1.

[27] Graf Klaas, Isern Hinriks Bruder, war gütig und freundlich gegen seine Untertanen. Wenn den Bauern von den Vögten Leid widerfahren war, so pflegten sie ihn in eigner Person zu besuchen und ihm die Sache vorzutragen; dann hörte er sie gerne. Wenn er sah, daß die Bauern nicht[27] zu ihm gelangen konnten, ging er zu ihnen hinunter, fragte sie was ihnen fehlte und entschied ihre Sache.

Als einmal die Dithmarschen ins Land fielen und plünderten, brachte er in Eile nur dreißig Reiter aus seinem Hofgesinde auf und ließ die Bauern in der Nähe aus der Wilstermarsch und Hademarschen aufbieten, die willig folgten, und zog dem Feinde nach. Zuvor aber schickte er einen Kundschafter aus. Als dieser wieder zurückkam, sagte er, der Feinde seien so viele, daß es unmöglich sei, sie zu schlagen. »Barmherziger Gott«, rief da der Graf nach seiner Gewohnheit aus, »wie erschreckst du uns doch so! folget mir nach, wir müssen doch sehn, wer die sind, die uns unser Gut stehlen.« Als sie nun den Dithmarschen nahe kamen, standen diese und hatten ihre Spieße in die Erde gesteckt und ließen die Spitzen sehen. Da hub Graf Klaas an: »Da sind die Metzen, die tanzen alle; lasset uns fröhlich alle den Reigen treten. Wird aber jemand ausdrehen und nicht mit in der Reihe bleiben, der soll nicht wert sein, daß wir ihn ferner unter uns leiden.« Und also ging es an den Tanz. Der Graf setzet seinen Spieß an und rennt auf die Dithmarschen zu; desgleichen taten seine Diener und die Bauern. Da war ein starker Dithmarsche in einer gestickten bunten Jacke. Den ersah sich der Graf und kämpfte eine Weile mit ihm. Endlich schlug er mit dem Schwerte ihn mitten voneinander, in einem Hiebe vom Kopfe bis zum Sattel. So wurden die Dithmarschen überwunden und flohen, obwohl sie die Übermacht waren. Die Schlacht geschah bei Tipperslo.

Lotterbuben und Schmeichler konnte Graf Klaas nicht leiden. Einmal kam ein solcher aus Dänemark zu ihm nach Itzehoe, und hatte kostbare Kleider und Ketten an, verziert mit den Wappen der dänischen Edelleute. Der Graf ließ ihn unten an der Tafel bei den Spielleuten sitzen und da die Mahlzeit geschehen war, schickte er ihm vier Schilling zum Trinkgeld. Da sprach einer von seinen Räten, daß es doch nicht schicklich wäre, einen solchen Mann mit so kleinem Biergelde gehn zu lassen; »wenn er zu andern Herren kommt, wird er von Eurer Kargheit sagen, und Euch in übles Gerücht bringen.« »Barmherziger Gott«, hat da der Graf geantwortet, »was sucht der Bube bei mir, dieweil er kostbarere Kleider trägt als ich? Wie kann er mir ein bös Gerüchte machen? Von mir kriegt er nicht mehr.«


Presbyter Bremens. bei Westphalen III, 107 ff. Albert Kranz, Saxon. X, 10.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 27-28.
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