Einundzwanzigster Auftritt


[94] Die Vorigen ohne den Vorbeter.

Die Dämmerung ist inzwischen eingetreten, und Schēfakā hat das Feuer höher geschürt, damit man sehen könne. Das ist die Zeit des Moghreb, des Gebetes kurz nach Sonnenuntergang. Der Scheik der Todeskarawane hält sich abgesondert und beschäftigt sich sehr angelegentlich, aber keineswegs in auffälliger Weise, mit der Oertlichkeit. Es scheint, als ob er auf die Andern gar nicht achte. Der Hākawāti sitzt still an seinem Platze. Die Andern stehen im Vordergrunde und beobachten, was hinten geschieht. Dort kommt die Phantasie mit Schēfakā wieder aus dem Zelte, vor dessen Männerabteilung der helle Vorhang herabgelassen wird,

weil auf ihm, von innen erleuchtet, sich die Schatten bilden sollen. Die Phantasie klatscht in die Hände, worauf die Schattenspieler erscheinen. Sie bleiben im Hintergrunde und werden von ihr instruiert. Einige von ihnen tragen die Requisiten fort, weil sie nicht gebraucht werden. Einige verkleiden sich. Man sieht, daß sie die Gestalten des Scheik, des Imām, des Kādi und auch Babels nachahmen. Inzwischen wird im Vordergrunde

weitergesprochen.


SCHEIK.

Nun haben nur noch die Schukūk zu kommen,

Dann sind wir aller unsrer Freunde sicher.

Die Todeskarawane – – –

BABEL einfallend.

Die wird wirken!

IMĀM.

Ihr Scheik gefällt mir!

KĀDI.

Hat es innerlich![94]

SCHEIK.

Und diese Phantasie – – –

IMĀM fällt ein.

Die paßt!

KĀDI.

Die paßt!

SCHEIK.

Beweise erst, Beweise!

BABEL.

Wird sie geben!

SCHEIK.

Ich bin gespannt!

IMĀM.

Ich auch!

KĀDI.

Ich auch!

BABEL.

Sie kommt!


Man hört die Gebetsbretter läuten. Die Phantasie kommt nach vorn. Schēfakā trennt sich von ihr, um vorzubereiten.


PHANTASIE zum Scheik.

Du wolltest eure Schatten von mir sehen,


Auf die betreffenden Spieler zurückdeutend.


Sie kleiden sich jetzt an. Doch warne ich.

Ich lasse sie auch sprechen. Darf ich das?

BABEL.

Gewiß!

IMĀM.

Gewiß!

KĀDI.

Gewiß!

SCHEIK.

Das wird ja lustig![95]

Ich sehe schon daß du mich treffen wirst!


Er schaut nach dem Hintergrunde, wo sein Ebenbild soeben vollendet wird. Auch die Porträts der Andern sind fertig und verschwinden in der Männerabteilung des Zeltes.


BABEL über sein Konterfei lachend.

Mich auch!

IMĀM ebenso.

Mich auch!

KĀDI ebenso.

Mich auch!

SCHEIK.

Doch bitte ich,

Daß sich zum Scherz auch etwas Ernst geselle!

PHANTASIE.

An Ernst soll es nicht fehlen – – – sicher nicht!

SCHEIK.

Und wann beginnst du?

PHANTASIE.

Gleich nach dem Gebete.


Kehrt nach dem Hintergrunde zurück.


SCHEIK.

So laßt uns Plätze schaffen!

IMĀM.

Plätze!

KĀDI.

Plätze![96]

Quelle:
Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May. Freiburg i.Br. 1906, S. 94-97.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Babel und Bibel
Babel und Bibel: Arabische Fantasia in zwei Akten

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon