XI

Schluß

[514] Sechzig Stunden von der Hazienda del Venado nach Norden entfernt dehnt sich ein großer, aus Cedern, Eichen, Korkbäumen, Sumachen und Wurzelträgern bestehender Wald aus.

Von dem Saume dieses Waldes bis zum rothen Flusse bildet der Boden eine einzige große Ebene, deren dichter Graswuchs eine solche Länge erreicht, daß ein Reiter auf dem Rücken seines Pferdes kaum über die Spitzen und Rispen desselben hinwegzusehen vermag.

Mitten in dem Walde und eingefaßt von den düstersten Gruppen der Baumriesen liegt ein Wasser, dessen klare Oberfläche die unregelmäßig viereckige Gestalt eines Trapezes bildet. Lange Guirlanden von grauem Moose hangen von den Aesten der Cedern nieder oder schwingen sich in breiten Lambrequins von Zweig zu Zweig. Großblätterige Wasserpflanzen schwimmen am Ufer, und prachtvoll glänzende Seeblumen öffnen ihre goldenen und silbernen Kelche dem Lichte der Sonne, welche ihre Strahlen büschelförmig auf den Wellen excentriren läßt, so daß sie[514] im bunten, blitzschnellen Spiele die tief grünen Schatten des Waldes verklären.

Das ist der Büffelsee.

Diesen Namen hat er von den Thieren bekommen, deren Lieblingstränke er früher war. Doch sind die Büffel durch die Nähe der Menschen vertrieben worden und davongezogen, um einsamere Gegenden aufzusuchen. Doch zieht die isolirte Lage des See's noch heut Heerden wilder und halbwilder Pferde an, welche seine unter tiefem Schatten verborgenen Wasser den offeneren Ufern des rothen Flusses vorziehen.

Auf der einen Seite des See's hatte man durch die Lichtung des Waldes einen ziemlich großen, freien Raum gebildet, welcher mit einer sehr starken Verpalissadirung versehen war, die nur einen einzigen Aus- oder Eingang zeigte, welcher mit gewaltigen Querriegeln verschlossen werden konnte. Die Stämme, welche die Palissaden bildeten, waren unter einander durch feste, büffellederne Riemen verbunden und mit allerlei Strauch- und Astwerk umschlungen und verdeckt, welches den Zweck hatte, der Umzäunung ein natürliches Aussehen zu geben. Dieser Raum war zum Einfangen der wilden Pferdeheerden bestimmt und von den Vaquero's Don Augustin Pena's errichtet worden.

Am Ufer des Sees, nicht weit von diesem Platze, lagen vierzehn Männer am Boden, von denen zwölf die nationale Kleidung der Vaquero's trugen, während die übrigen zwei Moccassins trugen und ganz in Leder gekleidet waren, dessen blutiges Aussehen darauf schließen ließ, daß ihre Beschäftigung nicht immer eine friedliche zu nennen sei. Die Sonne hatte ihr Gesicht so vollständig[515] bronzirt, daß man nicht wußte, ob man in ihnen civilisirte Wilde vor sich habe oder Weiße, welche die Gewohnheit der Indianer angenommen haben.

Diese beiden Männer waren die Büffeljäger Encinas und Pascual, welche unter Falkenauge von Tubac aus den Zug gegen die apachischen Pferderäuber mitgemacht hatten.

Eben drehte sich die Unterhaltung der Gesellschaft um dieses Abenteuer.

»Und ich sage Euch, daß es wirklich die Räuber der Wüste gewesen sind, welche sich mit den Rothen verbunden hatten,« behauptete Encinas. »Schade nur, daß sie entkommen sind!«

»Können es denn so tüchtige Cibolero's, wie Ihr seid, nicht mit ihnen aufnehmen?« frug der jüngste der Vaquero's, der kaum zwanzig Jahre zählen mochte.

»Wo denkt ihr hin, Sennor Franzesko! Ich gehe dem Bison kühn entgegen, wenn er die Hörner gegen mich senkt, aber ein Geschöpf wie El Mestizo oder Mani Sangriente hat die blinde Wuth des Büffels, die Schlauheit des Fuchses, die Gewandtheit des Tigers und die Stärke des Löwen in sich vereinigt. Rechnet man dazu die Verworfenheit eines Menschen, dem nichts zu schlecht und gottlos ist, so lernt Ihr eine Kreatur kennen, welcher jeder ehrliche Cibolero aus dem Wege gehen muß.«

»Ich wollte es aber doch wohl wagen, mit ihm anzubinden.«

»Ihr? Habt Ihr überhaupt schon einmal mit Jemanden angebunden?«

»Nein!«[516]

»So schweigt um aller Heiligen willen! Ihr kämt ja gleich im ersten Augenblick um Euren Skalp!«

»Aber es findet doch jedes Wesen seinen Gegner. Giebt es denn Keinen, der sich an sie wagen könnte?«

»Ich kenne nur Zwei oder Drei, denen dies möglich sein dürfte.«

»Wer sind sie?«

»Die ›Herren der Savanne‹ und Tiburcio Arellanos.«

»Ah, Tiburcio! Ja, den kennen wir Alle. Er ist der beste Rastreador von ganz Sonora, und unser Herr hält gar große Stücke auf ihn, seit er ihn von den Räubern befreit hat. Ich glaube sogar, daß die Sennorita auch zuweilen an ihn denkt. Aber wer sind diese Herren der Savanne?«

»Zwei nordamerikanische Jäger, welche von den Wilden der ›große Adler‹ und der ›zündende Blitz‹ genannt werden. Ich traf sie mit Tiburcio in der Steppe, als sie der Expedition Don Estevans folgten. Und wenn es außer ihnen je noch Einen gibt, der El Mestizo und Mani Sangriente nicht fürchtet, so ist es kein Anderer, als dieser Falkenauge, welcher der verteufeltste Comanche ist, den man nur sehen kann.«

»Ist es gar so schlimm?« frug Franzesko, der gar zu gern ein Held geworden wäre wie die berühmten Männer, deren Namen er jetzt gehört hatte.

»Schlimm nicht, aber wahr, Sennor Franzesko. Ich gebe Euch mein Wort, der Comanche nimmt es mit zwanzig Leuten, wie Ihr seid, spielend auf! Uebrigens ist er den Räubern nach, und es sollte mich wundern, wenn ich nicht einmal hörte, daß er auch wirklich mit ihnen zusammengetroffen ist!«[517]

In diesem Augenblicke sprangen Alle von der Erde auf.

»Sennor Augustin, Sennorita Rosa!«

Dieser Ruf war es, welcher eine solche Wirkung hervorgebracht hatte.

Wirklich nahte unter den hohen Bäumen des Urwaldes eine ansehnliche Kavallade von ledigen Pferden und wohlbepackten Maulthieren, hinter welcher, von einigen bewaffneten Dienern gefolgt, Don Augustin mit seiner Tochter erschien.

Am See angekommen, blickte er sich forschend um und deutete dann mit der Hand die Stelle an, wo er das Lager aufgeschlagen wünschte. Während dies vorgenommen wurde, trat er mit Rosarita zu den Vaquero's, welche ihn ehrfurchtsvoll und freudig begrüßten.

»Auch Encinas und Pascual!« rief er, sichtlich froh überrascht. »Da werde ich wohl wieder manches Abenteuer zu hören bekommen!«

»Ich denke es, Sennor,« antwortete der Erstere. »Wir haben in diesem Jahre da draußen in der Savanne so viel erlebt, wie sonst in zweien nicht. Wir haben El Mestizo gesehen, Ti – – –«

»Den Mestizen? Wo?« frug er rasch.

»Eine Strecke hinter Tubac, wo er vor uns und den Comanchen fliehen mußte. Ferner Tiburcio Arellanos mit den Fürsten – – –«

»Tiburcio?« frug Rosarita schnell, indem eine freudige Röthe ihr schönes Antlitz überflog.

Es war die erste Kunde von ihm, welche seit seinem Scheiden zu ihr gelangte.

»Wo saht Ihr ihn?« fügte Augustin hinzu.

»In der Steppe zwischen Tubac und der Apacheria.[518] Er verfolgte Don Estevan de Arechiza in Gesellschaft des ›großen Adlers‹ und des ›zündenden Blitzes.‹ Dann habe ich gesehen Falkenauge, den Comanchen, der Euch grüßen läßt, Sennorita.«

»Mich? Ein Comanche?« frug sie befremdet.

»Ja. Er läßt Euch sagen, daß Ihr Euch am Büffelsee vor den Räubern der Wüste hüten sollt.«

»Wie kam das, Encinas? Doch aber, das sollst Du uns später noch erzählen, wenn uns mehr Zeit übrig bleibt als jetzt.«

Er führte seine Tochter nach dem Zelte, welches man bereits für sie errichtet hatte. Es war aus himmelblauer Seide gefertigt und mit eingestickten goldenen Sternen übersät, ein Tribut, welchen der Vater der Schönheit und Herzensgüte seines einzigen Kindes gebracht hatte.

Auch ihm wurde ein Zelt errichtet, und eben war er in dasselbe getreten, während die Diener noch beschäftigt waren, die Maulthiere von ihrer Bürde zu befreien, als sich am Saume des Waldes eine Gruppe bemerkbar machte, welche die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog.

Sie bestand aus zwei Reitern und einem Lastthiere. Der Eine der Männer war ganz in karrirtes Grau gekleidet, trug einen breitrandigen Panamahut und eine rundglasige, golden eingefaßte Lorgnette auf der Nase. Der Andere stak in einem aus gegerbter Damhirschhaut gefertigten Anzuge und hatte ganz das Aussehen eines Mannes, der sich viel in der Welt umgesehen hat und eine gute Büchse auch richtig zu gebrauchen weiß.

»Sir Wallerstone!« meinte dieser letztere.

»Master Wilson!« antwortete der Graue.

»Wir werden hier nicht alleine sein!«[519]

»Geht mich nichts an!«

»Wie ich bemerke, giebt es hier Leute, welche Pferde fangen wollen!«

»Geht mich nichts an!«

»Auch wenn sie Euch den weißen Renner der Prairie wegnehmen?«

»Goddam, den muß ich haben! Wenn sie ihn mir nehmen wollen, müßt Ihr sie alle niederschießen, Master Wilson!«

»Das werde ich nicht thun, Sir Wallerstone, denn davon steht nichts in unserem Kontrakte.«

»Well, so werden wir einen neuen Paragraphen darüber hinzufügen. Ich zahle Euch hundert Dollars mehr. Gebt den Kontrakt heraus!«

»Für hundert Dollars schieße ich diese Leute nichts todt!«

»Zweihundert!«

»Nein!«

»Well, dann dreihundert!«

»Nein!«

»Goddam, ich gebe Euch vierhundert!«

»Nicht für viertausend, nicht für vier Millionen! Was das Schießen anbelangt, so wird es wohl bei unserm Kontrakte bleiben müssen. Ich sorge für Eure Sicherheit und für nichts mehr. Wir werden uns diesen Leuten vorstellen müssen!«

»So kommt!«

Sie näherten sich dem größeren Zelte, aus welchem Don Augustin trat, der die Nahenden bemerkt hatte.

»Sennor,« begann Wilson, »hier ist Sir William[520] Wallerstone aus Worchester. Darf ich ihm Euren Namen nennen?«

»Ich heiße Augustin Pena; diese Wälder und Savannen gehören zu meiner Hazienda!«

»Geht mich nichts an!« meinte Wallerstone, indem er sein Lorgnon mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand faßte und Sennor Augustin neugierig anblickte. »Habt Ihr den weißen Renner der Prairie gesehen?«

Don Augustin hatte sofort den Sonderling erkannt.

»Nein, Sir, gesehen nicht, aber ich hoffe, daß er meinen Corral besuchen wird,« antwortete er lächelnd. »Wollt Ihr bis dahin mein Gast sein?«

»Gast? No, das steht nicht in meinem Kontrakte. In solchen Dingen hat hier dieser Mann für mich zu sorgen!«

»Gewiß Euer Majordomo?«

»Majordomo? Was ist das?«

»Haushofmeister,« verdolmetschte Wilson.

»Majordomo oder Haushofmeister, geht mich nichts an! Ich will den Renner der Prairie aber keinen Majordomo!«

»Erlaubt uns, Sennor Augustin, unser Zelt hier in Eurer Nähe aufzuschlagen! Ich heiße Edgar Allan Wilson und bin der Führer dieses Sir.«

Don Augustin nickte zustimmend und wandte sich an seine Tochter, welche eben herzutrat.

»Wir erhalten interessante Gesellschaft, Rosarita: Diesen Sir Wallerstone und den Master Wilson, welche den weißen Prairiehengst fangen wollen.«

Das Mädchen verbeugte sich, verlegen erröthend, vor[521] dem Engländer, welcher sein Lorgnon erfaßt hatte und sie durch die großen Gläser desselben bewundernd anblickte.

»Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Wer ist diese Miß?«

»Sennora Rosarita, die Tochter Sennor Augustins jedenfalls.«

»Well! Fragt sie einmal, ob ich sie zeichnen darf!«

»Ihr seid Maler, Sir Wallerstone?« frug Don Augustin, welche die englischen Worte verstanden hatte.

»Maler? Geht mich nichts an! Ich reise in der Savanne, um sie zu zeichnen und den Renner der Prairie zu fangen. Ich werde Miß Rosarita zeichnen!«

»Sobald Ihr den Renner gefangen habt, Sir!« stimmte der Haziendero lächelnd bei. »Jetzt aber laßt Euer Zelt errichten; meine Dienerschaft wird Euch dabei gern behilflich sein.«

»Geht mich nichts an! Für solche Dinge hat hier dieser Mann zu sorgen; so steht es im Kontrakt!«

Während Don Augustin sich mit Rosarita zurückzog, nahm der Engländer ruhig an der Erde Platz und wartete, bis sein Zelt fertig war, welches er dann betrat, um sich von der Anstrengung des Rittes auszuruhen. Wilson trat dann zu den Vaqueros und befand sich bald in einem lebhaften Gespräche mit Encinas und Pascual. –

Die vier Kriegskanoe's der Apachen waren den rothen Fluß hinaufgefahren, ohne daß die Indianer Wallerstone und Wilson bemerkt hätten, welche, ohne ein Feuer anzumachen, in einiger Entfernung von dem feuchten Ufer ihr Nachtquartier aufgeschlagen hatten. Diese Entfernung war ebenso die Ursache, daß trotz des Scheines, den die Harzfeuer[522] verbreiteten, Wilson keine Ahnung hatte, welche unheimlichen Passanten nicht weit von ihm dem Ziele zusteuerten, welches auch er erreichen wollte.

Der Fluß machte bald eine Krümmung, innerhalb deren die Apachen gelandet waren, um zu ruhen. Wilson schnitt zu Lande diese Krümmung am Morgen ab, und da er mit den Pferden schneller vorwärts kam als die Apachen, welche gegen den Strom zu kämpfen hatten, so erreichte er mit seinem Begleiter den Büffelsee eher noch als sie. Er beschloß, den Engländer unter dem Vorwande des weißen Renners hier festzuhalten, bis Falkenauge mit den Fürsten der Wälder, die er kennen lernen wollte, eingetroffen sei.

Die Büffelinsel war mittlerweile ein Schauplatz des regsten Lebens geworden. Die verbündeten Jäger und Comanchen waren sicher, alle Gegner vor sich und keinen Feind mehr hinter sich zu haben, und konnten daher ohne Anwendung schwerfälliger und hindernder Vorsichtsmaßregeln das Werk der Verfolgung fortsetzen.

Nach der ersten herzlichen Begrüßung, bei welcher sich Rosenholz und Pepe überzeugten, daß Fabian keinerlei körperlichen Schaden erhalten hatte, frug der erstere:

»Doch sage, mein Sohn, wie kommst Du auf diese Insel? Wir glaubten, Dich mit Gewalt befreien zu müssen.«

»Ich spähte schon längst nach einer Gelegenheit, mich durch Schwimmen zu retten, und erblickte in dem angeschwemmten Holze ein Mittel, mich zu verbergen.«

»Aber Du warst gebunden und konntest ertrinken!« warf Bois-rosé ein, der trotz seiner Stärke bei dem Gedanken bebte, daß die Flucht seines Lieblings einen solchen Ausgang hätte nehmen können.[523]

Fabian lächelte.

»Die Räuber schienen nicht zu wissen, was einem guten Schwimmer möglich ist, sonst hätten sie mich an das Kanoe gefesselt. Ich tauchte erst unter dem Holze wieder empor; zwar folgten sie mir bis zur Insel, aber sie hielten mich für ertrunken.«

»Und wie lange sind sie bereits wieder fort?«

»Wohl über eine halbe Stunde.«

»Wir werden sie einholen!« klang es ingrimmig, »und dann sollen sie uns nicht so entkommen, wie Du ihnen. Warum bliebst Du so lange im Wasser?«

»Weil ich mich erst überzeugen mußte, daß kein feindliches Wesen in der Nähe sei. Und dann konnten die Räuber ja anderer Ansicht werden und nochmals umkehren!«

Falkenauge hatte unterdessen mit seinen Comanchen verhandelt und ihnen den Befehl gegeben, so schnell wie möglich die Kanoe's zu verfertigen. Jetzt trat dieser zu den Jägern; er hatte natürlich errathen, wen er in Fabian vor sich habe.

»Mein Bruder ist der große Pfadfinder, den seine Väter und der Comanche suchten?« frug er, ihm die Hand reichend.

»Das ist Falkenauge, den wir in den Nebelbergen trafen,« stellte Pepe vor. »Santa Lauretta, ein Kerl wie Gold! Er hat während eines einzigen Nachmittages elf Apachen entskalpt – schaut, Sennor Fabian, sein Pferd hängt voller Häute, daß es kaum zu sehen ist – und uns dann auf Eure Spur und hierher gebracht!«

Mit aufrichtiger Bewunderung drückte Fabian die dargereichte Hand.[524]

»Der Pfadfinder hat den Namen seines rothen Bruders rühmen hören; sie mögen Freunde sein! Jetzt aber erzählt vor allen Dingen, wie es in den Bergen nach meinem Verschwinden gegangen ist!«

Bois-rosé faßte seinen Bericht so kurz wie möglich, denn es verlangte ihn, dasselbe auch von Fabian zu hören.

»Und wie kamst Du in die Hände der Räuber?« frug er, als er geendet hatte.

»Ich hörte ein Rascheln am Rande der Pyramide und sah einen Mann emporklimmen, den ich für Dich oder Pepe halten mußte. Er täuschte mich auch durch seine Antwort, als ich ihn leise anrief. Als er aber näher kam, erkannte ich Mani Sangriente und holte zum Schlage aus.«

»Das war sehr falsch gehandelt, mein Sohn. Wir hatten Dir gesagt, daß Du schießen solltest!«

»Er war mir so außerordentlich hiebrecht nahe, und ich wollte die Kugel sparen, da ich mir denken konnte, daß auch der Mestize in der Nähe sei. Dieser war auf der andern Seite emporgestiegen und hatte sich hinter mir angeschlichen. Als ich zum Hiebe ausholte, faßte er meinen Arm, die Büchse entflog meiner Hand, und ich wurde von den beiden Schurken umschlungen.«

»Teufel! Ich sagte mir, daß es zwei gewesen sein mußten; denn Einen hättest Du wohl zu überwältigen vermocht. Was Deine Büchse betrifft, mein Sohn, so ist sie nicht verloren gegangen; dort hängt sie am Sattel meines Pferdes. Doch erzähle weiter!«

»Mani Sangriente wollte nach mir stechen, ich aber entrang ihm das Messer. Wir kamen im Ringen quer über die Plattform hinüber und stürzten über den Rand[525] derselben hinab. Ich verlor die Besinnung, und als ich erwachte, war es dunkel und feuchtkalt um mich. Ich lag gebunden in der Piroque, welche von ihnen durch einen unterirdischen Kanal gerudert wurde, der in den Rio Gila führte.«

»Und dann? Was thaten sie Dir?«

»Nichts. Außer Schimpfreden, Hunger und Durst habe ich mich über nichts zu beklagen. Sie beabsichtigten, mich Schwarzvogel auszuliefern, welcher mit seinen Kriegern nach dem Büffelsee ist, und freuten sich schon im Voraus darauf, auch Euch zu fangen, denn sie waren ebenso überzeugt als ich, daß Ihr unsere Spur finden und uns folgen würdet.«

»Gut, mein Sohn; sie haben sich nicht getäuscht, aber dieser Fang soll nicht uns in ihre Hände, sondern sie in die unsrigen bringen! Hier ist Dein Messer und auch Dein Hut, welche wir beide an der Pyramide fanden. Jetzt aber sollst Du essen und Deine Kleider trocknen. Wir werden ein Feuer anbrennen.«

Auch drüben am Ufer brannten einige Flammen, an denen die Comanchen das Harz zerlaufen ließen, mit welchem sie die Rinderkähne wasserdicht zu machen beabsichtigten.

Während dieser Arbeit, welche sehr schnell von statten ging, trat Falkenauge zu Fabian.

»Meint tapferer Bruder kennt den ›Stern von Sonora?‹«

Fabian, welcher am Feuer saß, blickte überrascht auf.

»Hat mein rother Bruder von Rosarita gehört?« Eine verrätherische Röthe überzog seine Wangen.

»Falkenauge hat von ihr gesprochen mit einem Cibolero, welcher nach dem Büffelsee ging, wo Sennor Pena[526] mit seiner Tochter erscheinen wird, um die Heerden der Pferde zu fangen!«

Fabian sprang erschrocken empor.

»Sie wird mit am Büffelsee sein? Falkenauge, Vater, Pepe, auf, schnell, wir müssen fort!«

Der Comanche lächelte. Dieser Eifer bestätigte seine Vermuthung, daß der große Pfadfinder den Stern von Sonora lieb habe.

»Mein Bruder kann warten, bis die Kanoe's im Wasser sind. Falkenauge hat den Stern warnen lassen!«

»Und trotzdem müssen wir uns sputen! Eilt, eilt, damit wir vorwärts kommen!«

Es bedurfte dieses Antriebes nicht, denn es lag den Comanchen selbst viel daran, den Apachen so schnell wie möglich folgen zu können. Schon nach kurzer Zeit brachte Bisonmähne das erste Kanoe zur Insel herübergerudert. Falkenauge empfing ihn mit ernstem Blicke.

»Bisonmähne hat einen Fuß, der niemals fehlt, aber seine Kugel rostet in der Büchse.«

»Die Kugel des Comanchen trifft, wenn sie treffen soll!«

»Warum ist sie nicht in das Herz des Räubers der Savanne gegangen?«

»El Mestizo?« frug der Getadelte verwundert.

»El Mestizo und Mani Sangriente haben den großen Pfadfinder gefangen; er ist ihnen im Wasser des Flusses entkommen, und die Büchsen der Comanchen haben dazu geschwiegen.«

Bisonmähne senkte das Auge. Er erfuhr erst jetzt, welche Feinde er ungehindert passiren ließ, obgleich sie in seine Hand gegeben waren.[527]

»Bisonmähne kannte die Räuber nicht!« entschuldigte er sich.

»Aber er sah, daß sie ein Bleichgesicht gefangen hielten; es konnten keine guten Männer sein: Mein Bruder hat einen großen Fehler begangen, aber der Mund Falkenauge's wird ihn verschweigen im Wigwam des klugen Fuchses, denn Bisonmähne wird sein Auge öffnen, um die Räuber in die Hände der Comanchen zu bringen! War an der Büffelinsel ein Bleichgesicht mit vier Augen?«

»Es war hier, und das andere Bleichgesicht sagte, daß Falkenauge kommen werde.«

Erst jetzt fiel Falkenauge etwas ein, was er bisher vollständig vergessen hatte. Er trat zu den drei Jägern.

»Kennt der ›große Adler‹ Wilson, den Montanamann?«

»Er kennt ihn. Sie sind im Gebiete des grauen Bären gewesen, ohne sich zu treffen. Er ist ein großer Jäger. Hat mein Bruder von ihm gehört?«

»Er hat ihn gesehen und mit ihm gesprochen. Er soll einen Gruß sagen an den ›großen Adler‹ und den ›zündenden Blitz.‹ Der Montanamann wird nach dem Büffelsee gehen, um auf ihn zu warten. Er war an der Büffelinsel und hat gesprochen mit den Comanchen, welche auf Falkenauge warteten. Es ist ein Bleichgesicht mit vier Augen bei ihm, welches einen großen Zauber hat. Meine Brüder mögen sehen!«

Er löste den Sattel seines Pferdes und langte zwischen den beiden Pantherfellen, welche die Schabrake bildeten, das Bild hervor, welches er mit unendlichem Stolze den Jägern zeigte.

»Santa Lauretta, das ist Falkenauge wie er leibt[528] und lebt!« rief Pepe. »Es ist ein Maler bei Wilson, welcher eine Brille trägt, die der Comanche Augen nennt.«

Das Bild wurde bewundert und Falkenauge mußte von seinem Zusammentreffen mit dem Montanamann erzählen.

Unterdessen waren die Kanoe's alle fertig geworden, und man schickte sich zum Aufbruche an.

»Meine weißen Brüder werden in dem Kanoe sitzen, Falkenauge aber und Bisonmähne werden reiten am Ufer, der eine hüben und der andere drüben, um zu wachen über sie und die Spuren zu suchen, welche die Apachen und Räuber zurückgelassen haben.«

Dieser Gedanke war nur zu billigen. Bisonmähne letzte sich auf des Kanadiers Pferd, während er dasjenige des Miquelete am Zügel nahm, und Falkenauge ritt an das andere Ufer zurück. Bald setzten sich Reiter und Piroquen in Bewegung.

Bois-rosé saß Hand in Hand mit Fabian zwischen den Ruderern, welche das Fahrzeug mit außerordentlicher Schnelligkeit gegen die Wogen des Stromes trieben. Er war unendlich glücklich, seinen Liebling wieder zu haben, und auch Pepe Dormillon freute sich königlich, den jungen Grafen de Mediana so schnell und unerwartet wieder in Sicherheit zu wissen. Alle aber brannten vor Begierde, die Feinde zu erreichen, um sich mit ihnen messen zu können. –

Es war am frühen Morgen, und die Vaquero's saßen außer Zweien, welche auf Kundschaft ausgeritten waren, an den Ufern des Büffelsee's. Auch die bei den Cibolero's waren bei ihnen.[529]

Die Gesellschaft sprach von dem sonderlichen Engländer und seiner Passion für den Renner der Prairie.

»Giebt es denn wirklich einen solchen Renner?« frug Franzesko, der junge Vaquero. »Ich habe ihn noch nie gesehen.«

»Natürlich gibt es einen,« antwortete Encinas; »aber es ist gar nicht zu verwundern, daß Ihr ihn noch nicht gesehen habt, Sennor Franzesko, denn wie weit seid Ihr wohl in die Welt hinausgekommen?«

»Von der Hazienda del Venado bis hierher zum Büffelsee. Ist dies vielleicht noch nicht weit genug?«

»Die Welt soll noch ein wenig weiter sein, wie man zu sagen pflegt, mein kleiner Don Vaquero, und ich glaube, der weiße Renner der Prairie rennt nicht nur immer zwischen der Hazienda und dem Büffelsee hin und her.«

»Ist es denn ein gar so außerordentliches Thier?«

»Das will ich meinen! Es ist ganz unvergleichlich schön, und ein Läufer, na, ich sage Euch, es kommt im Trabe weiter, als der beste Renner im vollen Laufe!«

»Habt Ihr es schon einmal gesehen, Sennor Encinas?«

»Ja; aber nur von Weitem, doch ist auch das ein großes Glück zu nennen, da es nur wenige gibt, die näher an das Thier herangekommen sind.«

»Es ist ein Schimmel?«

»Allerdings.«

»So sind auch seine Ahnen Schimmels gewesen.«

»Wo denkt Ihr hin! Es ist gar nicht geboren worden, es hat weder Eltern noch Stammbaum.«

»Wie ist das möglich?«

»Ich weiß es auch nicht, nur ist so viel gewiß, daß es bereits vor sechshundert Jahren gesehen wurde.«[530]

Encinas war wie alle gewöhnlichen Prairie- und Savannenmänner nicht frei von einer ziemlichen Portion Aberglauben.

»Aber wißt Ihr wohl, daß die Pferde erst vor dreihundert Jahren von Spanien herüber nach Amerika gekommen sind?«

»Per dios, seid Ihr ein kluger Mann, Sennor Franzesko! Seid Ihr vielleicht dabei gewesen, als sie herüberkamen? Und habe ich nicht soeben gesagt, daß es von keinem Pferde abstammt? Wozu brauchen wir also hier Eure spanischen Klepper? Es ist sechshundert Jahre alt, vielleicht sogar schon tausend, und niemals ist es gefangen worden?«

»Ich möchte aber doch beinahe sagen, daß ich es fangen würde,« behauptete Franzesko, der angehende Held.

»Ich glaube selbst, daß Ihr der Einzige wäret, dem dies gelingen würde, nach dem, was Ihr bereits geleistet habt. Wie viel wilde Mustangs habt Ihr wohl schon mit dem Lasso eingefangen und gezähmt?«

»Bisher leider noch keins.«

»So fangt bei dem weißen Renner an; desto größer wird die Ehre sein, wenn Ihr ihn fangt. Aber ich muß Euch sagen, daß dies noch keinem Vaquero gelungen ist. Die Hufe dieses Thieres sind härter noch als Feuerstein, und wer ihm zu weit folgt, den bekommt kein Mensch wieder zu sehen.«

»Hat es Einer schon zu weit verfolgt?«

»Ein Jäger von Texas, der es mir erzählt hat.«

»Und Ihr müßt es uns auch erzählen. He, Sanchez, gieb doch einmal dem Sennor Encinas einige Schluck[531] Meskal; es gibt kein besseres Mittel das Gedächtniß aufzufrischen, als diesen Trank!«

»Was Ihr schon klug und weise seid, Sennor Franzesko! Aber Ihr sollt meine Geschichte hören.«

»So macht, daß sie beginnt!«

»Vor einigen Jahren kam ein merkwürdiges Original von Engländer – gerade so wie dieser Sennor Wallerstone, vielleicht ist er es gar selbst – nach Texas und bot dem berühmtesten Jäger dort tausend Piaster oder fünftausend Franken, wenn er ihm den weißen Renner der Prairie bringe. Der Jäger ging auf den Vorschlag ein. Er verschaffte sich ein Pferd von außerordentlicher Schnelligkeit, den besten Läufer, den man kannte, und ritt hinaus in die Savanne.«

»Fand er den Renner?«

»Er fand ihn, sage ich Euch, und dies war nicht nur ein Zufall, sondern geradezu ein ganz unerhörtes Glück.«

»Und er verfolgte ihn?«

»Das versteht sich ja ganz von selbst! Er verfolgte ihn mit hochgeschwungenem Lasso, setzte über Abgründe, sprang über Felsen, schwamm über Ströme, flog durch weite Ebenen, sein Pferd war schnell wie der Wind, und der weiße Renner verlor jeden Augenblick ein wenig von seinem Vorsprunge.«

»Holla, das höre ich gern. Er wird ihm die Schlinge um den Hals werfen!«

»Wartet ein wenig, Sennor Franzesko! Wenn ich sage, daß der Renner von seinem Vorsprunge verlor, so soll das nicht auch heißen, daß er sich fangen läßt. Er blieb nur deshalb zurück, weil er sich jeden Augenblick umschaute,[532] um seinem Verfolger einen Blick zuzuschleudern, aus welchem Tod und Verderben sprühte. Und dennoch folgte ihm der Texaner, obgleich er gehört hatte, daß der Renner kein Pferd, sondern der Geist der Savanne sei, welcher über die Steppe jage nur um die Menschen in die Irre zu führen. Er dachte an den Beutel mit den tausend Piastern und ritt weiter. So ging es von früh bis zum Mittag, vom Mittag bis zum Abend. Der Vorsprung wurde kleiner, dennoch aber kam der Jäger nicht so nahe, daß er seinen Lasso hätte gebrauchen können. Es wurde Nacht und sein Pferd begann jetzt zu ermüden.«

»Aber wie konnte er in dunkler Nacht dem Renner folgen?«

»Erstens ist der Renner ein Schimmel, weiß wie Milch, der auch in der Finsterniß für ein gutes Auge noch zu erkennen ist, und zweitens zogen seine Hufe, die im Galopp den steinigen Boden schlugen, vier feuersprühende Furchen durch die Nacht.«

»Per dios, ich habe noch nie gehört, daß Horn auf Steinen Feuer hervorbringt!«

»Ich auch nicht; dafür aber ist der Renner auch der Geist der Savanne! Es mochte wohl um Mitternacht sein, als der Jäger ihn endlich erreichte. Er schwang den Lasso, und als er ihn werfen wollte hatte er – nichts in der Hand, sogar der Knoten am Sattelknopfe war aufgelöst und weg. Und zu gleicher Zeit versetzte der Renner dem Pferde des Texaners mit den Hinterhufen einen Schlag vor die Brust, daß es todt zusammenbrach. Dann hörte er das Geisterthier weit unter sich in die Nacht hineinjagen. Er blieb bei der Leiche seines Pferdes, bis es Morgen war, und sah nun zu seinem Schrecke, daß er sich am Rande[533] eines Abgrundes von vielen hundert Fuß befand. Der Renner war hinabgesprungen, ohne sich zu beschädigen, und weidete weit draußen am Horizonte im hohen Grase. Das ist die Geschichte, welche mir der Texaner erzählt hat, als er von dieser Jagd zu Fuße und bis zum Tode er schöpft zurückkehrte.«

Jetzt öffnete sich das Zelt des Engländers, welcher aus demselben hervortrat und nach dem Waldesrande ging, wo die drei Pferde weideten. Dort lag auch Wilson.

»Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Ich möchte die Umgebung absuchen, ob nicht die Spuren des weißen Renners zu finden sind, sattelt mein Pferd!«

»Euer Pferd satteln? Davon steht nichts im Kontrakte. Ich bin Euer Leibgardist, aber nicht Euer Reitknecht!«

»Well, so sattle ich es mir selbst!«

Er that dies, stieg auf und ritt, geführt von dem wohlbewaffneten Wilson, ohne jede Art von Bewehrung in den Wald hinein. Sie kamen an eine Art Kanal, durch welchen der Büffelsee seine Wasser dem rothen Flusse zuführte. Hier stand eine Riesenceder, welche der Engländer lange und von allen Seiten betrachtete.

»Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Errichten wir den Feldstuhl hier an dieser Stelle! Ich will den Baum in meine Mappe zeichnen!«

»Thut es! Ich werde einstweilen die Umgegend absuchen, ob Ihr auch sicher seid!«

Nach einiger Zeit kehrte er zurück und legte sich neben[534] der aufgeschlagenen Staffelei in das Gras. Der Engländer zeichnete, und der Amerikaner träumte. Dabei entging dem letzteren aber nicht das geringste Geräusch, welches auf das Nahen eines feindlichen Wesens hätte schließen lassen.

Plötzlich sprang er auf und stellte sich mit schußfertiger Büchse vor den Zeichner, um diesen mit seinem Leibe zu decken.

»Sir Wallerstone!«

»Master Wilson!«

»Es kommt ein Reiter!«

»Geht mich nichts an!«

»Es ist ein Weißer!«

»Das ist Eure Sache. So steht es im Kontrakt!«

»Halt, wer seid Ihr?« rief Wilson, die Finger am Drücker.

Der Nahende blieb halten und ließ seine Büchse gesenkt.

»Gut Freund. Nehmt Euer Gewehr weg. Ich bin allein!«

Wilson ließ das Gewehr sinken. Der Fremde kam näher.

»Wer seid Ihr?« wiederholte der erstere seine Frage.

»Mein Name ist Petro Diaz. Könnt Ihr mir sagen, ob Don Augustin Pena sich am Büffelsee befindet?«

»Er ist dort. Wo kommt Ihr her?«

»Aus den Nebelbergen.«

»Ah! Sir Wallerstone, dieser Sennor kommt auch aus den Nebelbergen!«

»Geht mich nichts an!«

»Was thatet Ihr dort, Sennor?«[535]

»Wir hatten eine Expedition, die aber von den Apachen vernichtet wurde. Ich bin der Einzige, der entkam.«

»Außer drei weißen Jägern, die sich noch dort befinden.«

»Saht Ihr sie?«

»Nein, aber ich hörte von ihnen. Ihr habt die Berge also früher verlassen als wir!«

»Wahrscheinlich. Ich wurde aufgehalten, weil mein Pferd hinkte und ich mir ein besseres fangen mußte. Was hörtet Ihr von den drei Jägern? Sind sie den Apachen entkommen?«

»Ich weiß es nicht! Ein Comanche, Falkenauge, wollte zu ihnen.«

»Falkenauge? Dann sind sie gerettet! War er allein?«

»Ja, doch hatte er an der Büffelinsel einen Trupp seiner Leute stehen, die auf ihn und die drei Jäger warten sollten.«

»Gott sei Dank, dann sind wir vielleicht geborgen! Sennor, wagt Euch nicht zu weit von hier fort! Die Apachen sind hinter mir, um den Büffelsee zu überfallen!«

Er lenkte sein Pferd zum Kanale, um demselben entlang den See zu gewinnen.

»Sir Wallerstone!«

»Master Wilson!«

»Die Apachen wollen uns überfallen!«

»Geht mich nichts an!«

»Aber wir müssen uns nach dem See zurückziehen!«

»Goddam, ich muß hier zeichnen! Ich bleibe hier, und Ihr sorgt für meine Sicherheit!«

»Steht davon, daß Ihr diese Ceder zeichnen sollt, etwas im Kontrakte?«[536]

»No. Ich muß Euch folgen!«

Er klappte Stuhl und Staffelei zusammen und stieg zu Pferde, um zum See zurückzukehren.

Diaz erreichte diesen vor ihm. Pena stand unter dem Eingange seines Zeltes und erblickte ihn, sobald er unter den Bäumen hervorkam.

»Sennor Diaz! Bei allen Heiligen, seid Ihr es, oder ist es Euer Geist?« rief er erschrocken, denn die Rückkehr dieses Einzelnen sagte ihm sofort Alles.

»Ich bin es selbst. Darf ich bei Euch absteigen?«

»Ja, kommt, kommt! Rosarita, Rosarita,« rief er, den Vorhang ihres seidenen Zeltes öffnend, »komme heraus, Sennor Petro Diaz ist von der Expedition zu rück!«

Sie erschien, und auch sie erbleichte, als sie den Indianertödter erblickte.

»Kommt und tretet ein, denn Ihr müßt erzählen, Sennor Diaz!« bat Augustin, indem er ihn in das Zelt schob, wo die Drei Platz nahmen. »Wie ist es mit der Expedition?«

»Vernichtet!«

Vater und Tochter erbleichten.

»Und Don Estevan?«

»Todt?«

»Cuchillo, Baraja, Oroche, Benito?«

»Alle todt. Ich bin der Einzige, welcher entkam.«

»Santa Madonna!« rief Sennor Augustin.

Rosarita stieß einen Schrei aus und schlug ihre kleinen Händchen vor das Angesicht.

»Und Tiburcio Arellanos?«

»Gehörte nicht zur Expedition, vielmehr verfolgte er sie als Feind derselben. Der junge Graf de Mediana[537] lebte noch, als ich die Nebelberge verließ, und soeben erfuhr ich von einem Jäger, der hier bei Euch ist, daß er wahrscheinlich die Heimath glücklich erreichen wird.«

»Der Graf de Mediana? Ihr sagtet doch, Don Estevan sei todt!«

»Allerdings! Don Estevan de Arechiza, welcher, wie blos Ihr wußtet, Graf de Mediana und Herzog de Medina war, ist todt, gestorben durch ein Savannengericht als Mörder und Menschenräuber. Aber sein Neffe, der junge Graf de Mediana lebt. Ich verließ ihn in einer schlimmen Lage; die Räuber der Savanne hielten ihn mit den Apachen belagert; aber er hat den ›großen Adler‹ und den ›zündenden Blitz‹ bei sich, und Falkenauge, der tapferste der Comanchen, wird ihm auch beistehen. Ich soll Euch von ihm grüßen, Sennor Augustin, und auch Euch, Sennorita!«

»Sein Neffe, der junge Graf de Mediana? Den kenne ich nicht; ich weiß gar nichts von ihm!«

»Ihr kennt ihn sehr gut! Es ist Tiburcio Arellanos.«

»Tiburcio?« frug erstaunt Don Augustin.

»Tiburcio?« rief auch Rosarita, indem sie ihre Hände sinken ließ. »Er lebt also noch. Er ist nicht todt?«

Neue Röthe war auf ihre Wangen zurückgekehrt, und ihre Augen begannen wieder zu glänzen.

»Ich sagte es ja!«

»Erzählt, erzählt!« rief der Haziendero. »Es muß Furchtbares und Unerhörtes geschehen sein!«

»So hört!«

Er begann.

Sie lauschten athemlos seinen Worten, mit denen er alle seine Erlebnisse ausführlich schilderte. Mit keinem Worte wurde er unterbrochen, und selbst als er geendet[538] hatte, blieb es noch lange Zeit still in dem kleinen, luftigen Raume.

Endlich holte der Haziendero tief Athem.

»Die Wege Gottes sind wunderbar. Rosarita, der arme Rastreador ist jetzt mein und auch Dein Herr!«

Das war die Quintessenz, welche er im Drange des Augenblickes aus dem Gehörten zog.

Da ertönte draußen ein vielstimmiger Ruf des Schreckens, welcher von den sämmtlichen Vaquero's ausgestoßen wurde. Don Augustin und Diaz eilten hinaus. Alle anwesenden Männer hatten die Waffen ergriffen und blickten nach dem unteren Ufer des Sees, an welchem ein bis an die Zähne bewaffneter Indianer heraufgesprengt kam. Sein Pferd war ganz mit den Skalpen getödteter Feinde behangen; durch den Turban, welcher seinen Kopf bedeckte, schlang sich die Haut einer riesigen Klapperschlange; in seinem Gürtel glänzten Tomahawk und Skalpmesser, und in seiner Rechten hielt er eine mit silbernen Nägeln verzierte Büchse.

»Indianer! Zu den Waffen, zu den Waffen!« rief es rundum.

Sir Wallerstone wurde durch diesen Ruf aus seinem Zelte gelockt.

»Was ist es, Master Wilson!«

»Ein Wilder kommt. Wir werden wohl kämpfen müssen!«

»Geht mich nichts an!«

Er kehrte in sein Zelt zurück.

Der Indianer kam näher, so daß man die Malereien seines Gesichtes erkennen konnte.

»Es ist ein Comanche, Sennor Augustin!« meinte Wilson.[539]

»Ja, ein Comanche,« stimmte Diaz bei. »Ihr könnt ruhig sein, Sennorita!«

Der Haziendero gebot den Vaquero's, zu schweigen und sich ruhig zu verhalten.

»Falkenauge, per dios, das ist kein Anderer als Falkenauge!« rief da eine Stimme.

Sie gehörte Encinas', welcher sich hervordrängte und seinem rothen Bekannten entgegeneilte.

»Der Cibolero!« rief dieser. »Will mein weißer Bruder mir sagen, wo das Bleichgesicht steht, welches Augustin Pena heißt?«

»Dort der schwarzbärtige Mann am großen Zelte!«

Der Indianer kam herankourbettirt, parirte sein Pferd und senkte die Büchse.

»Falkenauge, der Comanche, kommt, seine weißen Freunde zu grüßen. Dieser weiße Sennor heißt Augustin Pena?«

»Ja,« antwortete der Haziendero.

»Ist nicht gekommen zum Büffelsee Petro Diaz, der Indianertödter?«

»Ich bin es!«

»Und ein Mann mit vier Augen, welcher –«

Er hielt inne, denn er erblickte Wilson, dessen Anwesenheit seine Frage beantwortete. Dann sah er Rosarita, welche sich scheu unter den Eingang ihres Zeltes zurückgezogen hatte. Schnell war er vom Pferde und stand vor ihr.

»Diese Blume unter dem Zelte der Sterne ist der Stern von Sonora?«

Sie erglühte und niemand antwortete.

»Falkenauge, der Comanche,« fuhr er fort, »soll[540] geben dem Stern von Sonora diesen Ring zum Zeichen, daß noch lebt Tiburcio, der große Pfadfinder!«

Es war der Ring seiner Mutter, welchen er von Arechiza erhalten hatte. Sie nahm ihn mit zitternden Fingern aus seiner Hand.

Dann wandte er sich zu dem Haziendero.

»Sennor Augustin, der Indianertödter und der Montanamann mögen kommen mit Falkenauge zur Berathung!«

Ohne erst eine Einladung abzuwarten, trat er ihnen voran in das Zelt. Dort aber zog er vor, stehen zu bleiben, statt sich zu setzen.

»Ist der Indianertödter gekommen auf eine Spur der Apachen am rothen Flusse?«

»Nein!«

»Hat der Montanamann gesehen die Kriegskanoes der Schakale im Wasser?«

»Nein.«

»Die Räuber der Savanne sind gestoßen zu den Hunden der Apachen. Sie liegen im rothen Flusse da, wo dieser trinkt die Fluth des Büffelsee's. Aber hinter ihnen halten die Krieger der Comanchen mit dem ›großen Adler‹, dem ›zündenden Blitz‹ und dem großen Pfadfinder. Tiburcio wollte gehen zu den Bleichgesichtern, um sie zu warnen, aber der ›große Adler‹ läßt ihn nicht wieder von sich.«

Don Augustin erschrak um seiner Tochter willen. So nahe hatte er sich die Gefahr nicht gedacht.

»Was sagt mein rother Bruder, was wir thun sollen?«

»Er sagt nichts. Er will hören die Stimme der Bleichgesichter.«

»Wir dürfen sie nicht herankommen lassen. Wir[541] müssen ihnen zuvorkommen,« meinte der Haziendero. »Wir sind mit meinen Vaqueros achtzehn Männer – – –«

»Sir Wallerstone dürft Ihr nicht zählen,« fiel Wilson ein.

»Nun gut, dann sind wir siebenzehn. Wie viele Comanchen hat mein rother Bruder bei sich?«

»Zehn.«

»So sind wir in Summa einunddreißig Männer; und wie hoch zählen die Apachen?«

»Falkenauge hat ihre Zahl nicht sehen können, da er nicht zum Feinde, sondern zu den Weißen gegangen ist, als er die Spuren der Apachen sah.«

»Wenn wir sie ungeahnt überfallen, können wir wohl mehrere Feinde auf einen Weißen rechnen. Wie Viele nimmt Falkenauge auf seine Hand?«

Der Gefragte schlug den Eingang des Zeltes zurück und deutete auf sein Pferd.

»Diese Skalpe holte sich der Comanche ganz allein in einer halben Sonne!« antwortete er stolz. »Falkenauge wird im Kampfe geben mehr als zehn Hunden seine Kugel, sein Messer und seinen Tomahawk.«

Der Haziendero blickte ihn ungläubig an.

»Es ist wahr, was er sagt,« bestätigte Wilson.

Auch Petro Diaz stimmte diesem bei.

»So werden wir sie heut Nacht überfallen. Falkenauge mag dies den Seinen sagen und uns einen Boten senden, der uns zum Feinde führt. Wenn wir ihn zwischen zwei Feuer nehmen, so wird er sicher vernichtet.«

Die beiden Andern gaben ihre Zustimmung. Falkenauge aber trat hinaus auf den offenen Platz und musterte die Umgebung.[542]

»Der Comanche wird dies nicht thun,« antwortete er zurückkehrend.

»Warum nicht?«

»Er wird fangen die Schakale, wie die Bleichgesichter fangen die Pferde der Savanne,« meinte er, nach dem Corral deutend. »Die Apachen werden Wachen ausstellen, welche die Bleichgesichter kommen sehen. Der Kampf wird sie nicht überraschen, und sie werden sich so verstecken, daß sie die Weißen tödten.«

»Das ist richtig,« meinte Diaz. »Ein Indianerlager ist schwer unbemerkt zu überfallen.«

»Auch werden, wenn die Sonne sinkt, die Apachen Kundschafter senden an den Büffelsee, denen die Bleichgesichter begegnen würden.«

»So sage uns mein rother Bruder, was wir thun sollen!«

»Der Comanche denkt, daß El Mestizo noch während der Sonne kommen wird, um zu sehen das Lager der Weißen am Büffelsee. Er wird es finden dort in dem Platze, der vom Zaun umgeben ist.«

»Ah, warum?«

»Mein Bruder lasse den Comanchen sprechen. Er darf nicht sehen den Indianertödter, den Montanamann und den Mann mit den vier Augen. Er wird beschließen, den Platz zu überfallen zur Zeit des Morgenhauches – –«

»Dann wird er uns vernichten,« meinte Diaz. »Er wird nicht durch den Eingang in den Corral dringen, sondern seinen Angriff von den Bäumen vornehmen, deren Gipfel den Platz ringsum beherrschen. Dann schießt er uns in Grund und Boden.«

»Der Indianertödter ist ein tapferer Krieger; er wird[543] thun, was er will, aber er höre vorher die Stimme des Comanchen! El Mestizo will rauben den Stern von Sonora; er wird nicht zugeben, daß die Kugel spricht, die den Stern treffen könnte, sondern eindringen durch die Pforte des Platzes. Aber er wird nicht finden die Bleichgesichter, sondern nur ihre Wigwams, und wenn er zurückkehren will, ist der Platz geschlossen und von den Bäumen donnern die Büchsen der Bleichgesichter und der Comanchen. Wenn er sieht, daß die Weißen sich sicher glauben, so wird er nicht herbeischleichen auf den Füßen der Katze, sondern kommen mit seinen Kanoes bis an den Büffelsee. Meine weißen Brüder mögen tragen ihre Wigwams schnell nach dem Platze, den sie Corral nennen, und der Stern von Sonora mag sitzen vor der Hütte, damit der Räuber ihn erblickt und seine Gedanken verliert!«

Es war ein schlauer und scharfsinniger Plan, den er hier entwickelte, und sie konnten ihm ihre Zustimmung nicht versagen. Er wurde noch in allen Einzelnheiten besprochen, und dann sprengte der Comanche von dannen. Nach Verlauf einer halben Stunde befanden sich die Zelte nebst allen Lagergegenständen im Corral; eine Anzahl der Vaquero's verschwand und mit ihnen Diaz.

Schwerer hielt es, den Engländer zu seiner Rolle zu bewegen. Wilson trat in das Zelt desselben.

»Sir Wallerstone!«

»Master Wilson!«

»Wir werden nächste Nacht von den Wilden überfallen werden!«

»Geht mich nichts an!«

»Sie werden uns vielleicht tödten!«

»Geht mich nichts an!«[544]

»Auch Euch, Sir Wallerstone!«

»Mich?« Er ergriff das Lorgnon mit den Daumen und Zeigefinger der Rechten und sah mit weit geöffnetem Munde und allen Zeichen des höchsten Erstaunens den Sprecher an. »Goddam, mich nicht! Denn wozu seid Ihr denn da?«

Er griff in die Tasche und zog ein höchst beschmutztes und abgegriffenes Pergament hervor, welches er öffnete.

»Hier steht es im Kontrakte: ›Gegen die genannte Entschädigung hat der oben angegebene Master Wilson die Pflicht, Sir William Wallerstone zu schützen und zu bewahren vor allen Gefährlichkeiten der Reise, als da sind: Indianer, Panther, Jaguare, Tiger, Bären von allen Arten und Größen, Klapper- und andere Schlangen, Alligators, Durst, Hunger, Ueberschwemmung, Wald- und Savannenbrand.‹ – Habt Ihr es gehört, Master Wilson?«

»Ja. Steht auch von Weißen und Mestizen Etwas da?«

»No. Diese habe ich nicht notirt, weil sie mir keine Gefahr bringen werden.«

»Aber der Angriff wird trotzdem von einem Weißen und einem Mestizen geleitet werden!«

»Well, so nehmen wir diese Leute nachträglich im Kontrakte auf!«

»Unter keiner Bedingung.«

»So sattle ich und gehe fort!«

»Dann werdet Ihr den Renner der Prairie nicht bekommen!«

»Goddam, das ist richtig! Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Werdet Ihr bleiben, wenn ich Euch für diese Nacht von dem Kontrakte dispensire?«[545]

»Ah, ich merke, was Ihr wollt!«

»Was?«

»Ihr habt schon längst ein Indianergefecht zeichnen wollen!«

Der schlaue Amerikaner wußte seinen Mann gut zu behandeln.

»Ah, das ist ja wahr! Also, werdet Ihr bleiben, wenn ich Euch dispensire?«

»Wenn Ihr mit kämpft wie die Andern!«

»Well, das werde ich thun!«

»So schreibt die Dispensation in mein Exemplar!«

Er brachte ein gleiches Pergament zum Vorschein, auf welches der Engländer die verlangte Bemerkung machte. In kurzer Zeit stand das Zelt desselben im Corral und er mit Wilson war verschwunden.

Einige Zeit später schlichen zwei Personen in der Richtung vom rothen Flusse nach dem Büffelsee durch die dichtesten Partien des Waldes. Der Aeltere trug einen Federstutz, während der Jüngere seinen Chignon nur mit ledernen Riemen befestigt hatte. Sie erreichten ungesehen, wie sie meinten, den Rand des Waldes und untersuchten die Umgebung des Sees.

»Alle Teufel, ist dieser Sennor Augustin unvorsichtig! Hast Du schon einmal gesehen, Alter, daß man im Corral sein Lager aufschlägt?«

»Warum nicht? Er denkt da sicherer zu sein, als dort am freien Ufer. Die Pferdejagd ist noch nicht begonnen, und so kann er dort sicherer im Zelte liegen als anderswo!«

»Eigentlich gebe ich ihm recht, aber – hm, wir müssen sehen, wie viele Leute er hat. Komm!«[546]

Sie schlichen sich mit unendlicher Vorsicht bis an die Palissaden des Corrals und stiegen hier auf eine dichtlaubige Eiche, durch deren Zweige sie den Platz genau zu übersehen vermochten.

»Dort sitzt sie und windet Sträußer! Alter, ich werde sie holen, und wenn von meinem Leben nur zwei Tage übrig blieben. El Mestizo braucht eine Frau, und sie muß es werden!«

»El Mestizo ist verrückt!« eiferte Mani Sangriente.

»Still, alter Sünder, wenn ich Dir nicht mein Messer zu kosten geben soll! Dein Theil am Raube bekommst Du auch, ohne daß Du in Gefahr kommen wirst. Zehn Vaqueros, Sennor Augustin und seine Tochter; wir brauchen nur einzutreten, das andere ist Leichtigkeit.«

»Das ist wahr! Dann sind wir Herren des Büffelsee's, fangen die Pferde des Haziendero und warten, bis diese Fürsten der Wälder kommen. Leichter ist uns kein Coup gelungen, als dieser ausgeführt wird!«

»Also zurück, um unsere Vorbereitungen zu treffen!«

Sie kletterten wieder herab und verschwanden in der Richtung, aus welcher sie gekommen waren.

Kurze Zeit später hörte Rosarita Schritte hinter sich. Sie blickte sich um und wäre beinahe erschrocken: Falkenauge stand vor ihr.

»Wenn der Morgen kommt, wird der Stern von Sonora den großen Pfadfinder sehen!«

Er trat in das Zelt des Haziendero, welcher ebenso überrascht war, den Comanchen schon wieder zu sehen.

»Falkenauge!«

»Der Comanche hat gesehen die Räuber der Savanne, sie saßen auf dem Baume und sahen die Tochter des[547] Bleichgesichts. Sie werden kommen durch die Pforte, wie der Comanche gesagt hat. Howgh!«

So schnell, wie er gekommen war, war er wieder verschwunden. –

Der Tag verging; die Nacht brach an. Tiefe Dunkelheit herrschte auf dem See und seiner Umgebung. Die Wachtfeuer, welche die Zelte der Vaquero's erleuchteten, erloschen nach und nach, und der Savannenfrosch, welcher erst nach Mitternacht laut wird, erhob seine tiefe, kräftige Stimme.

Da klang ein leises, kaum hörbares Plätschern auf dem Wasser des Kanales, und vier dunkle Gegenstände hielten, einer hinter dem andern, unter den Bäumen des Waldes. Es waren die Kanoe's der Apachen.

Dunkle Gestalten stiegen aus und schlichen sich, voran der Mestize und sein Vater, am Rande des Waldes hin bis zum Eingange des Corrals. Auf jedem Kriegskahne blieb eine einzige Wache zurück. Die Andern verschwanden unhörbar hinter den Palissaden.

»O-hiii, o-hiii!« klang da der Schlachtruf der Comanchen.

Vier wilde Gestalten sprangen in die Kähne – nach kaum einer Minute eilten sie nach dem Corral, die Skalpe der Wächter im Gürtel.

Kaum war der Ruf erklungen, so wurde es jenseits der Palissaden hell und große Bündel brennender Zweige flogen über die Umzäunung herein auf den Platz, wo die Apachen standen, bestürzt über die leeren Zelte und den Ruf der Feinde.

Die Feuer erleuchteten den Corral, und sofort erfolgte eine Salve von allen Seiten, welche eine unendliche Verwirrung[548] unter den überraschten Apachen anrichtete. Noch zweimal krachte es rundum, daß Alles wieder durcheinander und nach dem Eingange stürzte. Dieser aber war jetzt von außen verschlossen.

»Drauf!« donnerte da die mächtige Stimme des Kanadiers, und rings sprangen die dunkeln Gestalten der Weißen und Comanchen über die Verpalissadirung herein.

Nur wenige Büchsen richteten sich gegen sie. Einige Augenblicke hatten genügt, die ahnungslosen Feinde bis auf eine kleine, eng zusammenhaltende Gruppe zu Boden zu strecken.

»Wo ist der Mestize?« rief der Kanadier, auf die noch Stehenden eindringend.

»Und Red-Hand, der Schurke?« fügte Pepe hinzu, an seiner Seite vorwärts stürmend.

An ihnen vorüber flog Falkenauge. Sein scharfes Auge zeigte ihm den, den er suchte.

»Der kluge Fuchs sendet Falkenauge, zu holen den Skalp Schwarzvogels, der heulenden Memme.«

Sein Tomahawk sauste von unten an das Kinn des Häuptlings, welcher zur Erde flog. Neben ihm hielten sich Fabian und der Mestize umschlungen.

»Die Geier sollen fressen das Herz des Räubers!«

Der Comanche stieß dem letzteren das Messer zwischen die Schultern, daß seine Arme sich lösten und er mit einem unartikulirten Laute zusammenbrach.

»Falkenauge!« rief da die Stimme des Kanadiers. »Hier ist der Alte! Ich schenke sein Fell dem klugen Fuchs, dem es mein Bruder bringen mag?«

Dort, wo die Stimme erklang, lag Mani Sangriente gefesselt am Boden.[549]

Hier und da krachte noch ein Schuß, erklang noch ein Todesschrei; dann wurden die brennenden Büschel vereinigt, daß sie einen hoch auflodernden Brand bildeten, bei dessen Scheine selbst der kleinste Gegenstand zu erkennen war.

Nicht einer der Apachen war entkommen; von den Angreifern lebte nur noch Red-Hand, für den es keine Rettung gab. Der Plan des Comanchen hatte sich als vortrefflich bewiesen und sowohl zur gänzlichen Vernichtung der Feinde als auch dazu beigetragen, daß die Weißen und ihre Verbündeten nur wenige Opfer zählten.

Nun folgte bei dem flackernden Lichte des Feuers eine Scene der Begrüßung, wie sie lebhafter nicht gedacht werden kann. Die Comanchen waren mit ihren drei weißen Anführern nachgeschlichen, und darum hatte Fabian Don Augustin noch nicht sprechen können. Jetzt trat er zu ihm.

»Sennor Augustin!«

»Tiburc – per dios, verzeiht, Excellenza ich konnte mich – – –«

»Wo ist Sennora Rosarita?« unterbrach er die Entschuldigung.

»Im Walde.«

»Allein?«

»Unter der Obhut Encinas.«

»Kennen die Vaquero's den Ort?«

»Franzesko war mit dort.«

»Dann entschuldigt, Don Augustin!«

Er lief zu den Vaquero's, welche beschäftigt waren, einander zu verbinden.

»Sennor Franzesko, Ihr wißt, wo Donna Rosarita ist?«[550]

»Ja.«

»Führt mich zu ihr!«

Der angehende Held, welcher sich so tapfer gehalten, daß er einige leichte Wunden erhalten hatte, schritt voran. Tief im Walde gab es eine kleine Blößung, wo der Sennorita eine Hütte errichtet worden war, in welcher sie unter dem Schutze des bewährten Cibolero auf den Ausgang des Kampfes wartete. Sie hatte das Schießen und das Geschrei des Kampfes vernommen; sie war voll Angst und Sorge; sie konnte nicht ruhen und stand unter dem Eingange der Hütte, um aus den durch den Wald zu ihr dringenden Tönen das Ergebniß des Kampfes zu schließen.

Die Schüsse waren verhallt. Es herrschte tiefe Ruhe in der Einsamkeit.

»Sennor Encinas, werden wir gesiegt haben?«

»Sicher, denn das Geheul der Apachen war ein Geheul der Wuth und nicht des Sieges.«

»Aber wir werden Todte und Verwundete haben,« meinte sie in ängstlicher Besorgniß; »ich muß fort, muß zum Vater, um zu sehen, ob ihm etwas geschehen ist. Führt mich zu ihm, Encinas!«

»Das geht nicht, Sennorita! Er hat den Befehl gegeben, zu warten, bis er kommt oder einen Boten sendet. Horcht, das sind Schritte!«

Ein Mann drang durch die Büsche. Hinter ihm ein anderer.

»Sennor Franzesko! Wie steht es?«

»Wir haben gesiegt, Don Encinas!«

»Und der Vater?«

»Ist wohl und munter!«[551]

»Gott sei Dank! Sind die Weißen da, welche sich bei den Comanchen befanden?«

»Alle.«

»Auch Tiburcio Arellanos?«

»Auch er ist da,« antwortete die zweite Gestalt, indem sie näher trat. »Darf er dies Euch beweisen, Donna Rosarita?«

Er trat näher.

»Tiburcio!« rief sie, vom Augenblicke überwältigt, die Arme nach ihm ausstreckend.

Er umfing sie und zog sie leise, leise an sich.

»Rosarita, habt Ihr meiner gedacht, so wie ich an Euch zu jedem Tage, zu jeder Stunde, an jedem Augenblicke?«

»Ja!« hauchte sie. Dann aber schob sie sanft seine Arme von sich. »Kommt, führt mich zum Vater!«

Er nahm sie bei der Hand und schritt mit ihr dem Corral zu. Der Cibolero und Franzesko folgten.

Als sie an den See kamen, krachte noch ein Schuß, der letzte. Man hatte Gericht gehalten über Mani Sangriente; die Kugel Falkenauge's war ihm in das tückische Herz gedrungen.

»Der Comanche wird seine Haut fügen zu den Skalps des Mestizen und Schwarzvogels!« meinte dieser, indem er ihm den Skalp löste. »Die Hunde der Apachen werden ihr Fleisch geben den Wölfen und Schakalen; die Krieger der Comanchen aber kehren heim in ihre Wigwams mit den Waffen und Fellen ihrer Feinde!«

Einige der Vaquero's waren bereits beschäftigt, die Zelte wieder an ihrem früheren Ort aufzurichten, dann kehrten sie in den Corral zurück, um die Spuren des[552] Kampfes zu entfernen. Die Weißen aber saßen mit Falkenauge an dem Lagerfeuer, welches die Kühle des Morgens erwärmte und lauschten den Erzählungen der Helden der Savanne, bis Jeder das Geringste der Ereignisse kannte, welche hier am Büffelsee einen so schnellen Abschluß gefunden hatten. Nur der Bonanza wurde nicht gedacht. Sie blieb für jetzt ein Geheimniß Fabians, Diaz' und der Herren der Wälder. – – –

Es war am andern Tage. Der Engländer stand unter seinem Zelte. Er trug den linken Arm in einer Binde. Der Sonderling hatte sich während des Kampfes ganz wacker gezeigt und eine tiefe aber ungefährliche Stichwunde erhalten.

»Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Es kommt kein Apache mehr!«

»Nein.«

»Well, so werden wir unsere Dispensation wieder aufheben!«

»Einverstanden!«

»Ihr habt also wieder wie vorher für meine Sicherheit zu sorgen! Wie steht es mit dem weißen Renner?«

»Don Augustin veranstaltet heut zu Ehren seiner Gäste die längst vorgenommene Pferdejagd.«

»Geht mich nichts an!«

»Und wenn nun der Renner gefangen würde?«

»Damn, das ist wahr! Wem gehört er dann?«

»Don Augustin oder dem, der ihn fängt.«

»So werde ich ihn kaufen.«

»Ihr habt in Texas schon einmal tausend Piaster[553] für ihn geboten. Werdet Ihr ihn hier dafür erhalten? Ich glaube nicht!«

»Well, so biete ich zweitausend!«

»Und wenn das auch nicht zieht? Vielleicht dreitausend oder fünftausend nicht?«

»Goddam, so werden wir ihn stehlen!«

»Davon steht nichts in unserem Kontrakte. Aber seht, dort kommt Sennor Tiburcio mit den beiden Jägern! Ist dieser Bois-rosé nicht ein Mann, der zwanzig Indianer niedertritt?«

»Geht mich nichts an!«

Rosenholz und Pepe schritten nach dem Corral zu, Fabian aber trat zu dem Engländer.

»Sennor Wallerstone, Don Augustin läßt Euch bitten Platz auf der Tribüne zu nehmen. Es ist bereits die Nachricht angelangt, daß eine zahlreiche Kavallade im Anrücken ist.«

»Geht mich nichts an!«

Er wollte in sein Zelt zurückkehren, Wilson aber hielt ihn ab.

»Wenn nun aber der Renner dabei ist! Wollt Ihr auf diesen verzichten?«

»No; ich gehe mit!«

An dem Rande des Waldes, da, wo dieser an den Corral grenzte, war in den Zweigen der Bäume, welche die Palissaden überragten, eine Art Balkon gebaut, welcher bestimmt war, die Zuschauer aufzunehmen, die das interessante Schauspiel eines Pferdetreibens genießen wollten.

Zelte, Pferde und Alles, was der Kavallade im Wege sein konnte, war entfernt, und Don Augustin Pena hatte[554] bereits mit Rosarita und den andern Platz genommen, als die Drei zur Tribüne emporstiegen.

Die Vaquero's hatten schon während des vorigen Tages die Savanne abgetrieben und in der Nacht den Kreis um die wilden Pferde immer enger gezogen. In Erwartung des Kommenden wurde jede Unterhaltung abgebrochen. Das Geschrei einer Weihe, welche über die Lichtung flog, hatte die Vögel des Waldes zum Schweigen gebracht, und so herrschte die vollständigste Ruhe ringsumher.

Da erscholl mitten durch diese Stille das schrille Pfeifen der Vaquero's aus der Tiefe des Waldes. Dann ertönte ein lautes, durchdringendes Geschrei, welches sich von allen Seiten näherte. Kurze Zeit darauf ließ sich ein Wiehern vernehmen, welches schnell näher kam und auf eine beträchtliche Anzahl wilder Pferde schließen ließ. Das Getöse vermehrte und vergrößerte sich, die Kavallade war schon so nahe, daß man ihr ängstliches Schnauben vernehmen konnte. Alle Bewohner des Waldes wurden unruhig vor Schrecken; Schaaren von Vögeln flogen kreischend auf; Eulen flatterten verstört im Lichte des Tages, und Hirsche entflohen schreiend aus ihren verborgenen Zufluchtsörtern.

Da krachten die Sträucher; junge Bäume ächzten unter dem Anlaufe der Pferde; das Pfeifen, Schreien und Heulen der Treiber wurde ein beinahe dämonisches, und jetzt öffnete sich der grüne Vorhang, welcher die Lichtung einschloß, um ein ganzes Meer von wogenden Köpfen und Körpern hindurchzulassen, die mit flammenden Augen, rothen, dampfenden Nüstern, flatternden Mähnen und fliegenden Schweifen, vor den Vaquero's fliehend, zwischen Wald und See gerade nach dem Corral zu sprengten.[555]

Vor demselben staute sich das vielfarbige Meer einen Augenblick lang auf; die blitzenden Augen der vordersten Thiere richteten sich argwöhnisch auf das mit Zweigen verhüllte Pfahlwerk; aber die Treiber ließen ihnen keinen Ausweg; ein herrlicher, prachtvoller Schimmelhengst führte die Heerde; er konnte dem Drängen hinter sich nicht widerstehen und stürzte mit gesenktem Kopfe in den Corral – die ganze, zwei- bis dreihundert Stücke zählende Kavallade hinter ihm drein.

»Hurrah, hurrah, wir haben sie!« rief es rundum von den Tribünen und aus dem Munde der Vaquero's, welche sich beeilten, die starken Riegelbalken vorzuschieben.

In dieses Siegesgeschrei mischte sich eine Stimme, welche alle andern übertönte:

»Er ists, er ists, heigh-ho, er ists!«

»Wer denn, Sir Wallerstone?« frug Don Augustin.

»Goddam, seht Ihr ihn denn nicht, den weißen Renner der Prairie? Dort den Schimmelhengst, dem die andern folgten!«

Einige Sekunden verflossen, ohne daß die stolzen Kinder der Savanne und des Waldes etwas merkten; als sie aber bemerkten, daß sie von einer festen Mauer von Baumstämmen umgeben seien, erscholl ein Wiehern rasenden Schmerzes, ähnlich dem Schmettern von tausend Trompeten. Sie suchten einen Ausweg, ohne ihn zu finden. Ihre Augen sprüheten; die erschreckten Köpfe warfen ganze Wogen weißen Schaumes von sich, und in einem wirren Durcheinander kreuzten und umsprengten sie sich.

Das schnellste und aufgeregteste von allen war der Schimmel, ein Thier vom fleckenlosesten Weiß, wie die Blüthe der Wasserlilie. Das stolze Thier stürzte von einem[556] Ende des Corrals zum andern und warf diejenigen seiner Unglücksgefährten, welche dem Stoße seiner Brust nicht auszuweichen vermochten, in seinem Zorne zu Boden. Ein weiter Raum bildete sich um das umherfliegende Thier, welches seine weiße Mähne schüttelte und mit seinem wüthenden Gewieher die Luft erfüllte.

Diaz sprang auf und beugte sich weit vor. Er war einer der kühnsten Reiter und genoß den Anblick des Pferdes mit wahrhaftiger Begeisterung.

»Dieses Thier wird frei oder es stirbt,« rief er. »Es ist nicht zu bändigen!«

»Nicht?« rief Fabian.

Seine Augen blitzten; seine Wangen rötheten sich.

»Paßt auf, Sennores, was Tiburcio Arellanos kann!«

Im Augenblicke war er von der Tribüne herab und im Walde verschwunden.

Die Mustangs rannten gegen das Pfahlwerk; es war zu stark und widerstand dem fürchterlichen Anpralle; es stöhnte und krachte, aber es gab nicht nach. Ein feuchter Dunst schwebte wirbelnd über den keuchenden Thieren. Die einen bissen wüthend in die unerschütterlichen Palissaden, andere scharrten die Erde mit den Hufen auf; noch andere stürzten, von ihrer leidenschaftlichen Wuth übermannt, wie vom Blitze getroffen und ohne sich wieder zu erheben, zu Boden, und die grimmigsten schlugen und bissen nach ihren Gefährten. Dann hörte die Kavallade, wie ein Meer erkaltender Lava, nach und nach auf zu wüthen; der Wuth folgte die Bestürzung und dieser eine düstere Regungslosigkeit – die wilden Bewohner des Waldes waren einstweilen besiegt.

Da scholl der Trab eines Pferdes zwischen den[557] Bäumen hervor. Fabian nahte auf dem Pferde des Comanchen, nur mit dem Lasso bewaffnet.

»Oeffnet!« gebot er den Vaquero's.

»Santa Lauretta, was wollt Ihr thun, Sennor Fabian!« rief Pepe. »Ihr seid ja verloren in der Heerde dieser wüthenden Bestien.«

Auch die Andern alle riefen ihm Einhalt zu, aber schon waren die Riegel entfernt, und er sprengte in den Corral, mitten unter die Thiere hinein.

Noch tobte der Schimmel hin und her. Als er den Reiter bemerkte, floh er entsetzt von dannen. Fabian stürmte hinter ihm drein. Der wilde Lauf ging einige Male rund um den Corral herum; die Thiere, welche im Wege standen, wurden bei Seite gerannt oder umgeworfen. Da schlug Fabian eine Sehne quer über dem Raum – der Lasso wirbelte um seinen Kopf, zischte sausend durch die Luft und schlang sich um den Hals des Schimmels. Dieser flog von dannen, der kühne Reiter hinter ihm her, indem er den Lauf seines Pferdes hemmte, so daß der Lasso sich straff anspannen mußte. Da plötzlich riß er sein Thier herum, ein fürchterlicher Ruck – das Pferd des Comanchen ward auf die Kniee gerissen, der Schimmel aber wälzte sich am Boden, schlug mit den Hufen um sich und bemühte sich vergebens, wieder emporzukommen.

Eigentlich spannt der Pferdebändiger den Lasso sofort nach dem Wurfe an, diesem wilden, kraftvollen Thiere gegenüber aber hätte dies unbedingt zu einem Mißerfolge geführt. Fabian riß sein Pferd wieder auf – ein zweiter Ruck, und die Schlinge legte sich so fest um den Hals des Mustangs, daß ihm der Athem verging. Jetzt sprang Fabian vom Pferde, welches, wohl eingeschult, den Lasso[558] straff angespannt erhielt. Einen zweiten Lasso von seinen Hüften schlingend, befestigte er diesen an dem Kopfe und Maule des Schimmels, stellte sich mit ausgespreizten Beinen über den Leib desselben und durchschnitt den angespannten Riemen. Sofort sprang der Schimmel auf. Zum ersten Male in seinem Leben fühlte er eine Last auf seinem Rücken; er stand wie erstarrt vor Ueberraschung. Dann aber ging er abwechselnd vorn und hinten in die Höhe, bockte zur Seite, wälzte sich am Boden – der unerschütterliche Reiter blieb immer über ihm. Da stürmte er in wilder, blinder Wuth rund um den Corral.

»Paßt auf, Sennores!« rief Fabian.

Ein fürchterlicher Druck seiner Schenkel, eine Anspannung des Lasso's – der Schimmel flog quer über den Raum und mit einem unmöglich gehaltenen Satze über die Palissaden hinweg. In zwei Augenblicken war er über die Lichtung hinweggeschnellt, dann spritzten die Wogen des Sees über Roß und Reiter zusammen. Noch eine Minute, dann verbarg eine in das Wasser vorspringende Ecke des Waldes beide den nachblickenden Augen der bewundernden Zuschauer.

Diese verließen die Tribünen, um seiner Rückkehr unten entgegen zu sehen. Die Kavallade mußte nun noch durch Hunger und Durst gefügig gemacht werden.

Wohl gegen zwei Stunden waren vergangen, als sich endlich der kühne Rastreador wieder zeigte. Er kam im langsamen Schritte am See herabgeritten. Der Schimmel war gebändigt. Alle empfingen ihn mit aufrichtiger Bewunderung.

»Santa Lauretta, das mag ich Euch nicht nachthun!« meinte Pepe.[559]

»Der Graf von Mediana ist der kühnste Grand von Spanien,« lachte Bois-rosé.

»Ihr seid der beste Reiter von Sonora, Sennor Fabian!« betheuerte Diaz.

Rosarita lächelte glücklich bei der Anerkennung, welche der Geliebte von allen Seiten erntete.

»Don Fabian,« frug der Engländer, indem er sein Lorgnon mit Daumen und Zeigefinger der Rechten faßte und den dampfenden Schimmel durch die großen Gläser mit gierigem Blicke betrachtete. »Wem gehört dieses Thier?«

»Don Augustin natürlich!«

»Geht mich nichts an!«

»Nein, Don Fabian gehört er,« widersprach der Haziendero. »Er gehört Euer, Excellenza, Ihr wißt ja wohl, warum, und überdies habt Ihr ihn gezähmt!«

»Geht mich nichts an! Ich muß ihn haben! Es ist der Renner der Prairie.«

»Ich glaube nicht, daß ihn Don Augustin verkaufen wird,« meinte Fabian.

»Geht mich nichts an! Ich gebe tausend Piaster!«

»Und ich glaube nicht, daß ihn Don Fabian dafür hergeben wird,« sprach Sennor Pena.

»Well, ich gebe zweitausend!«

»Er wird nicht verkauft!« entschieden beide.

»Dreitausend!«

»Nicht für fünftausend!« betheuerte Fabian.

»Nicht für zehntausend,« stimmte der Haziendero bei.

»Godam, ich gebe Euch so viel Ihr wollt!«

»Das Pferd ist ein Geschenk für Sennora Rosarita. Sie wird es reiten!« entschied Fabian.[560]

»Well, mit einer Miß kann ich nicht handeln! Aber da ich den Renner nicht erlange, so kann ich sie auch nicht malen. Master Wilson!«

»Sir Wallerstone!«

»Macht Euch fertig. Wir kehren nach Worchester, Hallstreet 26, zurück.«

»Ihr, aber nicht ich! Davon steht nichts in unserem Kontrakte. Ich bringe Euch nach Galvestone, Texas, und dann könnt Ihr thun was Euch beliebt! Doch sagt, habt Ihr Euer Schlachtbild schon fertig!«

»Geht mich nun auch nichts an!«

Er trat außerordentlich verstimmt in sein Zelt.

Nach einiger Zeit nahmen die beiden Männer Abschied, der Engländer höchst frostig, Wilson aber mit freundschaftlichen Gefühlen für die tapfern und berühmten Leute, mit denen er einige Tage zusammengelebt hatte.

Am andern Morgen saßen auch die Comanchen zu Pferde, um zu ihren Wigwams zurückzukehren.

Falkenauge hatte seine Aufgabe erfüllt: er brachte dem klugen Fuchse die Skalpe des Schwarzvogels und der beiden Wüstenräuber und Mo-la die große Medizin, welche der Engländer gezeichnet hatte. Er war sicher, Häuptling zu werden und die »Blume der Savanne« als Squaw in seine Hütte führen zu dürfen.

»Manitou sagt zu Falkenauge, daß er gehen soll. Er wird erzählen seinen Brüdern von den Fürsten der Wälder und dem großen Pfadfinder, der gebändigt hat den Renner der Prairie, von Diaz, dem Indianertödter, von dem guten Haziendero und dem Stern von Sonora. Wakondah gebe ihnen lange Tage und einen starken Arm, der nie ermüdet gegen ihre Feinde. Howgh!«[561]

Ueber und über mit Skalpen behangen ritt er, gefolgt von den Seinen und Bisonmähne, welcher seinen Fehler wieder gutgemacht hatte, davon. –

Auch die Andern blieben nicht länger am Büffelsee. Sie gingen allesammt nach der Hazienda del Venado, wo sie ausruhen konnten von ihren Mühen und Entbehrungen.

Ist Fabian lange dort geblieben, oder ging er hinüber nach Spanien, um seine Ansprüche auf die Grafschaft de Mediana geltend zu machen? Hat er auf die Bonanza verzichtet oder das Goldthal wiedergesehen mit dem Grabe des Häuptlings und all seinen Schrecken und Schätzen? Sind die »Fürsten der Wälder und Herren der Savanne« mit ihm im Lande der Civilisation geblieben, oder hörte man die Stimmen ihrer Büchsen wieder in der Prairie? Ist keine Kunde zwischen den Bleichgesichtern und Falkenauge, dem Comanchen, gewechselt worden? Was wurde aus Petro Diaz, aus Encinas und allen Denen, welche diese Erzählung überlebten? Hat der Stern von Sonora dem großen Pfadfinder auch fernerhin geleuchtet?

Heut müssen diese Frage unbeantwortet bleiben, denn der »Waldläufer« hat noch gar manches Abenteuer erlebt, von welchem der freundliche Leser später hören wird. – –[562]

Quelle:
Der Waldläufer von Gabriel Ferry. Für die Jugend bearbeitet von Carl May. Stuttgart (1879).
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Waldläufer
Der Waldläufer
Der Waldläufer: Für die Jugend bearbeitet von Karl May

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon