Sechste Scene.

[179] Yngurd. Alf. Gyldenbrog von Nös und Biörneland durch den Haupteingang eingeführt. Bald darauf Irma mit Asla aus der Gallerie rechts. Dann aus der Gallerie links Oskar mit Ourdal, hinter ihnen Kurl, welcher Oskars Schwert trägt, und zuletzt Marduff, der sich immer im Hintergrunde hält. Bei dem Oeffnen des Haupteingangs steht man im Vorgemach wachthabende Trabanten und Volk.


NÖS.

Ha, welch' ein Anblick! werth, in Bild und Liede

Verewigt, spät die Enkel zu entzücken!


Sehr laut, nach dem Eingange gewendet.


Alf Yngurds Sohn! und Fried' in Norweg!

DAS VOLK im Vorgemach mit einstimmigem Jubelruf.

Friede!

YNGURD sich zu den eingetretenen Frauen wendend.

Das, Alf, ist Asla.[180]

ALF im Begriff die Frauen zu begrüßen, bleibt mit dem Ausdruck des Erstaunens vor Asla stehen.

Wollt ihr mich berücken,

Euch Danland abzutreten? – – Königin,

Um eure Tochter feierlich zu werben,

Bin ich gekommen. Mit verwirrtem Sinn

Steh' ich vor ihr, die nicht auf dieser Erde

Geboren scheint, und meine Wangen färben

Sich glühend roth, daß ich nicht würdig bin

Zu seyn, was ich, wenn ihr mich Sohn nennt werde.

IRMA.

So nenn' ich euch; es ist des Königs Wille.

ALF.

Des Königs? – Seine Briefe gaben mir

Die Hoffnung, daß ihn Asla gern erfülle.

ASLA.

Mit diesem Zweifel, König, gebet ihr

Mir die Gewißheit, daß des Vaters Wahl

Werk seiner Lieb' ist.


Oskar tritt ein, ohne von Alf bemerkt zu werden.
[181]

ALF.

Asla mein Gemahl?

Mit freiem Willen mein des Nordlands Krone?

Bei Gott! zum Aberglauben könnte mich

So unerwartet hohes Glück verleiten!

YNGURD.

Wie meint ihr das?

ALF.

Ein Blinder, wunderlich

In Wort und Wesen, hat mir prophezeit,

Als ich mein Schiff zur Abfahrt ließ bereiten

Nach Ostland. »Könige« sprach er, »dieser Streit

Gilt Ostland nicht; du hast des Ottfried Sohne

Gewidmet Arm und Schwert. Ob dir auch Sieg nicht lohne;

Du bringst in Ottfrieds Länder gute Zeit,

Und freie Wahl reicht dir des Nordlands Krone.«

OSKAR.

Bestraft den Blinden, Ohm! Er hat gelogen:

Denn nicht für mich habt ihr das Schwert gezogen,

Und um ein Weib verhandelt ihr den Neffen.


Alle sehn ihn erstaunt an.
[182]

YNGURD.

Wie sagt ihr, Jüngling? Was ihr fordern könnt,

Wird königlich der Sieger übertreffen.

Vor eurem Arm legt' er die Waffen nieder,

Reichsstand von Ourdal. Gebt sein Schwert ihm wieder,

Und seid der erste, der sein Glück ihm nennt.

OURDAL nimmt von Kurl das Schwert, feierlich.

Heil euch, mein Fürst! Einst Norwegs König!

OSKAR.

Einst?

Du irrst gewaltig, Yngurd, wenn du meinst,

Zum zweiten Male deinen Feind zu fangen.

Der König Einst ist nicht nach meinem Sinn,

Nicht künftig werden will ich, was ich bin,

Seit König Ottfried ist zu Grab gegangen.

ASLA vor sich.

Ha! Was wird das?

BIÖRNELAND zu Nös.

Hat ihn ein Gott verwandelt?

Aus Thon in Erz?[183]

YNGURD.

Alf, heißt den Knaben schweigen!

Unmündig Alter hat nicht Mund im Rath.

GYLDENBROG.

Verzeihet, Herr, mit Oskars Jahren hat

Der Sohn das Recht, auf Vaters Thron zu steigen;

Mithin auch Mund, wo davon wird gehandelt.

OSKAR.

Was ist zu handeln? Ich bin Ottfrieds Kind!

Ich war noch nicht, als Ottfried diesen krönte,

Und ob mein Oheim sich mit ihm versöhnte,

Die Länder Norwegs sind für mich gesinnt,

Und haben, mächtig aufgeregt von oben,

Für Ottfrieds Stamm das freie Schwert erhoben.

YNGURD.

Unsinniger! Du bist in meiner Hand,

Das Loos des Kriegs hat wider dich gerichtet.

OSKAR.

Wenn Völker hadern über Gut und Land,

Dann ist's die Fehde, die den Zwiespalt schlichtet,[184]

Blind wie der Fall des Würfels. Anders ist's

Mit Königsrecht, das, heilig wie der Glaube,

Im Busen der Gerechten ist gegründet,

Auf daß es unantastbar sei dem Raube.

Ob ihr den König auch mit Ketten bindet;

Doch bleibt er König. Richter solchen Twists

Ist Gott, und freie Volkswahl seine Stimme.

YNGURD ausbrechend.

Ha, Schlange, die mit gift'ger Zunge ficht!

Wag's, dich zu messen mit des Löwen Grimme!

Wenn er dich faßt, zerreißt er dich in Stücken.

GYLDENBROG.

Erlaubet, Herr! Ein Rechtsstreit will Gericht.

YNGURD außer sich, zuckt das Schwert.

Weß ist der Mund, der so mit Yngurd spricht?


Die Reichsherren treten vor.


OURDAL.

Herr, fasset euch! Ihr dürft das Schwert nicht zücken

Vor dem Gesandten einer fremden Macht.[185]

NÖS.

In Beisein seines Herrn!

BIÖRNELAND.

Vor euren Ständen!

ALF.

Ihr gingt zu weit, fürwahr.

YNGURD vor sich, mit krampfhafter Anstrengung, sich zu bezwingen.

O, Geist der Nacht!

Was peinigst du? Ich bin in deinen Händen.

GYLDENBROG zu Alf.

Das Gastrecht, Herr, ist schwer verletzt an euch,

Scheut blinde Wuth, ersparet Schmach dem Reich!

ALF.

So unerwartet kühnes Widerstreben

Entschuldigt Zorn. –


Zu Yngurd gewandt.


Ich bin erstaunt, wie ihr.

Was, mädchenhafter Jüngling, hat die Gier

Nach einer Kron' erweckt in deiner Brust?[186]

OSKAR.

Was weckt' in euch, mannhafter Ohm, die Lust

So zarter Jungfrau eure Hand zu geben?

Ihr suchet Mildes, weil ihr mächtig seid;

Mich, weil ich mild bin, lockt die Macht, sie beut

Mir weitern Raum für schöpferische Triebe.

ALF.

Die Macht will Macht im Busen, die sie übe,

Auch da, wo Noth sich mit dem Recht entzweit,

Und Härte fordert von der Menschlichkeit.

Wer leiht dir diese Macht?

OSKAR sich vergessend.

Die Allmacht, Liebe!

Ein Weltall auf der Hand zu tragen, giebt

Ihr Odem Kraft dem, der ihn hat empfunden –

ALF.

Die Liebe, sagst du?

OSKAR schnell gefaßt.

Ja! Ich bin geliebt

Von meinem Volk. Ich hab' es überwunden

Mit meinem Anblick. Daß ich Oskar bin,

Mit regem Geist, und menschlichä-mildem Sinn,[187]

Hat mir das Reich zur Folgsamkeit gebunden.

Lieb' ist die Macht, mit der ich herrschen kann,

Daß ungebraucht verroste Schwert und Beil.

Laßt Norweg wählen zwischen Ruhm und Heil,

Hört Städt' und Land, setzt einen Reichstag an

Statt einer Hochzeitfeier! Nehmt die Stände

Zu Richtern, daß Vernunft den Zwiespalt ende!


Kurze Stille. Die Blicke der Reichsherren sind mit dem Ausdruck des höchsten Antheils auf Oskar gerichtet. Irma und Asla sehn mit ängstlicher Erwartung auf Yngurd. Alf und Gyldenbrog haben ihn ebenfalls im Auge.


YNGURD.

Was von des Jünglings Ford'rung sei zu halten,

Laßt eure Meinung hören, Reichsgewalten.

NÖS.

Herr, wir sind überrascht – unvorbereitet –

YNGURD.

Ihr?

Hätt' er es euch so schlau verhehlt, wie mir,

Daß euer Herr zu seyn es ihn gelüstet?[188]

BIÖRNELAND.

Ich würd' es sagen, wenn es anders wär'.

Um das euch zu beweisen, sag' ich mehr,

Fest überzeugt, daß ihr euch nicht entrüstet.

Des Fürsten Ford'rung kommt gerecht mir vor;

Denn König Urd, Ahnherr von Dan und Nor,

Der, wie ihr wißt, Herr war von beiden Reichen,

Verordnet in dem Grundgesetz, das wir

Gemein mit Danland haben: »Für und für

Soll Erbzwist um das Reich sich vor dem Reich vergleichen.«

YNGURD nach kurzer Pause, kalt.

Nös! Schreibt den Reichstag aus. – Wir wollen hören,

Wen von uns Beiden Norweg mag entbehren.

Der Aufruhr, Kanzler, den ihr angefacht –

Wahrt euch, durch ihn den Gang des Rechts zu stören.

Bis dahin bleibt Oskar in meiner Macht,

Nach Kriegsgebrauch.


[189] Ourdal giebt Oskars Schwert an Kurl zurück.


Ihr seid entlassen, Grafen.


Die Reichsherren treten ab.


Euch, König, wird die Burg als Gast verehren,

So lang' ihr wollt. Den Ausgang nach dem Hafen

Besetzt durch die Bemannung eures Schiffs, auf daß

Herr Gyldenbrog um euch mag ruhig schlafen.

ALF zum Kanzler.

Ich bleib' in Auslo, geht, besorget, was

Mein Entschluß nöthig macht. –


Gyldenbrog geht.


Vielholde Frauen,

An eurer Hand laßt mich das Haus beschauen,

Denn Wichtiges beschäftigt seinen Herrn.

ASLA, die, im Begriff mit Alf und Irma abzugehen, rasch und dringend zu ihrem Vater sich wendet.

Laß Oskar uns begleiten, Yngurd!

YNGURD.

Gern.

Ich will nicht, daß er strenger sei gehalten,[190]

Weil freier seine Wünsche sich entfalten.


Oskar geht mit Asla rechts ab, wie Alf und Irma; Kurl links, Marduff bleibt


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 179-191.
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