Zwölfter Auftritt

[30] Iwanow. van Bett.


IWANOW. Ach Gott! Da laufe ich ihm gerade ins Gesicht.

VAN BETT für sich. Da ist er; jetzt krieg ich's heraus – aber nur immer fein. Freundlich. Nun, mein lieber Iwanow.

IWANOW erstaunt, für sich. Sein lieber Iwanow?

VAN BETT für sich. Der vertrauliche Ton scheint ihm zu mißfallen. Laut. Nehmen Sie's nicht übel, Herr Iwanow, und seien Sie versichert, daß ich nichts weniger beabsichtige, als das Geheimnis zu erraten, das Sie hier in Saardam zurückhält.

IWANOW für sich. 's ist richtig, er weiß alles. Laut. Nun, weil es denn nicht anders sein kann, Sie haben von meinem Obersten Nachricht erhalten?

VAN BETT. Allerdings. Für sich. Sein Oberst? Der Engländer ist also ein Oberst, das hätte ich heraus. Laut. Ich weiß, welche Gefahr Sie laufen, wenn der französische Gesandte Sie entdeckt.

IWANOW. Der russische Gesandte wollen Sie sagen.

VAN BETT. Der französische! Ich werde doch den französischen Gesandten kennen. Aber fürchten Sie nichts. Wichtig. Der englische Oberst ist hier, adest!

IWANOW für sich. Jetzt ist's wieder ein englischer Oberst.

VAN BETT. Kurz, es sind alle Maßregeln getroffen – wir schließen ab zur Zufriedenheit aller Teile.

IWANOW. Wie, Herr Bürgermeister, Sie sind also nicht gegen mich?

VAN BETT. Ich? Oh, Herr Iwanow, wie können Sie mich für so, mit Erlaubnis zu sagen, unpolitechnisch halten?

[30] Nr. 6. Duett


IWANOW für sich.

Darf ich wohl den Worten trauen,

Spielt er nicht etwa den Schlauen,

Was ihm sonst zwar schwer gelingt?

Darf ich es denn wirklich wagen,

Alles ihm heraus zu sagen,

Ob es mir nicht Schaden bringt?

VAN BETT für sich.

Er scheint mir nicht recht zu trauen,

Spielt am Ende gar den Schlauen,

Glaubt, daß mir es nicht gelingt.

Ganz behutsam werd ich fragen,

Dann wird er schon alles sagen,

Was uns großen Nutzen bringt.

IWANOW zu van Bett.

Verzeihen Sie, wenn ich es noch nicht wage,

So mit der Sprache recht herauszugehn;

Man traut nicht jedem gleich in meiner Lage,

Sie werden mich recht gut verstehn.

VAN BETT.

Ei, Freund, das kann ich keinem wohl verdenken,

Wenn nämlich er wo Argwohn spürt,

Doch dürfen Sie mir Ihr Vertrauen schenken,

Da es zu Ihrem Lebensglücke führt.

IWANOW ist überrascht und sagt.

Mein Lebensglück!

VAN BETT.

Das Ganze leitet mein Genie –

IWANOW.

Das freut mich sehr, erfahren Sie –


Er stockt. Sie sehen sich eine Weile an, dann singt jeder für sich.


VAN BETT beiseite.

Er will nicht heraus mit der Sprache,

Und noch ganz dunkel, sehr dunkel ist mir diese Sache,

Drum ist es Zeit, hohe Zeit, daß den Anfang ich mache,

Denn bis jetzt bin ich immer, noch immer so klug wie vorher.

IWANOW beiseite.

Er will nicht heraus mit der Sprache,

Und noch sehr dunkel, ganz dunkel ist mir diese Sache,

Doch ist's gewagt, ja es ist sehr gewagt, wenn den Anfang ich mache,[31]

Und ist es geschehen, dann kann ich zurück nimmermehr.

VAN BETT der sich besonnen.

Jetzt hab ich's, jetzt hab ich's,

Nun fang ich ihn gleich.


Wichtig.


Was ist Ihr Plan in bezug auf Frankreich?

IWANOW verwundert.

Mein Plan?

VAN BETT.

Nun ja, der Plan, ich meine, der Plan.

IWANOW für sich.

Was ficht ihn denn schon wieder an?

VAN BETT.

Mein Gott, Sie kennen doch Frankreich?

IWANOW.

Nein.

VAN BETT.

Nicht?

IWANOW.

Doch soll's ein schönes Ländchen sein.

VAN BETT für sich.

Diese Wendung war sehr fein.


Laut.


Aber England kennen Sie ganz genau?

IWANOW.

Das heißt –

VAN BETT für sich.

Aha!

IWANOW.

Wieso?

VAN BETT.

Ich frage, kennen Sie England genau?

IWANOW achselzuckend.

Je nun!

VAN BETT für sich.

Die Antwort war wieder schlau.

Da läßt sich für's erste nun weiter nichts tun,

's ist gewiß, daß er Aufträge hat.

Er zuckte die Achseln und sagte: Je nun!

's ist ein feiner Diplomat.

IWANOW für sich.

Soll ich ihm gestehn, oder soll ichs nicht tun?

Teuer ist hier guter Rat.

VAN BETT für sich.

Er zuckte die Achseln und sagte: Je nun!

's ist ein feiner Diplomat. –

Wie wär's, wenn, zum Geständnis ihn zu bringen,

Ich ihm nun Hoffnung zeigte auf Marien;

Er ist ihr sehr geneigt, legt leichter sich zum Ziele.

IWANOW für sich.

Nun sinnt er sicher wieder neue Fragen aus,

Die zu beantworten ich nicht imstande bin.

VAN BETT laut.

Sie lieben meine Nichte?

IWANOW.

Was ist das?[32]

VAN BETT für sich.

Er stutzt!


Laut.


Sie lieben sie, nicht wahr, hab ich recht?

IWANOW für sich.

Wie kommt in diesem Augenblick er auf Marie?

VAN BETT für sich.

Er stutzt schon wieder.


Laut.


Lieben Sie sie nicht?

IWANOW für sich.

Ich weiß nicht, soll ich's ihm gestehn?

VAN BETT für sich.

Er stutzt zum dritten Male!


Laut.


Nun, junger Stutzer, hören Sie mich an:

Gelingt des Obersten gehoffter Plan,

So könnte wohl es sich gestalten,

Daß Sie Mariens Hand erhalten.

IWANOW freudig.

Was hör ich?

VAN BETT für sich.

Das traf!

IWANOW.

O welch ein Glück, welch süßes Glück!

Alles willig zu gestehen, sollen Sie bereit mich sehen.

VAN BETT.

Alles willig zu gestehen, werde ich bereit ihn sehen.

IWANOW.

Ist der Oberst nur zugegen, schenk ich reinen

Wein ihm ein.

VAN BETT.

Dazu konnte ihn bewegen meine Schlauheit nur allein.

IWANOW.

Oh, wie konnt' ich jemals hoffen, zu erreichen dieses Glück!

VAN BETT.

Herrlich hab ich es getroffen, ha! Es war ein Meisterstück!

IWANOW beiseite.

Endlich wird es mir gelingen,

Die Geliebte zu erringen

Und zu ernten süßen Lohn!

Nun darf ich ohne Furcht gestehen,

Was mich drückte lange schon.

Ja, vor Wonne möcht ich springen,

Endlich wird es mir gelingen,

Die Geliebte zu erringen

Und zu ernten süßen Lohn.

VAN BETT beiseite.

So nur kann es mir gelingen,

In die Sache Licht zu bringen

Und zu ernten reichen Lohn!

Daß ich gleich alles würd' erspähen,[33]

Ei, das wußt' ich lange schon.

So nur kann es mir gelingen,

In die Sache Licht zu bringen,

Ruhm und Ehre zu erringen

Und zu ernten reichen Lohn.


Er geht ab.


Quelle:
Albert Lortzing: Zar und Zimmermann. Stuttgart [o. J.], S. 30-34.
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