Vorrede auff das Newe Testament.

Gleich wie das alte Testament ist ein Buch / darinnen Gottes gesetz vnd Gebot / da neben die Geschichte /beide dere / die die selbigen gehalten vnd nicht gehalten haben / geschrieben sind. Also ist das newe Testament ein Buch / darinnen das Euangelium vnd Gottes verheissung / da neben auch Geschichte / beide dere /die daran gleuben vnd nicht gleuben / geschrieben sind.

DEnn Euangelium ist ein Griechisch wort / vnd heisset auff Deudsch / gute Botschafft / gute Mehre /gute Newezeitung / gut Geschrey / dauon man singet /saget vnd frölich ist Als da Dauid den grossen Goliath vberwand / kam ein gut Geschrey vnd tröstliche Newezeitung vnter das Jüdische volck / Das jr grewlicher Feind erschlagen / vnd sie erlöset / zu freude vnd friede gestellet weren / Dauon sie sungen vnd sprungen / vnd frölich waren.

ALso ist das Euangelium Gottes vnd new Testament / ein gute Mehre vnd Geschrey / in alle Welt erschollen / durch die Apostel / von einem rechten Dauid / der mit der Sünde / Tod und Teufel gestritten / vnd vberwunden habe / Vnd damit alle die / so in Sünden gefangen / mit dem Tode geplaget / vom Teufel vberweldiget gewesen / On jr verdienst / erlöset / gerecht / lebendig vnd selig gemacht hat / vnd da mit zu friede gestellet / vnd Gott wider heimbracht. Dauon sie singen / dancken / Gott loben vnd frölich sind ewiglich / So sie das anders feste gleuben / vnd im glauben bestendig bleiben.

SOlch geschrey vnd tröstliche Mehre / oder Euangelische vnd göttliche Newezeitung / heisst auch ein new Testament / darumb / Das gleich wie ein Testament ist / wenn ein sterbender Man sein Gut bescheidet / nach seinem tode den benanten Erben aus zu teilen. Also hat auch Christus vor seinem sterben befolhen vnd bescheiden / solchs Euangelium nach seinem Tode auszuruffen in alle Welt. Vnd damit allen / die da gleuben / zu eigen gegeben alles sein Gut / Das ist / sein Leben / damit er den Tod verschlungen /seine Gerechtigkeit / damit er die Sünde vertilget /vnd seine Seiligkeit / damit er die ewige Verdamnis vberwunden hat. Nu kan je der arme Mensch / in Sünden / Tod vnd zur Helle verstricket / nichts tröstlichers hören / denn solche thewre / liebliche Botschafft von Christo / Vnd mus sein hertz von grund lachen vnd frölich darüber werden / wo ers gleubet / das war sey.

NV hat Gott solchen glauben zu stercken / dieses sein Euangelium vnd Testament / vielfeltig im alten Testament / durch die Propheten verheissen / Wie S. Paulus sagt Rom. j. Jch bin ausgesondert zu predigen das Euangelium Gottes / welchs er zuuor verheissen hat durch seine Propheten / in der heiligen Schrifft /von seinem Son / der jm geboren ist von dem samen Dauid etc.

VND das wir der etliche anzeigen / Hat ers am ersten verheissen / da er saget zu der Schlangen / Gen. iij. Ich wil Feindschafft setzen zwischen Dir vnd dem Weibe / vnd zwischen deinem Samen vnd jrem Samen / Der selb sol dir den Kopff zutretten / Vnd du wirst jn in die Versen stechen. Christus ist der Same dieses Weibes / der dem Teufel sein Kopff / das ist /Sünde / Tod / Helle / vnd alle seine Krafft zutretten hat / Denn on diesen Samen kan kein Mensch der Sünde / dem Tod / noch der Hellen entrinnen. Gen. 3.

JTem / Gen. xxij. verhies ers Abraham / Durch deinen Samen / sollen alle Völcker auff Erden gesegnet werden. Christus ist der Same Abrahe / spricht S. Paulus Gal. iij. Der hat alle Welt gesegnet / durchs Euangelium. Denn wo Christus nicht ist / da ist noch der Fluch / der vber Adam vnd seine Kinder fiel / da er gesündiget hatte / das sie alle zumal der Sünde /des Tods / vnd der Hellen schüldig vnd eigen sein müssen. Wider den Fluch / segnet nu das Euangelium alle Welt / da mit / das es rüffet öffentlich / Wer an diesen Samen Abrahe gleubet / sol gesegnet / das ist /von Sünde / Tod vnd Helle los sein / vnd gerecht / lebendig vnd selig bleiben ewiglich. Wie Christus selbs sagt / Johan. xj. Wer an mich gleubet / der wird nimer mehr sterben. Gen. 22; Joh. 11.

JTem / So verhies ers Dauid ij. Sam. vij. da er saget / Jch wil erwecken [244a] deinen Samen nach dir / Der sol meinem Namen ein Haus bawen. Vnd ich wil den Stuel seines Königreichs bestetigen ewiglich. Ich wil sein Vater sein / vnd er sol mein Son sein etc. Das ist das reich Christi / dauon das Euangelium lautet / ein ewiges Reich / ein Reich des Lebens / der Seligkeit vnd Gerechtigkeit / dar ein komen aus dem Gefengnis der Sünde vnd Todes / alle die da gleuben. 2. Reg. 7.

SOlcher verheissung des Euangelij / sind viel mehr auch in den andern Propheten. Als Micheas. v. Vnd du Bethlehem Ephrata / die du klein bist / gegen den tausenten in Juda / Aus dir sol mir komen / der in Jsrael Herr sey. Mich. 5.

JTem / Hosee am xiij. Jch wil sie erlösen aus der Hellen / vnd vom Tod erretten. Tod ich wil dir ein Gifft sein / Helle ich wil dir eine Pestilentz sein. Hosee 13.

SO ist nu das Euangelium nichts anders / denn eine Predigt von Christo / Gottes vnd Dauids Son / warem Gott vnd Mensch / der fur vns mit seinem sterben vnd aufferstehen / aller menschen Sünde / Tod vnd Helle vberwunden hat / die an jn gleuben. Das also das Euangelium eine kurtze vnd lange Rede mag sein /vnd einer kurtz / der ander lang beschreiben mag. Der beschreibets lang / der viel werck vnd wort Christi beschreibet / Als die vier Euangelisten thun. Der beschreibets aber kurtz / der nicht von Christus wercken / sondern kürtzlich anzeiget / wie er durch sein sterben vnd aufferstehen / Sünde / Tod vnd Helle vberwunden habe / denen / die an jn gleuben / Wie S. Petrus vnd Paulus.

DARumb sihe nu drauff / Das du nicht aus Christo einen Mosen machest / noch aus dem Euangelio ein Gesetz oder Lerebuch / wie bis her geschehen ist /vnd etliche Vorrede auch S. Hieronymi sich hören lassen. Denn das Euangelium foddert eigentlich nicht vnser werck / das wir da mit from vnd selig werden /Ja es verdampt solche werck / Sondern es foddert den glauben an Christo / Das derselbige fur vns / Sünde /Tod vnd Helle vberwunden hat / vnd also vns nicht durch vnser werck / sondern durch sein eigen werck /sterben vnd leiden / from / lebendig vnd selig machet / Das wir vns seines sterbens vnd Siegs mügen annemen / als hetten wirs selbs gethan.

DAS aber Christus im Euangelio / dazu S. Petrus vnd Paulus viel Gebot vnd Lere geben / vnd das Gesetz auslegen / Sol man gleich rechnen allen andern wercken vnd wolthaten Christi. Vnd gleich wie seine werck vnd Geschichte wissen / ist noch nicht das rechte Euangelium wissen / Denn da mit weistu noch nicht / das er die Sünde / Tod vnd Teufel vberwunden hat. Also ist auch das noch nicht das Euangelium wissen / wenn du solche Lere vnd Gebot weissest / Sondern wenn die stim kompt / die da sagt / Christus sey dein eigen mit leben / leren / wercken / sterben / aufferstehen / vnd alles was er ist / hat / thut vnd vermag.

ALso sehen wir auch / Das er nicht dringet / sondern freundlich locket / vnd spricht / Selig sind die Armen etc. Vnd die Apostel brauchen des worts / Jch ermane / Jch flehe / Jch bitte / Das man allenthalben sihet / wie das Euangelium / nicht ein Gesetzbuch ist /sondern eigentlich eine Predigt von den wolthaten Christi / vns erzeiget vnd zu eigen gegeben / so wir gleuben. Moses aber in seinen Büchern treibet / dringet / drewet / schlecht vnd straffet grewlich / denn er ist ein Gesetzschreiber vnd Treiber.

DA her kompts auch / das einem Gleubigen kein Gesetz gegeben ist / da durch er gerecht werde fur Gott / wie S. Paulus sagt / j. Timoth. j. Darumb das er durch den glauben gerecht / lebendig vnd selig ist. Vnd ist jm nicht mehr not / denn das er solchen glauben mit wercken beweise. Ja wo der glaube ist / kan er sich nicht halten / er beweiset sich / bricht er aus durch gute werck / bekennet vnd leret solch Euangelium fur den Leuten / vnd waget sein leben dran. Vnd alles was er lebet vnd thut / das richtet er zu des Nehesten nutz / jm zu helffen. Nicht alleine auch zu solcher gnade zu komen / Sondern auch mit leib / gut vnd ehre / wie er sihet / das jm Christus gethan hat /vnd folget also dem exempel Christi nach.

DAS meinet auch Christus / da er zur letze kein ander Gebot gab / denn die Liebe / Daran man erkennen solte / wer seine Jünger weren / vnd rechtschaffene gleubigen. Denn wo die werck vnd liebe nicht er ausbricht / da ist der glaube nicht recht / da hafftet das Euangelium noch nicht / vnd ist Christus nicht recht erkandt. Sihe / nu richte dich also / in die Bücher des newen Testaments das du sie auff diese zu lesen wissest. [244b]


Quelle:
Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. 2 Bände, München 1972.
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