II.

[850] Das Bett des Baches war hart und felsig, so daß nicht der mindeste Eindruck eines Pferdehufes zurückblieb. Der Wald wurde dichter und immer dichter, trat vollständig bis an das Wasser heran und war so mit Unterholz bestanden, daß sich kein offenes Plätzchen finden ließ, an welchem wir hätten landen können. So ritten wir wohl eine Viertelstunde lang gegen den Wellenlauf, bis die ringsum herrschende Stille plötzlich unterbrochen wurde:

»Who is there?« rief uns eine Stimme an, ohne daß ich den Frager bemerken konnte.

»The two Sams, altes Coon!« antwortete Sam Thick, indem[850] er mit dem Laufe seiner Büchse in das Buschwerk stach. »Mach' auf, Jim Polter!«

Das, wie ich jetzt bemerkte, nur zum Maskiren des Einganges vorgesteckte Gesträuch verschwand von einer Stelle zur Rechten, und wir ließen unsere Pferde an das Ufer steigen.

»Welcome, Sam, welcome! Zurück aus dem Cannon, Alle oder nur Ihr? Was, ein Fremder!«

»Wirsts nachher hören, Jim, nachher; aber mach' das Loch zu; es sind Yankatous unten in der ›Bucht;‹ wollen uns ihre Felle bringen, wie ich schätze!«

Sofort brachte der Mann die Büsche wieder in ihre vorige Lage zurück; wir aber ritten weiter. Vor uns lag eine jener kleinen Lichtungen, welche man mit dem Namen storm-gap zu bezeichnen pflegt, und die dadurch entstehen, daß eine vom Winde gefaßte Riesenbauminsel ihre weniger hohe Umgebung mit niederreißt und so mitten im Urwalde einen Platz bildet, der mit Hilfe von Axt und Feuer in eines jener hiding-holes oder hide-spots umgewandelt werden kann, welche von den Jägern so gern als perennirender Lagerort und Versteck vor den Nachspürungen der Indianer benutzt werden.

Inmitten des freien Platzes brannte ein »weißes« Feuer, um welches sich mehrere ächte Woodlandsgestalten in den bequemsten Stellungen versammelt hatten. Der Saum der Lichtung war vollständig undurchdringlich gemacht, und als mein Auge ihn rundum musterte, gewahrte ich im äußersten Hintergrunde eine kleine Blockhütte, unter deren Thür zwei Männer standen, die ihr Auge auf uns gerichtet hielten.

»Die Both Shatters, Sir,« meinte Sam Thick, nach ihnen deutend. »Kommt, wir müssen zunächst zum Rapport zu ihnen!«

»Rapport zu ihnen!« wiederholte der Lange, welcher seine Zusammengehörigkeit mit dem Dicken am Besten auf diese Weise in das Licht zu stellen glaubte.

Die beiden Männer kamen uns auf einige Schritte entgegen. Mochte die Fama auch übertreiben, so wie sie jetzt vor mir standen, war ihnen mehr als hundert Andern zuzutrauen.

Der Vater war eine wirklich hünenhafte Gestalt. Langes weißes Haar wallte ihm bis auf die breiten Schultern herab; der Strahl seiner großen blauen Augen war noch vom Alter nicht ermattet; Sturm und Wetter, Schnee und Regen, Hitze und Kälte hatten seine festen Züge gegerbt, und jeder Zollbreit seiner riesigen Figur zeugte von einer Kraft, die weder Zeit noch Anstrengung zu schwächen vermocht hatte.

Der Sohn war beinahe so hoch, jedenfalls aber ebenso reckenhaft wie er. Er trug sein dichtes schwarzes Haar lang gehalten und in einen Knoten geschlungen wie das der Indianer; sein volles, dabei aber scharfes Gesicht war von der Sonne, vielleicht auch von der Abstammung gebräunt, denn seine ausgewirkten Züge verriethen den Mestizen; das eng anliegende Elennwamms ließ seinen breiten Brustbau hervortreten, anstatt ihn zu verbergen, und jede seiner Bewegungen war plötzlich, gewandt und kräftig, wie diejenige des Jaguar, der den Feind vor sich sieht.

Der Beginn des Gespäches war ein ganz anderer, als ich erwartet hatte. Der Blick des älteren der »Both Shatters« war von mir auf meinen Mustang gefallen.

»Swallow?« rief er erstaunt; »wahrhaftig, es ist Swallow! Wie kommt Ihr zu dem Thiere, Sir?« Seine Augen leuchteten mich an, als wolle er mich mit dem Verdachte, der in ihm aufstieg, versenken.

»Ich erhielt ihn von Winnetou, einem Häuptling der Apachen, mit dem ich ein Weniges am Rio Suanca zusammenkam.«

»Sein bestes Pferd hätte er Euch gegeben? Dann müßt Ihr ihm einen hochwichtigen Dienst geleistet haben!«

»Er war von einem Stämmlein Athabaskas überfallen und sollte an den Marterpfahl. Ich kam dazu und – na, das Andere könnt Ihr Euch denken! Ich bin dann mit ihm weit herumgestrichen, habe an ihm einen vortrefflichen Lehrmeister gehabt und beim Abschiede Swallow von ihm erhalten.«

»Ich kenne Euch nicht, Sir, und was Ihr erzählt kann ausgesonnen sein. Winnetou hat nicht einmal mir das Pferd angeboten; verkauft aber hätte er es um keinen Preis, denn das Thier findet seinesgleichen nicht, so weit die Savanne reicht, und wer auf ihm vor Josias Shatter erscheint, gilt als der Mörder des Apachen. Könnt Ihr Euch von diesem Verdachte reinigen?«

Ich trat um einen Schritt zurück und fuhr mit der Hand nach dem Messer.

»Sir, sagt dies Wort noch ein einziges Mal, und Ihr sollt Gelegenheit haben, die Schärfe meiner Klinge mit der Eures Bowiekneifes zu vergleichen! Wie soll ich hier am Yellow Stone den Beweis liefern, daß mir Swallow vor einem Jahre am Rio Suanca geschenkt wurde?«

Sein Auge schien mir bis in die Seele dringen zu wollen.

»Es gibt einen Beweis. Hat Euch Winnetou lieb gehabt, so sind seine schweigsamen Lippen offen für Euch gewesen. Kennt Ihr seinen größten Feind?«

»Ihr meint Scha-tunga, den Häupling der Yankatou, der ihm die Schwester mordete, weil sie nicht sein Weib, sondern das eines weißen Jägers wurde?«

»Und wer war dieser weiße Jäger?«

»Josias Parker, ein Kentuckymann.«

Er streckte mir die Hand entgegen.

»Ihr habt die Probe bestanden; welcome, Sir! Aber wie kommt Ihr zu meinen ›two Sams?‹«

»Laßt Euch das nachher erzählen, Cornel (statt Colonel, Oberst),« fiel Sam Thick hier. »Ich schätze, daß ich Euch vorher Nothwendigeres zu berichten habe. Die Yankatous sind an den Big Horns über uns hergefallen, so daß nur ich entkommen bin und Sam Thin, das alte Coon; doch haben sie unsere Spur aufgenommen und sind hinter uns her bis unten in die ›Bucht,‹ wo sie auf unsere Kugeln warten.«

»Kugeln warten,« nickte sein langer Kamerad.

»'sdeath, ists möglich, Sam? Und Ihr habt Euch wirklich überrumpeln und abschlachten – – aber das sollst Du mir dann erzählen; jetzt vor allen Dingen unsere Sicherheit!«

Er hielt die Hand an den Mund und ließ den heulenden Ruf des Prairiehuhnes vernehmen. In nur wenigen Augenblicken standen neun wetterfeste Männer bei uns.

»Hört, Boys, die Yankatous sind in der ›Bucht.‹ Ein Jeder weiß, was er für diesen Fall zu thun hat. Sie haben unsere Leute droben im Cannon erschlagen; das Uebrige mögen Euch die Sams erzählen. Bill Hawkens, schnall den Gürtel fest und schleich Dich nach der Bucht; ich muß wissen, wie es dort steht. Die Wache am Thor wird verdoppelt und das ›weiße‹ Feuer ›roth‹ gemacht. Ihr aber, Sir, kommt herein und macht es Euch bequem nach Möglichkeit. Ihr werdet der Ruhe und noch manches Anderen bedürfen!«

Während die Anderen im Freien blieben, trat ich mit ihm in das Innere der Hütte. Es bestand aus nur einem einzigen Raum, dessen vier Wände eine seltsame und Schauder erregende Tapete besaßen; sie waren rundum von oben bis unten mit Indianerskalps behangen.

»Setzt Euch hier an den Tisch und langt ganz nach Belieben zu, Sir! Ich habe mit den ›two Sams‹ zu sprechen und bin nachher gleich wieder bei Euch!«

Er trat hinaus. Ich musterte den Raum. Ueber den langen Haaren der Kopfhäute war ein ganzes Arsenal von in der Prairie gebräuchlichen Waffen befestigt. Ich begann die Skalpe zu zählen: zehn – zwanzig – fünfundzwanzig – dreißig – – – ich hörte auf zu zählen und wandte mich ab. Ich sah hier ein schlagendes Beispiel von der wilden Energie, mit welcher gegen eine dem Untergange geweihte und in den letzten Todeszuckungen liegende Menschenrasse der vernichtende Stoß geführt wird. Ich konnte vor Grauen nicht essen, trotz des Hungers, den ich gefühlt hatte.

Nach einiger Zeit trat Josias Shatters wieder ein.

»Die ›two Sams‹ haben mir Alles erzählt, was vorgefallen ist. Ich danke Euch, Sir, für den Beistand, den Ihr ihnen geleistet habt! Man sieht es ihnen kaum an, daß sie meine besten Jäger sind.«

Er nahm auf einem Beete in meiner Nähe Platz.

»Ihr habt nicht gegessen?«

»Ich konnte nicht,« antwortete ich mit einem unwillkürlichen Blick auf die Tapete.

»Pah! Wer nach dem Westen geht, muß vor allen Dingen das Gefühl in den Mississippi werfen. Ich bin Josias Parker, der Kentuckymann, von dem Ihr vorhin spracht. Ich will Euch keine lange Geschichte erzählen, wie sie hier ja Jeder an sich selbst erleben kann, aber Scha-tunga hat mir den Bruder lebendig am Pfahl gebraten, mein Weib und zwei Kinder geraubt, skalpirt und den Coyoten vorgeworfen, mich selbst gehetzt und verfolgt bis auf den heutigen Tag, und dafür habe ich ihm und seinem Stamme Vernichtung und den Tod geschworen. Die Yankatous waren stark und mächtig; geht jetzt und fragt, wie viel Köpfe sie noch zählen! Die ›Both Shatters‹ haben Wort gehalten. Heut wagt er sich an mein storm-gap, aber er und seine rothen Mörder, sie werden hier Nichts finden als den Tod. Seht her!«

Er trat an die hintere Wand und öffnete eine Thür; sie führte hinaus in den dichtverschlungenen Urwald. Er trat hinaus und zog an einer Büffelhautschnur: der vordere Eingang fiel in die[851] starken Riegel. Dann nahm er eine Lunte vom Nagel und drehte sie in ein kleines im Boden der Hütte befindliches Loch.

»Begreift Ihr das, Sir?«

Ich nickte nur. Die Vorrichtung war angebracht, um den Feind in die Blockhütte zu locken, darin einzuschließen und, während der Besitzer nach hinten entkam, in die Luft zu sprengen. Die dack and bloody grounds sind kein Boden für die Blume des Erbarmens.

»Droben in den Big Horns liegt Gold in Massen; ich entdeckte da ein Cannon mit Nuggets so groß wie Taubeneier. Die Hälfte meiner Mannschaft war dort stets thätig, den Reichthum auszubeuten, damit wir nach Scha-tungas Tod das Nöthige haben, um im Osten leben zu können. Ich bin reich; das Gold liegt hier im Hide-spot vergraben. Er hat die Leute jetzt entdeckt, überfallen, gemordet und den beiden glücklich Entkommenen – – –«

Draußen erscholl der Schrei des Prairiehuhnes und gleich darauf ein Schuß. Er sprang auf, trat zur Thür und öffnete sie durch eine mir unsichtbare Vorrichtung. Mehrere Schüsse krachten. Auch ich eilte an den Eingang und kam gerade zur rechten Zeit, um die Wilden in hellen Haufen vom Bache aus auf die Lichtung dringen zu sehen. Das Gesicht, welches ich gesehen hatte, war also doch ein wirkliches gewesen. Man war uns vorsichtig gefolgt und hatte dabei den heimlichen Eingang entdeckt. Der arme Bill Hawkens war jedenfalls unterwegs abgefaßt und »ausgelöscht« worden.

»Heigh-ho, das kommt zu schnell!« rief der überraschte Trapper und riß das Punk-Feuerzeug vom Brette. Im Nu glimmte die Lunte am Boden. Dann stieß er die hintere Thür auf »Schnell, Sir, helft mir die Waffen retten!« Während draußen auf der Blöße die Jäger hinter wirr durcheinander liegenden Stämmen Deckung suchten und den Feind mit wohlgezielten Salven im Zaume hielten, griffen wir in höchster Eile die Waffen von den Wänden herab und trugen sie hinaus in den Wald unter ein dort angebrachtes Roof (Schutzdach).

Die eingetretene kurze Dämmerung ging schnell in den dunklen Abend über. Das Feuer, welches erst nach Gewohnheit der Weißen von großen Scheiten genährt und darum »weißes« Feuer genannt, hochauf gelodert hatte, war jetzt niedergesunken, weil man es nach Art der Rothhäute geschürt hatte, welche die Aeste stets nach und nach in den Brand schieben, um sich durch Rauch und Flamme nicht zu verrathen. Die Wilden konnten daher die versteckten Weißen nicht erkennen, und empfingen deren Kugeln, ohne selbst einen sichern Schuß zu haben. Da klang die tiefe Stimme ihres Häuptlings über die Lichtung, und auf seinen Befehl rissen sie die Tomahawks heraus und stürzten sich auf die Stämme, hinter denen die Trapper lagen.

»Away, Boys, herbei zu mir!« rief da Josias Shatter. Die Jäger sprangen auf und eilten herbei, auf den Fersen gefolgt von den Indianern, welche hinter ihnen in das Blockhaus drangen.

»Fort, fort, hinaus in den Wald!« gebot Josias, indem er mit mächtigen Beilhieben die Rothen abhielt, den Seinen zu folgen.

Ich sah jetzt zum ersten Male, weshalb er »Shatter,« der Zertrümmerer, genannt wurde. Er schlug nicht mit der Schneide, sondern mit dem Kopfe seiner fürchterlichen Waffe, und jeder Hieb zerschmetterte den Schädel des Getroffenen unfehlbar in knirschende Stücke. Die Weißen eilten alle an ihm vorüber und durch die hintere Thür; sein Sohn folgte und ich diesem; dann sprang auch er hinaus, schlug die Thür zu und schob zwei mächtige Riegel vor. Nachdem er einige Sekunden lang durch ein Loch in den Raum, welchen die Wilden mit betäubendem Wuthgeschrei erfüllten, zurückgeblickt hatte, zog er die Schnur und der vordere Eingang war geschlossen.

»Die Hütte ist voll; vorwärts, Boys, um das Hide-spot herum und in den Bach!«

Er stürmte voran und wir folgten. Wer seine Waffe abgeschossen hatte, nahm aus dem geborgenen Vorrathe eine oder mehrere frisch geladene auf. Ein schmaler Pfad war von Außen um den Saum der Lichtung ausgehauen. Seine Mündung wurde am Bache durch einige Büsche verdeckt. Wir drangen hindurch, stiegen in das Wasser und standen einige Augenblicke später an dem unbewachten Eingange zum storm-gap.

Da ertönte eine Detonation, welche die Erde unter uns erzittern machte; eine riesige Feuersäule stieg trichterförmig da auf, wo die Blockhütte gestanden hatte, und riß die Trümmer derselben mit sich in die Höhe. Sämmtliche Indianer hatten sich dort gesammelt, um ihre eingeschlossenen Gefährten zu befreien; die Explosion erfaßte auch die Meisten von ihnen, und kaum waren die Trümmer ringsum wieder auf der Erde aufgeschlagen, so rief Josias:

»Drauf auf die Uebrigen! Gebt erst Feuer und greift dann zu Messer und Beil!«

Die Salve wirkte furchtbar, und dann fielen die vor Schreck besinnungslosen Wilden fast widerstandslos unter den wuchtigen Streichen der Trapper.

»Schürt das Feuer wieder hoch, Boys; wir müssen sehen!« befahl der Kolonel. Die langen grauen Haare wehten ihm mähnenartig um den Kopf; seine Augen sprühten vor Kampfeslust, und wen sein Beil erreichte, der war verloren. Der Sohn stand ihm zur Seite und zeigte sich seines Namens würdig; sein Tomahawk fand nicht weniger Opfer als der des Vaters.

»Ho – ho – hi!« erklang da der aufmunternde Schlachtruf des feindlichen Anführers, den das Hinschlachten der Seinen ergrimmte. Er wollte sich auf Josias stürzen und mußte an mir vorüber. Ich faßte ihn an dem hoch aufgethürmten und mit Federn verzierten Haarschopfe, riß ihn zurück und holte zum Schlage aus.

»Halt, Sir; es ist Scha-tunga, der gehört mir!« rief mir der Kolonel zu und umfaßte den Indianer mit beiden Armen. Es entstand ein fürchterliches Ringen. Die beiden Männer standen fest, als seien ihre Beine in die Erde gewurzelt; kein Hieb, kein Schlag fiel, kein Stich oder Stoß wurde geführt, aber ihre Muskeln arbeiteten mit unheimlicher Anspannung; wer den Halt verlor, war dem Andern verfallen. Da sprang Sam Thick herbei; wir andern Alle waren engagirt und hatten mit unseren eigenen Gegnern zu thun.

»Cheer up, Kornel, haltet ihn fest. Er soll mir jetzt meine Perrücke bezahlen!«

Er warf den Tomahawk von sich, zog mit der Rechten das Bowiemesser, faßte Scha-tunga mit der Linken bei den Haaren, drei rasche blitzesschnelle Schnitte – ein kräftiger Ruck – er hielt die Kopfhaut des lebendig Skalpirten in der Hand. Dieser sank mit einem unartikulirten Schrei zur Erde.

Ein entsetzliches Geheul erscholl aus den Kehlen der Wilden. Sie sahen ihren Anführer gefallen, drangen mit Aufbietung aller Kraft auf uns ein, warfen, stießen, schlugen und drängten uns bei Seite und schnellten in weiten Sprüngen dem Eingange zu, um zu entkommen. Wir wandten uns zur Verfolgung.

Die wilde Jagd ging den Bach hinab. Er war so schmal, daß höchstens zwei Männer neben einander Platz fanden. Es gab keine Zeit für Vorsicht und Behutsamkeit. Wir schossen vorwärts so schnell wie ein Jeder vermochte. Wer stürzte, blieb im Wasser liegen, bis die Andern über ihn hinweggesprungen waren.

Da krachte weit vorn ein Schuß – noch einer – ein dritter. Was war das? Das Wuthgeheul der Indianer erhob sich von Neuem.

»Drauf, Boys, immer drauf! Ich weiß nicht, was es ist, aber sie müssen auf Widerstand gestoßen sein. Nehmt sie dazwischen!«

Wieder ging es vorwärts. Jetzt hatten wir sie erreicht. Vorn krachten noch immer die Schüsse, erst kräftig, aus Büchsen, dann stechend und fein, aus Revolvern; dann arbeitete nur der stille aber rastlose Stahl.

»Immer ruhig weiter, Jungens,« hörte ich da eine tiefe Baßstimme vor uns; »sie sind auch im Rücken festgenommen. Wenn wir durch sind, werden wir ja sehen, auf wen es die Hallunken abgesehen hatten!«

Ich kannte diese Stimme. Sie gehörte dem alten Fallensteller, welchen meine Gesellschaft zum Anführer gewählt hatte.

»Will Rawley,« rief ich ihm zu, »haltet fest und laßt ja Keinen durch!«

»Hallo, das ist ja unser Sir aus Germany, den wir suchen! Come on, Jungens, wir müssen zu ihm hin!«

Nach einigen Minuten stand er vor mir und schüttelte mir freudig die Hände.

»Alle Wetter, Sir, war das eine Angst und Sorge um Euch und dann eine Arbeit, erst unten in der ›Bucht‹ und dann auch jetzt hier oben! Wo habt Ihr denn gesteckt?«

»Wartet bis nachher, Master Rawley; jetzt gibts Anderes zu thun!«

Auch die übrigen Jagdgenossen traten herbei und gaben mir ihre Freude über unser Wiedersehen zu erkennen. Die Indianer waren vollständig besiegt und beinahe aufgerieben, da es nur Wenige fertig gebracht hatten, durch die dichten Buschränder zu entkommen. Wir überzeugten uns zunächst, daß die im Bache liegenden Wilden wirklich todt waren, und kehrten dann nach dem storm-gap zurück, um nach unsern Wunden zu sehen, denn einen so glücklichen Ausgang der Kampf auch für uns genommen hatte, es gab doch Keinen, der nicht mehr oder weniger verletzt gewesen wäre.

Das Feuer brannte »weiß« und hoch und beleuchtete mit[852] flackerndem Lichte die Stätte des Ueberfalles und der Verwüstung. Josias begrüßte die neuen Gäste, die zu so passender Zeit gekommen waren, mit dankbarer Herzlichkeit. Die Sorge um mich hatte sie auf die Pferde und hinaus in die Prairie getrieben. Dort war ihnen das entflohene Pferd des von mir getödteten Indianers begegnet; sie hatten die Fährte desselben zurückverfolgt, waren auf die Spuren der Yankatous gestoßen und von ihnen bis an den Bach geführt worden, wo die Indsmen ihre Pferde unter Bedeckung zurückgelassen hatten. Eben war diese letztere von ihnen niedergestoßen worden, als sie die Explosion vernahmen und vom Schall und Flammenscheine den Weg nach dem Orte gezeigt bekamen, wo ihre Hilfe vielleicht zu gebrauchen war.

Auch ich erzählte, während mir der Kolonel selbst die kleine Wunde verband, welche ich von einem Messer am Arme empfangen hatte.

»Nun glaube ich es von ganzem Herzen, Sir, daß Ihr Winnetou zum Lehrmeister gehabt habt,« meinte er, als ich geendet hatte. »Ich werde ihm von Euch erzählen, denn ich sehe ihn wieder. Meinen Schwur habe ich erfüllt und werde nun nach dem Osten ziehen. Zuvor aber will ich erst einmal über die Mountains steigen und dem Häuptling der Apachen berichten, daß der Mörder seiner Schwester gefallen ist.«

Da traten die »two Sams« herbei, welche diese Worte gehört hatten.

»Nehmt mich mit, Kornel,« bat der Dicke. »Ich muß Winnetou sehen und schenke Euch den Skalp Scha-tungas dafür!«

»Ich mag von keinem Skalp mehr wissen, Sam. Mein Eisen hat dem Mörder das schwarze Herz durchbohrt; seine Haut magst Du behalten. Doch wenn Du willst, so gehst Du mit!«

»Thank you, Sir! Und Sam Thin, das alte Coon?«

»Soll auch mit, denn Ihr Beide gehört ja zusammen.«

»Heigh-day, so ists richtig, Kolonel; Ihr werdets nicht bereuen; denn auf dem Wege da hinunter gibts noch verteufelt viel Rothhäute, und ich schätze, daß sogar die ›Both Shatters‹ da die Büchsen der ›two Sams‹ gebrauchen können!«

»Gebrauchen können!« nickte Sam Thin bedächtig, indem er eine höchst zufriedene Miene machte, auch ferner bei seinem Kolonel bleiben zu können. –[853]


Quelle:
Die Both Shatters. Ein Abenteuer aus dem »wilden Westen« von Karl Hohenthal. In: Für alle Welt! 5. Jg. Heft 27. Stuttgart (1882). Nr. 54.
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