XVI. Die Götterkönigin macht ihrer Eifersucht über Latonen Luft.

[296] Juno und Latona.


JUNO spöttisch. Das muß man gestehen, Latona, daß du Jupitern ein paar schöne Kinder geboren hast!

LATONA in gleichem Tone. Wir können nicht alle so schöne Kinder in die Welt setzen, wie dein Vulkan ist.

JUNO. Der ist doch am Ende, so lahm er auch ist, noch zu etwas nütze; denn er ist ein großer Künstler, und die schönsten Möbeln im Himmel sind von seiner Arbeit; auch hat er, mit aller seiner Häßlichkeit, eine schöne Frau bekommen und wird von ihr wert gehalten. Aber was kann man von deinen Kindern sagen? Die eine will es mit aller Gewalt den Männern gleichtun und schwärmt wie eine Wilde in Bergen und Wäldern herum; und seitdem sie neulich zu den Skythen nach Taurien gezogen ist und sich die Reisenden, die dort ankommen, opfern läßt, wissen alle Leute, was ihr Leibessen ist; da sie unter Menschenfressern lebt, kann man sich leicht vorstellen, daß sie auch ihre Sitten angenommen hat. Dein Apollo aber gibt sich die Miene, als ob er alles wisse und könne, macht den Bogenschützen, den Zitherspieler, den Poeten und den Arzt und hat zu Delphi und zu Klaros und zu Didymi Wahrsagerbuden aufgeschlagen, wo er die Leute, die ihn fragen, mit schiefen und zweideutigen Antworten, die man immer auf beide Seiten drehen kann, um ihr Geld bringt. Weil der Narren, die sich von Marktschreiern betrügen lassen, viele sind, so wird er zwar reich dabei: aber verständige Leute wissen, was sie von seinen Wunderkünsten zu halten haben und daß der große Prophet nicht einmal vorhersah, daß er seinen Liebling mit einem Diskus töten und daß Daphne, trotz seiner Schönheit und seiner langen goldenen Locken, vor ihm davonlaufen würde. Ich sehe also nicht, warum du dir einbilden kannst, schönere Kinder zu haben als Niobe.[296]

LATONA. Oh, ich weiß recht gut, wie diese Menschenfresserin und dieser Lügenprophet dir in den Augen wehetun, wenn du sie unter den Göttern sehen mußt, und wie es dich ärgert, jene wegen ihrer Schönheit und diesen, wenn er bei Tafel auf der Zither spielt, von allen bewundert zu sehen.

JUNO mit affektiertem Lachen. Ich muß über deinen Geschmack lachen. Apollo bewundernswürdig? Er, dem Marsyas, wenn die Musen hätten recht richten wollen, die Haut würde abgezogen haben, da er ohne Vergleichung ein besserer Musikus ist: so aber mußte der arme übervorteilte Tropf das Opfer eines parteiischen Urteils werden. Und wie es um die Schönheit deiner schönen Jungfer Tochter steht, kann man daraus sehen, daß sie den armen Aktäon, wie sie gewahr wurde, daß er sie im Bade gesehen hatte, von seinen eigenen Hunden zerreißen ließ, aus Furcht, er möchte ihre Häßlichkeit unter die Leute bringen. Nichts davon zu sagen, daß sie den Gebärenden schwerlich Hebammendienste tun würde, wenn sie selbst noch Jungfer wäre.

LATONA. Du bildest dir gar zu viel darauf ein, daß du Jupiters Gemahlin und Mitregentin bist, und nimmst dir deswegen etwas mehr Freiheiten gegen andere heraus als sich gebührt. Ich hoffe aber, es soll nicht lange anstehen, bis ich dich wieder weinen sehe, wenn er dich sitzenlassen und auf die Erde hinabsteigen wird, um Stier oder Schwan zu werden.

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Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 296-297.
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