1.

[331] Ehe die Sitte aufkam, die neugebornen Kinder sogleich durch die Hebammen einsegnen zu lassen, vertauschten oft die Zwerge die Kinder mit ihren Kindern. Dabei waren sie sehr listig. Ward nämlich ein Kind geboren, so kniffen sie draußen einer Kuh in die Ohren. Liefen die Leute nun wegen des Gebrülls hinaus, so schlich sich der Zwerg herein und vertauschte das Kind. Da traf's sich aber einmal, daß der Vater es gewahr ward, wie sein Kind aus der Stube getragen wurde. Noch eben zur rechten Zeit griff er zu und riß es an sich, und darauf hielt er auch das Kind des Unterirdischen fest, das bei der Wöchnerin im Bette lag, so sehr sich auch die Unterirdischen bemühten, das ihre wenigstens wieder zu bekommen. Als er den Hut des unterirdischen Kindes aufsetzte, konnte er sehen, wie die Zwerge rings um den Kaffeetisch zwischen den Frauen saßen und sich am aufgetragenen Kaffee gütlich taten.

Das Zwergenkind blieb lange Zeit da im Hause, wollte aber nicht sprechen. Da riet man den Pflegeeltern vor seinen Augen in einem Hühnerdopp einen Brau zu machen und das Bier dann in den Dopp eines Gänseeis zu gießen. Das geschah. Da machte der Zwerg erst allerlei Zeichen seiner Verwunderung, dann rief er aus:


Ik bün so oold

As de Behmer Woold,

Un heff in mien Lębn

So'n Bro nich sehn.
[331]

Einmal sah einer, wie eine Zwergin mit einem eingetauschten Kinde über eine Wiese ging. Das sah sonderbar genug aus. Denn sie konnte es nicht hoch genug halten, weil es zu lang war. Dabei rief sie immer dem Kinde zu:


Bœr op dien Gewand,

Dat du nich haakst

In den gęlen Orant.


Durch Dr. Klander in Plön. – Orant oder Dorant (antirrhinum oder marrubium) scheucht Wichtel und Nichse. S. Grimms Myth. S. 1164, wo fast gleichlautende Reime und Sagen aus Thüringen und Westfalen angeführt sind. Vgl. Nr. 445. Thiele, Danm. Folkes. I, 211. Schütze, Idiotik. III, 173 führt als Sprichwort an:


So oold

As de Bremer Woold.


Vgl. Grimms Kinder- und Hausm. Nr. 39, 3. Börner, Or lagau S. 201. Grimm, Deutsche Sagen Nr. 87. Kuhns Märk. Sagen Nr. 183. 184. Thiele II, 276 f. – Kielkröpfe (Wechselbälge) sollen an Kopf und Armen fortwachsen, sonst aber werden sie nicht höher als 2 Fuß.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 331-332.
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