dieses Reichs; daß man die / die durch Blut

Und vieler Jahre Schweiß versammlet einig Gut /

Wie Schwämme drücket auß;46 des Sultans Töchter zwinget

Uns noch als Kinder auff / und umbs Vermögen bringet /

Ja uns zu Sclaven macht; daß Ibrahim versehrt /

Was derer Andacht gleich zum Gottesdienst verehrt /47

Die niemals ihn verletzt; daß / was die Käyser haben /

Als Schatz und Heiligthumb in Thürme tieff vergraben /48

Er alß wie Sand verstreut; daß er zu Lastern lacht /

Auß seiner Uppigkeit ein offen Schau-Spiel macht /

Umb daß Er seine Brunst durch frembdes Oel anzünde /

Da es vor dieser Zeit war sterbens-werthe Sünde /

Zum Garten /49 wo der Fürst mit seinen Dirnen spielt /

Ein Auge wenden hin. Daß sein Gemüthe zielt /

Des Ketzers Kadaris50 fürlängst verdammte Lehren /

Die des Verhängnüßes Ertzt-feste Schlüsse stören /

Und der Schapmestahis51 ihr halbes Christenthum

Zu bringen in den Schwung. Daß er für grossen Ruhm[128]

Und Helden-Thaten hält / wenn Er verdiente Bassen /

Die für sein Heyl gewacht / kan niedersäbeln lassen;

Wenn ihr durch Wund und Schweiß erworben Erbtheil ihn

Alß Bruder lachet an;52 Wenn / die die Ramme ziehn

Und Bräter wenden umb / so schnell als Erd-Geschwüre

Auffschüssen / und sich gar stelln über die Visire;

Alepo steht hierumb in grösserer Gefahr /53

Alß da noch Abassa54 sein Haupt des Auffruhrs war;

Und Fakardins sein Schwantz / die schlauen Drusen stecken

In Sidons Hölen noch /55 und in Saidens Hecken.

Diß klagen / leider! wir / diß geht uns Häupter an!

Das Volck / das seine Last nicht länger tragen kan /

Führt nach viel Seufzen ietzt bewegliche Beschwerden /

Weil nun auch Steinen Schweiß wil außgepresset werden /56

Wie vom Abdulmelick. Albanien / das noch

Nicht allerdings gebeugt57 den Nacken unters Joch /

Spinnt neuen Aufstand an. Kurtz! wir falln übern Hauffen /

Und unser Glücks-Spiel scheint ietzt so verwirrt zu lauffen:

Daß wo die Christen uns recht in die Karte sehn /

Und Ferdinand es wagt; so ists umb uns geschehn.


Bectas. Ibrahim. Mufti. Mehemet. Kiuperli.


BECTAS.

Schweig! denn der Sultan kommt.

IBRAHIM.

Ist der Befehl vollstrecket?

MEHEMET.

Ja! doch Soranzo bleibt verstockt und unerschrecket.

Sagt: daß Venedig selbst eh in den Grund wil gehn /

Alß auf Dalmatien uns einig Recht zustehn;

Und eine Spanne Land von Candien einräumen.

IBRAHIM.

Sol dieser Sclave noch auf uns den Hochmuth schäumen?

Und lachen unsers Dräuns? Wol! es sol unser Haupt

Nicht sanft und friedsam ruhn; biß daß Venedig glaubt:

Daß Ibrahim nicht mehr mit Wort- als Wercken blitze.

KIUPERLI.

Der Sultan gebe mir und meinem Aberwitze

Genädiges Gehör? Ich sorge: daß wir nicht /

Biß daß der Groß-Herr selbst nach Candien aufbricht /[129]

Dort werden Meister spieln. Wo Glück und Sieg sol blühen /

Das Kriegsheer hertzhaft seyn / muß der zu Felde ziehen /

Dem Glück und Sieg fällt zu. Sein wachsam Auge schlägt

Oft / wo ein Heer verspielt; ermuntert und bewegt

Die trag und furchtsam sind. Der Fürst hats schon geschauet /

Als von Silistrien dem Bassen anvertrauet

Der Zug auf Asac ward;58 wie viel ein Knecht kan fehln.

Ja Schälsucht wagt sich dar meist frembden Ruhm zu stehln;

Den Sieg selbst zu verstörn / Vernunft und Witz zu bländen.

Des Groß-Veziers schel Aug entzog unß aus den Händen

Den Sieg auf Bagadet. Denn / als der Löwen-Muth

Des Murat Bassen59 sich durch Mauern / Stahl / und Glut

Drang stürmend in die Stad / ließ er auß blossem Neiden

Vom Sturme blasen ab / ja ihm den Kopf abschneiden:

Daß unser Heer besiegt / die Festung Persisch blieb /

Biß Amurath selbst kam60 und Heer und Sturm antrieb.

IBRAHIM.

Wir wolln in Greta selbst die grüne Fahn auffführen.61

Laß auch noch heute sich dein gantzes Läger rühren /

Für unser Burg das Haar von Pferden stecken auß.62

Du aber Mehemed / laß des Soranzo Haus

Noch sorgsamer verwahrn / doch ihm zur Furcht entdecken:

Daß wir auf Candien selbst wolln die Fahn aufstecken.

MUFTI.

Der Schluß ist Ruhmes werth; diß ist die Tugend-Bahn /

Dardurch uns Mahumed die Welt macht unterthan /

Die zu den Sternen führt / die Sterbliche vergöttert;

Und ein Gedächtnüs schafft; das / wenn der Himmel wettert /

Die Marmel-Seuln zermalmt / Colossen schlägt entzwey /

Und Tempel legt in Graus / ist vom Verwesen frey.

Ja wenns Verhängniß gleich lässt einen Fürsten fallen /

So gleicht sein Grabestein durchsichtigen Christallen /

Durch den man sein Verdienst der Tugend schauen kan /

Und dessen Seele nimmt die Art des Fenix an:

Daß seyn Begräbniß ist der Anfang seines Lebens;

Und Zeit und Mißgunst müht so denn sich nur vergebens

Die Fackel ihres Ruhms mit Wolcken zu verstelln /[130]

Den Silber-reinen Kreiß des Mohnden anzubelln.

IBRAHIM.

Ja wol / diß schlüssen wir. Ach! aber / unser Hertze

Wird selbst von Angst bekriegt / bekämpft vom herben Schmertze /

Des Sultans Seele schwimmt in einer wüsten See /

Die Flammen auf die Brust strömt / in die Glieder Schnee /

Verwirrung ins Gehirn? Und in uns selber wissen

Von keinem Frieden wir; die wir auf andre schlüssen

Jetzt gleich Verderb und Krieg.

MUFTI.

Was sicht den Käyser an?

IBRAHIM.

Ein Ubel / das kein Artzt / als Mufti / heilen kan.

MUFTI.

Ist es Gewissens-Angst? sinds tieffe Seelen-Narben?

IBRAHIM.

Nicht Narben / Wunden sinds / doch von viel andern Farben.

MUFTI.

Dem Artzte muß das Kwell der Kranckheit seyn bekand.

IBRAHIM.

Der Uhrsprung und die Salb ist in des Mufti Hand.

MUFTI.

Stehn sie in meiner Hand / bin ich bereit zu rathen.

IBRAHIM.

Vertröstung linderts Weh / Genesung kommt von Thaten.

MUFTI.

Der Käyser meld uns doch / was Weh und Artzney sind.

IBRAHIM.

Ich bin von Liebe kranck / das Pflaster ist dein Kind.

MUFTI.

Was sol ein Kind / wie sie / für Liebes-Brand anzünden?

IBRAHIM.

Wird man im Himmel doch nur solche Kinder finden!63

MUFTI.

So Eh als Paradis erfordert funfzehn Jahr.

IBRAHIM.

Was fürchten Jüngere vom Lieben für Gefahr?

MUFTI.

Sie wird den Käyser nicht nach Wundsch vergnügen können.

IBRAHIM.

Neid tadelt / was er nicht dem Nechsten wil vergönnen.

MUFTI.

Was sol ein Knecht / wie ich / dem Großherrn gönnen nicht?

IBRAHIM.

Wie daß uns Mufti denn die Tochter nicht verspricht?

MUFTI.

Es ist mein Wundsch: daß sie sich seine Magd darf nennen.

IBRAHIM.

Versichre sie: daß wir von ihren Strahlen brennen.

Versicherst aber du uns ihrer Gegenhold?

MUFTI.

Ich meyne: daß mein Kind mit beyden Armen solt

Umbfassen diß Gelück / und sich ietzt selig schätzen.

Ja mit was Grösserm kan der Sul an mich ergätzen /

Als / da er auf mein Haus Genad und Auge neigt /

Mein Kind auß Staub auf Gold in Oßmans Bette steigt.

IBRAHIM.

Nimm diß gestückte Tuch als unsrer Liebe Zeichen64

Der Liebe Merckmahl hin. Man sol schnur-stracks ihr reichen[131]

Ein Purpern Braut-gewand.

MUFTI.

Ich nehms in Demut an /

Begierig zu vollzihn / was seine Liebe kan

Vergnügen / und mein Haus zur höchsten Staffel stellen.

IBRAHIM.

Geh / eile. Denn Verzug schafft Buhlern Pein der Höllen.


Reyen


Der Göttlichen Rache / der Stadt Byzanz / der Schwelgerey / der Geilheit / des Geitzes / des Zorns /der Hoffart.


DIE GÖTTLICHE RACHE.

Erzittert / Sterbliche / für mir!

Denn krönt mein Haupt gleich ein schön Regenbogen;

So bricht doch Blitz und Donner für65

Auf den / der Gott zum Eifer hat bewogen.

Gott zahlet zwar nicht täglich auß;

Doch ist Er keinem ie was schuldig blieben.

Sein langsam Zorn drückt gar in Grauß;

Und sein Vermerck ist in Metall geschrieben.66

BYZANZ.

Mir Aermsten bebet iedes Glied /67

Das Hertze schlägt / das Haar steht mir zu Berge!

Verschone der / die für dir kniet!

Kein Riese siegt mit Nachruhm über Zwerge.

Hilff mir vielmehr / weil die Geduld

Schon büßt zweyhundert Jahr die Schuld.

DIE RACHE.

Ich habe kein ruchloser Kind;

Gott hatte dich zur Welt-Sonn aufgestecket /

Und gleichwol ist dein Thun stock-blind /

Ja du hast wie ein Mohnde dich beflecket.[132]

BYZANZ.

Weil / leider! das Verhängniß mich

Hat untern Krebs / des Mohnden Haus / gesetzet;68

Geht Glück und Klugheit hinter sich /

Mein Antlitz wird mit Thränen-Tau genetzet;

Und Oßmanns bluttig Mohnde69 dreut

Mir täglich noch mehr Sturm und Leid.

DIE RACHE.

Für dir ists Mohnden Wachsthum klein.

Was klagstu denn? die Welt liegt dir zun Füssen;

Du selbst verdüsterst deinen Schein /

Erlustigst dich an Sund- und Finsternüssen.

BYZANZ.

Oft stecken Würm' in güldner Frucht /

Der schlimste Stern ist oberster Planete;

Mein Wachsthum ist nur Wassersucht /

Und meine Sonn ein schwäntzichter Comete.

So hilff nun / Rache / Rach / und nimm

Von mir den Bluthund Ibrahim!

DIE RACHE.

Brich Abgrund! öfne deine Thür!

Und schicke bald ein Werckzeug meiner Rache!

DIE LASTER.

Wir Laster stelln zu Dienst uns dir.

Weil wir der Menschen Schooß-Kind sind / und Drache /

Ja ieder mit uns buhlen wil /

Ists sie zu fressen uns ein Spiel.

BYZANZ.

Hilff Gott! sol noch der Schlangen Brut

In Ibrahims und meinem Busen nisten?[133]

DIE RACHE.

Gift ist für Gift zur Artzney gut /

Und böse Lust dämpft man mit bösen Lüsten.

BYZANZ.

So rüste doch nur eines auß;

Denn alle stürtzen mich in Grauß.

DIE SCHWELGEREY.

So kömmt mir denn das Vorrecht zu /

Weil Menschen schon nach meiner Milch gelüsten /

Wenn sie in Windeln schöpfen Ruh /

Die Zunge noch säugt an den Mutter-Brüsten.

DIE GEILHEIT.

Ich bin der Brunn / der Menschen schafft /

Ein Oel / das Blut und Fleisch und Hertz anzündet;

Der Himmel schmiltzt durch meine Krafft /

Die Götter zwingt und Stahl wie Wachs zerwindet.

DER GEITZ.

Weicht alle mir! ihr seyt mein Brutt;

Denn ich bin ja die Wurtzel alles Argen /

Wenns Alter aller Laster Glutt

Lescht auß / steig ich in Sarg mit meinem Kargen.

DER ZORN.

Mein Blitz zermalmet Stahl und Stein /

Mein Ziel ists Grab / der Uhrsprung ist die Wiege.

Wo alle Laster büssen ein /

Erhält mein Arm durch Mord und Feuer Siege.

DIE HOFFARTH.

Mein Uhrsprung rührt vom Himmel her /

Ihr auß der Höll / und wilder Thiere Hölen.

Denn ihr herrscht nur in Schwein und Beer;

In Adlern ich / und in vernünfftgen Seelen.[134]

DIE SCHWELGEREY.

Ich aber mache durch den Stein /

Durch Schwulst und Gicht und Schwindsucht bald ein Ende.

DIE GEILHEIT.

Mein Gifft nimmt mehr die Seelen ein /

Und Seuchen sind auch Waffen meiner Hände.

DER GEITZ.

Ich henckere ja selber mich;

Wie sol ich nicht auch andern's Licht verkürtzen?

DER ZORN.

Mein Grimm hat's Blitzes Flug in sich /

Des Maulwurffs Blindheit / wie soll er nicht stürtzen?

DIE HOFFARTH.

Die Hoffarth kommt fürm Fall ins Hauß /

Und wer hoch fleucht / schmeltzt an der Sonnen-Hitze.

BYZANZ.

Rach übe deine Straffen auß;

Nur / daß ich nicht mehr Blutt dabey versprütze;

So brauch ein Laster doch hierzu /

Das mir nicht weh / ihm süsse thu.

DIE RACHE.

Durch Zucker gibt sich Gifft leicht ein /

Und Schlangen sind in Rosen wohl verstecket.

Wohlauf denn / Geilheit! du solsts seyn /

Die meinen Schluß / des Bluthunds Fall vollstrecket.

DIE GEILHEIT.

Eh als die Morgenröthe kan

Der Welt zweymal die Augenbranen zeigen /[135]

Sol Ibrahim seyn abgethan /

Durch diesen Brandt / sein Lebens-Oel verseigen.

ALLE.

Ja! Unzucht ist so tödtlich Gifft /

Das Drachen-Eyter übertrifft.

Quelle:
Daniel Casper von Lohenstein: Türkische Trauerspiele. Stuttgart 1953, S. 113-136.
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