Zweyte Scene.

[4] Ganymed. Jupiter.


GANYMED.

Da bin ich! Was schaffen Ihro göttlichen Gnaden?

JUPITER.

Meine Schminktiegeln, meine falschen Waden;

Meine Amtsperücke und mein Göttergewand!

Was nützt ohne Prunkkleid der größte Verstand![4]

Auch ein Dummkopf macht Glück in dieser Zeit,

Steckt er in einem modernen schönen Kleid.

Den weisesten, aber schlecht gekleideten Mann,

Sieht nicht einmahl ein Hund, geschweig ein Mensch mehr an.

GANYMED.

Wahr! Man sollte jedes Wort in Gold eingraben!

JUPITER.

Wir wissen etwas Bessers damit zu thun, wenn wirs haben

Also nur hurtig, du weißt, daß die Götter kommen!

GANYMED.

Ich möchte gern – aber – ich bin so beklommen!

Als hätt ich heut lauter Moschus und Kampfer eingenommen.

Die Kleider –

JUPITER.

Hast du's etwa gar versetzt?

Oder zum Ball ausg'liehen?

GANYMED.

Fassen Sie Sich jetzt.

Wissen müssen Sie's doch; es ist unerhört!

Die Göttinn hat Ihr ganzes Gewand im Kasten eingesperrt.

Heut ists wieder aus. Sie hats Oberst zu Unterst gekehrt!

Nicht einmahl den Tagsrebell von der Hauptwach hat man gehört.

So hat sie's noch nie getrieben – ihre Kammerkatzeln,

Hats maulschellirt mit den göttlichen Prazeln.

Und hätt' ichs nicht durch meine Flucht vereitelt,

Sie hätte heute mir gewiß den Schopf gebeutelt.

JUPITER.

Was ist ihr denn wieder in die Glieder g'fahren?

Das Weib nimmt an Galle zu mit den Jahren.[5]

So kommt Doktor und Apotheker nie ausm Haus,

Wenn s' nicht unsterblich wär, 's wär längst mit ihr aus.

Die wird mich heut wieder kuranzen und plagen,

Heut muß ich schon hungern, heut krieg ich nichts z'nagen.

GANYMED.

Sie wissen, daß ich mit der Köchinn aufm guten Fuß steh?

Ich bring Ihnen's heimlich – doch still! sacre bleu!

Wenn's die Juno erfuhr, da hätt die Köchinn guten Rath,

Wo kriegt's Mensch einen Dienst ohne Attestat!

JUPITER.

Ich verlaß mich auf dich. Aber was ist anzufangen,

Soll ich die Götter im Schlafrock empfangen?

GANYMED.

Das ist auf der Welt schon lang hergebracht,

Es werden im Schlafrock allerley Dinge ausg'macht.

Wenn d'Bedienten im Schlafrock d'Leut empfangen,

So wird man vo Jupiter doch nichts anders verlangen?

JUPITER.

Jetzt tritt ab, und laß einen vor nach dem andern –

GANYMED.

Sie werden so klug, wie s' kommen, wieder wandern.

Verlassen Sich Euer Göttlichkeit nur auf mich,

Ich bin Ihr Valet d'chambre auf Hieb und Stich.


Öffnet die Thür.

Ruft.


Apollo herein!


Ab.


Quelle:
Carl Meisl: Theatralisches Quodlibet, Pesth 1820, S. 4-6.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon