Zweiter Auftritt

[14] Die Vorigen. Marie.


MARIE im Auftreten. Nein, es ist, weiß Gott, zu arg – auf Schritt und Tritt geht einem der Mensch nach.

IWANOW. Mensch? Welcher Mensch?

MARIE. Ach, ein junger Franzose, der seit gestern hier herumschleicht.

ZAR. Ein Franzose?

IWANOW. Ein junger? Warum schleicht er herum? Warum?

MARIE. Was weiß ich? Er hielt mich an und fragte mich nach allerlei.

IWANOW. Das fehlte noch! Erst schleicht er herum, dann fragt er noch allerlei.[14]

ZAR. Still doch! Zu Marie. Nun, mein Kind, wonach erkundigte er sich?

MARIE verschämt. Je nun –

IWANOW. Heraus mit dem Allerlei.

MARIE. Er meinte, ich wäre recht hübsch – und kurz und gut, ich wäre recht hübsch.

IWANOW. So? Das ist recht hübsch. Um das zu erfahren, brauchen wir keinen Franzosen, das können wir auf deutsch auch sehen.

MARIE. Endlich wollte er mich küssen.

IWANOW. Hab ich's nicht gedacht, das ist gewöhnlich das Ende. Soll man da nicht rasend werden?!

MARIE ihn besänftigend. Aber Peter –

IWANOW. Nichts Peter! – Ich wollte, den französischen Gesandten, der da drüben in Rijswijk den Frieden kongressiert, holte der Kuckuck! Alle Augenblicke fährt hier so ein Windbeutel herum. Träfe ich nur einmal einen, ich wollte ihn gleich –

MARIE. Was gleich?

IWANOW. Das werd ich jetzt nicht sagen.

MARIE. Mein lieber Peter Iwanow, Sie sind ein kleines Großmäulchen.

IWANOW. Ich wäre –

MARIE. Stille! – Sie sind ein kleines Großmäulchen.

IWANOW. Aber Mamsell Marie. –

MARIE ernst. Herr Peter Iwanow!

IWANOW nach einer Pause ruhig. Ich bin ein kleines Großmäulchen.

MARIE. So recht, lieber Peter, nun bist du wieder artig. Warum ich eigentlich komme –

IWANOW hastig. Ja warum? Das möcht ich eben wissen.

MARIE ihm gelassen die Backen klopfend. Nur immer Gemütsruhe.

IWANOW. Ja doch, ich bin ruhig, mein Gemüt auch.

MARIE. Mein Oheim hat unser Verständnis ausgewittert – glaube ich wenigstens –, er will heute auf den Werften selbst nachsehen, das ist ihm in drei Jahren nicht eingefallen; er hat Briefe, Befehle erhalten, und alles überzeugt mich, daß ein Anschlag gegen uns im Werk ist.[15]

ZAR der sich zurückgezogen, hat sich bei Mariens Erzählung aufmerksam genähert; für sich. Sollte ich entdeckt sein?

IWANOW für sich. Gewiß von meinem Oberst!

MARIE. Nun, meine Herren, ihr seid ja beide ganz verdutzt? Und Sie, mein Vielgetreuer, Sie kommen mir ganz kurios vor. Vorhin, da ein galanter junger Mann sich nach meinen kleinen häuslichen Angelegenheiten erkundigte, wird er bei der bloßen Erzählung Feuer und Flamme, und nun, da unsrer Liebe Gefahr droht, steht er da, als könnte er nicht bis drei zählen.

IWANOW. Marie, du hast es heute wieder darauf abgesehen, mich zu quälen. Ich liebe dich so herzlich, aber ebendeswegen kann es mir doch nicht angenehm sein, wenn dich die ganze Welt küssen will.

MARIE. Die ganze Welt? Nein, lieber Peter, das würde ein zu großes Gedränge werden; ich will mich darum lieber mit einem begnügen. Sie reicht ihm die Hand.

IWANOW küßt sie. Du bist doch ein Engel!

MARIE. Jetzt höre. Was mein Oheim im Schilde führt – ich weiß es nicht, und wir müssen es in Geduld erwarten. Sei darum guten Muts; ich bin und bleibe dir treu, und sollte es meinem teuren Oheim einfallen, mich zu einem andern Ehebündnis zwingen zu wollen – ich ahne so etwas –, so springe ich lieber in den Kanal.

IWANOW. Ich springe mit.

MARIE. Abgemacht, wir springen im Duett. Vorher aber gehen wir zum Feste. Du weißt doch, daß ich Brautjungfer bei Charlottes Hochzeit bin. Ich eile, mich in den Staat zu werfen.

IWANOW. Ach Gott, da wirst du wieder alles bezaubern.

MARIE. Je nun, ich werde mein möglichstes tun. Zum Zaren. Sehn Sie wieder den Eifersüchtigen? Zu Iwanow. Ach, lieber, lieber Peter, du mußt noch gewaltig gezogen werden.

Nr. 2. Ariette


Die Eifersucht ist eine Plage,

Weh dem, der ihr zum Opfer fällt.

Sie schaffet viele trübe Tage,[16]

Warum ist sie wohl auf der Welt?

Warum? Warum?

IWANOW spricht. Ei, das möcht ich auch wissen.

MARIE.

Zwar kenn ich dieses garst'ge Fieber

Nur eigentlich vom Namen her;

Bemerkt' ich's nicht bei dir, mein Lieber,

So wüßt' ich nicht, daß es vorhanden wär'.

IWANOW spricht. Es ist aber einmal da, und ich habe alle Ursache dazu.

MARIE.

O ja!

Wenn bei unsern Festen

Alles sich im Tanze dreht

Und wenn einer von den Gästen

Zeigt, daß er mich nicht verschmäht;

Wenn er, während wir pausieren,

Mich recht viel und freundlich fragt

Und mit artigen Manieren

Ein'ge Schmeicheleien sagt,

Zum Exempel: diese Wangen,

Dieser Lippen Purpurrot

Wecken glühendes Verlangen,

Sie bezaubern mich, bei Gott!

Wär' es mir erlaubt zu fragen,

Ob ihr Herz noch frei sich fühlt?

Wenn, mit einem Wort zu sagen,

Er, was man so nennt, den Angenehmen spielt –

IWANOW spricht. Dann darf ich doch –

MARIE.

Dann darfst du niemals eifersüchtig sein.

Mein Herz gehört nur dir allein;

Du weißt es ja, mein Herz gehört nur dir allein.

Ach, das solltest du erst fühlen,

Wie so schön die Zeit verrinnt,

Wenn bei unsern heitern Spielen

Pfänder einzulösen sind.

Wenn mit harrenden Gebärden

Jeder seinen Lohn begehrt,

Und es heißt: was soll dem werden,

Welchem dieses Pfand gehört?

»Diesem gibst du sieben Küsse,

Jenem achte, diesem neun,[17]

Zehne reichst du jenem her!«

Lieber Freund, das sind Genüsse,

So was existiert nicht mehr.

Wenn dann mit verschämten Wangen

Schüchtern der Erwählte naht,

Wenn mit glühendem Verlangen

Er den Lohn empfangen hat –

IWANOW spricht. Dann darf ich doch –

MARIE.

Dann darfst du doch nicht eifersüchtig sein.

Mein Herz gehört nur dir allein;

Du weißt es ja, mein Herz gehört nur dir allein!

IWANOW spricht. Nun, das nehme mir kein Mensch übel.

MARIE.

Sieh, das sind nur alles Spiele

Unbefangner Jugendlust;

Fern von liebendem Gefühle

Schlägt das Herz in unsrer Brust.

Was geschieht vor allen Leuten,

Kann ja Böses nicht bedeuten.

Drum darfst du niemals eifersüchtig sein,

Mein Herz, du weißt es ja, bleibt ewig dein. –

Hast du mich auch wohl verstanden?

Ist kein Fieber mehr vorhanden?

Her mit dem Puls, wir werden nun gleich sehn,

Ob du kuriert, als Arzt muß ich's verstehn.


Sie ergreift seine Hand und fühlt den Puls.


Gut, sehr gut, in solchem Tempo muß er gehn.

Bedanke dich!


Sie hält ihm die andere Hand hin, die Iwanow küßt.


Wie nun das Blut so ruhig fließt,

Wie lieb du mir nun wieder bist.


Sie hält dem Zaren die Hand zum Kusse hin, während die andere noch immer Iwanow den Puls fühlt; zum Zaren.


Doch auch Ihr seid mir lieb und wert.

Herrgott! Was tobt dein Blut schon wieder fürchterlich,

Mein lieber Freund, du bist noch nicht kuriert!

Leb wohl und beßre dich!


Sie läuft ab.


Iwanow folgt ihr.
[18]


Quelle:
Albert Lortzing: Zar und Zimmermann. Stuttgart [o. J.], S. 14-19.
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