1.

[247] An einem heißen Erntetage legten sich einige Knechte auf dem Felde nieder zum Mittagsschlafe. Da bemerkte einer, der nicht einschlafen konnte, wie sein Nachbar leise aufstand und einen Riemen umspannte, worauf er zum Wolfe ward. Auf einer Weide nebenan ging eine Stute mit einem Füllen. Der Wolf lief auf sie zu, kämpfte lange mit der Stute, ergriff zuletzt das Füllen und ruhte nicht eher, als bis er es mit Haut und Haar[247] aufgefressen. Darauf legte er sich wieder nieder zum Schlafen. Bald darauf aber erwachten die andern und es sollte nun wieder an die Arbeit gehn. Aber der Knecht, der den Wolfsriemen hatte, bat, sie möchten ihn noch ein wenig liegen lassen, es sei ihm noch gar nicht recht bequem. »Ja«, sagte der andre, der ihn beobachtet hatte, »das glaub' ich wohl, wenn einer ein ganzes Füllen im Leibe hat.« »Das ist dein Glück, daß du das nicht eine Viertelstunde eher gesagt hast«, antwortete jener und drohte ihm wenn er etwas verraten würde.


Mündlich aus Marne in Dithmarschen, aus Niederselk bei Schleswig durch Kandidat Arndt, aus Osterrade bei Bovenau, aus Kiestrup, Amts Hadersleben, durch Herrn J.F. Lorenzen – Grimm, Deutsche Sagen Nr. 213. Kuhns Märk. Sagen Nr. 243. Harrys Sagen Niedersachsens I, Nr. 34.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 247-248.
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