Zehnte Scene.

[276] Schloßhof.

Mathilde, die Ritter, Herold.


MATHILDE. Edle Ritter, was ist nun euer Ausspruch über diesen Kampf und Golo's Ehre?

RITTER. Golo hat mit Blut und Leben behauptet seine Ehre, Carl hat vor Gott gefrevelt und seinen Frevel bezahlt.[276]

MATHILDE. Laut gesagt, damit's der Herold dem Volk verkündige!

HEROLD bläst.

MATHILDE. Da kommt mein Falke, über und über voll Beute.


Golo schmeißt Carls Waffen nieder.


GOLO. Tragt sie weit davon, werft sie weg ... nein, hängt sie über die Thore, damit Andre Abscheu tragen, mich herauszufodern! Ich will keinen mehr umbringen, habe schon zu viel gethan.

MATHILDE. Die ganze edle Ritterschaft hier empfängt dich mit aller dir gebührenden Ehre.

RITTER neigen sich.

GOLO. Gilt mir gleich.[277]

MATHILDE. Meine Herrn, der Auftritt hier ist zu traurig, Golo noch zu sehr mit Blut besudelt, als daß er jetzt den freundlichen Hauswirth machen und euch gleich hinein zum aufgedeckten Mahl begleiten könnte; tretet also lieber von selbst hinein, ohne weitre Ceremonien. Erlaubt uns, daß wir in wenigen Augenblicken euch folgen.

RITTER. Wir ehren euern Befehl, nehmen eure Höflichkeit mit Dank an. Treten hinein.

MATHILDE. Kein Befehl, freundliche Bitte, Güte von eurer Seite.

GOLO. Recht so, ohne Ceremonien.

MATHILDE. Sind wir allein? Daß ich mich nicht satt an dir schaue! Das beste Juwel werf' ich heut vor Freude in die Mosel. Du hast mich noch nicht bewillkommt, Golo, einen Kuß! Eine Mutter darf wohl stolz seyn, so einen Sohn zur Welt gebracht zu haben, wie du.[278]

GOLO. Mathilde! Bin so blutig! Siehst du?

MATHILDE. Einen Kuß her! Bin eine Löwin, die ihr Junges herzt, das ihre Beute heimbringt.

GOLO. Ha! Dort tragen sie ihn hin! Der Alte mit seiner Tochter nach, Alles still jetzt; – ihn weckt nicht mehr der Jägerruf in Bergen.

MATHILDE. Komm' herein.

GOLO. Geh' nur.

MATHILDE. Warum willst du nicht gleich mit? Was seufzest, knirschest, weinst?

GOLO schlägt auf's Herz. Ach hier! Hier! Wie ein Hammer und es wird noch immer gewaltiger. Noch knirscht's in meinen[279] Ohren, das Schwert durch seinen Busen, seine blauen hilfebittenden Augen rollten in ... oh! Wie bin ich der Schlange Genovefa immer mehr wild! Könnt' ich sie nur ganz aus meinem Andenken vertilgen, dann würde mir wohl! Die Mörderin! Sie zwang mich zu morden, sie ist mein Unstern, der mich von einem Jammer zum andern treibt. Ich wollt', sie läge tief begraben, wollte den küssen, der mir die Bothschaft brächte, sie wär' nicht mehr!

MATHILDE. Her mit, will's verdienen.

GOLO. Ist's schon mit ihr gethan?

MATHILDE. Was nicht ist, soll bald seyn, wir dürfen ohnehin länger nicht mehr säumen. Siegfried ist schon aufgebrochen, hat seiner Wunde ungeachtet sich herwärts auf den Weg gemacht; Heinrich berichtet mir's, mit dem Anhang in des Grafen Namen, das gegen Genovefa ausgefertigte Urtheil zurück zu halten, sie selbst aber bis zu seiner Ankunft auf freyen Fuß zu stellen.[280]

GOLO. Was hilft's denn nun All'? Jetzt hab' ich umsonst gemordet. Wir sind jetzt in eigner Falle gefangen.

MATHILDE. Pah! Nur schnell jetzt das Urtheil an ihr vollstreckt, wir sagen nachher, wir haben vom Widerruf nichts gesehn. Den Bothen, der diese Nach richt brachte, schickt' ich gleich, ohne daß ihn hier jemand bemerkt, auf meine Burg hinüber, wo man ihn so lange fest hält, als wir's in der Sache für gut finden.

GOLO. Zu all' den Dingen hast du mehr Verstand und Geschick als ich. Wo's auf Fechten ankommt, oder irgend sonst eine männliche Arbeit zu thun ist, da laß mich voran; treibe alles Uebrige nach deinem Gutdünken.

MATHILDE. Sie sollte nach dem Urtheil und Gesetz öffentlich am hellen Tage gerichtet werden.

GOLO. Hm, wie ist's?[281]

MATHILDE. Hinaus in den freyen Wald geführt, sie samt ihrem Kind durchstochen, zusammen in eine Grube geschmissen.

GOLO. Nichts weiter! Sage mir nichts weiter davon. Oh! Eine einzige Leidenschaft hat mich zu Grunde gerichtet, eine arme geringe Neigung. Was ist's um all' meinen Stolz, Hoffnung, die fröhliche Aussicht in die Zukunft? Traum am Erwachen. Es läuft doch Alles in einen Tod, Leben, Liebe, Jammer und Elend und auch der Tod; das Glück ruht mit der Scheibe länger oft an niedriger strohgedeckten Hütte und läuft stolzen Pallästen vorbey. Was war ich nicht? In dieser Jugend! Wer kann hoffen, wenn in des Frühlings Knospe schon ein Wurm gräbt? – Wohlan, sey auch gerecht, du droben! Laß Schuld tragen, wer schuldig ist; ich war lange schon ein verstümmelt Werkzeug, zu richtigem Gebrauch verdorben. Begrabt sie doch tief! Fort mit ihr! Fort! Verbrennt sie mit Feuer! Ihre Augen, die mich irre geleitet, ihren verführerischen Schlangenleib, der aussen gleißt und inwendig von schwarzem Gift erfüllt ist.

MATHILDE. Du geräthst ausser dich. Golo, achtsam, damit du dich nicht vor Bedienten vergissest! Ueberall folgen[282] Spuren unsrer Fährte. Ich muß jetzt gleich nur zusehn, daß ich ein paar Kerle auftreibe, die diese Nacht die That übernehmen. Ich hab mich anders besonnen; es ist doch besser, es geschieht bey Nacht. Wenn ich nur gleich ein paar rechte Kerls wüßte. Steffen vertrau' ich's nicht allein. Weißt du keine?

GOLO. Da fällt mir was ein. Ich ritt am Morgen jüngst dem Walde zu, drunten an der Thalmühle vorbey; ich saß so in Gedanken immerhin, auf einmahl stiegen aus dem Graben neben meinem Rappen zwey Bettler herauf, wild und rauh starrten Haar und Bart, ihr Anblick scheußlich wie die Grimasse eines Gefolterten; Mord saß in den düstern Winkeln ihrer borstigen Augbrauen, sie glichen zween Geistern aus der Catilinarischen Verschwörung. Mein Rappe scheute, ich griff an's Schwert vor ihrem Anblick; damahls dacht' ich bey mir selbst: hätte einer schrecklichen Vatermord im Sinn, es wären Kerls darnach, so was auszuführen. Ich hörte nachher, daß es Galgenentronnene Straßenräuber wären, die sich dort herum genistet.

MATHILDE. An der Thalmühle? Du erinnerst mich, es sind die nämlichen Kerls, die mir Steffen jüngst ausgemacht,[283] meinem Mädel nachzusetzen; sie haben's gut ausgerichtet, ich muß mich gleich nach ihnen erkundigen. – Heut Nacht diese Arbeit noch, dann ist's vorbey, und hernach können wir ruhn.

GOLO. Glaubst du?

MATHILDE. Sicher.

GOLO. Weh! Was für ein Leben! Ab.

MATHILDE. Was man für Mühe hat. Ja, das muß nicht vergessen werden, gleich Anstalt machen, daß es so geschwind als möglich ... daß heut noch Carls Leichnam unter die Erde kommt, damit's des Laufens und Forschens drüber desto eher ein Ende hat. Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 276-284.
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