XVII.

[397] Menippus und Tantalus.


MENIPPUS. Was heulst du, Tantalus? Warum stehst du so am Teiche und bejammerst dich selbst?

TANTALUS. Weil ich vor Durst verschmachte, lieber Menippus.

MENIPPUS. Bist du denn so gar träge, daß du dich nicht einmal zum Trinken herabbücken oder nur wenigstens mit der hohlen Hand etwas Wasser herausschöpfen magst?

TANTALUS. Es hilft mir nichts, wie tief ich mich auch herabbücke; das Wasser flieht vor mir, sobald es merkt, daß ich ihm nahe bin, und wenn ich auch etwas davon schöpfe und zum Munde bringe, so läuft es mir, eh ich noch die äußersten Lippen benetzen kann, zwischen den Fingern durch, und die Hand ist augenblicklich so trocken wie zuvor.

MENIPPUS. Das ist ein seltsames Abenteuer, guter Tantalus. Aber warum bist du denn so aufs Trinken erpicht, da du doch keinen Körper mehr hast? Denn das, was dir ehmals Essen und Trinken zum Bedürfnis machte, ist in Lydien begraben; und du, die bloße nackte Seele, wie solltest du noch hungern und dursten können?

TANTALUS. Darin besteht eben meine Strafe, daß meine Seele ebenso dürstet, als ob sie ein Körper wäre.

MENIPPUS. Nun wohl, weil dir der Durst, wie du sagst, als Strafe auferlegt ist, so müssen wir's ja freilich glauben. Aber worin kann denn das Schreckliche der Sache liegen? Du fürchtest doch nicht, aus Mangel an Trinken zu sterben? Wenigstens sehe ich kein anderes Totenreich, wohin man, durch den Tod in diesem hier, befördert werden könnte.

TANTALUS. Darin hast du recht: allein das macht eben einen Teil meiner Verdammnis aus, daß ich von der Begierde zu trinken gequält werde, ohne dessen vonnöten zu haben.

DIOGENES. Du faselst, Tantalus! Du bedarfst in der Tat eines Trankes, aber keines andern als von der stärksten Niesewurz. Dein Übel ist gerade das Widerspiel dessen, was[397] den von wütenden Hunden Gebissenen widerfährt: sie scheuen sich vor dem Wasser, du vor dem Durst.

TANTALUS. Hätte ich nur gleich einen tüchtigen Schluck Helleborus, ich wollte ihn gewiß nicht verschmähen!

DIOGENES. Laß dir die Lust dazu vergehen, guter Tantalus; es geht dir wie allen andern Toten, und man wird dir nichts Besonders machen. Aber freilich dürsten nicht alle, wie du, zur Strafe und können bloß darum nicht trinken, weil das Wasser nicht auf sie warten will!

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 397-398.
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