[4] Ganymed. Jupiter.
GANYMED.
Da bin ich! Was schaffen Ihro göttlichen Gnaden?
JUPITER.
Meine Schminktiegeln, meine falschen Waden;
Meine Amtsperücke und mein Göttergewand!
Was nützt ohne Prunkkleid der größte Verstand![4]
Auch ein Dummkopf macht Glück in dieser Zeit,
Steckt er in einem modernen schönen Kleid.
Den weisesten, aber schlecht gekleideten Mann,
Sieht nicht einmahl ein Hund, geschweig ein Mensch mehr an.
GANYMED.
Wahr! Man sollte jedes Wort in Gold eingraben!
JUPITER.
Wir wissen etwas Bessers damit zu thun, wenn wirs haben
Also nur hurtig, du weißt, daß die Götter kommen!
GANYMED.
Ich möchte gern – aber – ich bin so beklommen!
Als hätt ich heut lauter Moschus und Kampfer eingenommen.
Die Kleider –
JUPITER.
Hast du's etwa gar versetzt?
Oder zum Ball ausg'liehen?
GANYMED.
Fassen Sie Sich jetzt.
Wissen müssen Sie's doch; es ist unerhört!
Die Göttinn hat Ihr ganzes Gewand im Kasten eingesperrt.
Heut ists wieder aus. Sie hats Oberst zu Unterst gekehrt!
Nicht einmahl den Tagsrebell von der Hauptwach hat man gehört.
So hat sie's noch nie getrieben – ihre Kammerkatzeln,
Hats maulschellirt mit den göttlichen Prazeln.
Und hätt' ichs nicht durch meine Flucht vereitelt,
Sie hätte heute mir gewiß den Schopf gebeutelt.
JUPITER.
Was ist ihr denn wieder in die Glieder g'fahren?
Das Weib nimmt an Galle zu mit den Jahren.[5]
So kommt Doktor und Apotheker nie ausm Haus,
Wenn s' nicht unsterblich wär, 's wär längst mit ihr aus.
Die wird mich heut wieder kuranzen und plagen,
Heut muß ich schon hungern, heut krieg ich nichts z'nagen.
GANYMED.
Sie wissen, daß ich mit der Köchinn aufm guten Fuß steh?
Ich bring Ihnen's heimlich – doch still! sacre bleu!
Wenn's die Juno erfuhr, da hätt die Köchinn guten Rath,
Wo kriegt's Mensch einen Dienst ohne Attestat!
JUPITER.
Ich verlaß mich auf dich. Aber was ist anzufangen,
Soll ich die Götter im Schlafrock empfangen?
GANYMED.
Das ist auf der Welt schon lang hergebracht,
Es werden im Schlafrock allerley Dinge ausg'macht.
Wenn d'Bedienten im Schlafrock d'Leut empfangen,
So wird man vo Jupiter doch nichts anders verlangen?
JUPITER.
Jetzt tritt ab, und laß einen vor nach dem andern –
GANYMED.
Sie werden so klug, wie s' kommen, wieder wandern.
Verlassen Sich Euer Göttlichkeit nur auf mich,
Ich bin Ihr Valet d'chambre auf Hieb und Stich.
Öffnet die Thür.
Ruft.
Apollo herein!
Ab.
Buchempfehlung
1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro