Achtes Kapitel

[103] Wie Lazaro mit seiner Frau prozessierte.


Wir Menschen gehören zum Geschlechte der eierlegenden Hühner: wenn wir etwas Gutes tun wollen, so gackern wir und rufen es aus; ist es aber etwas Böses, so wünschen wir nicht, daß es jemand wisse, damit man uns nicht abrate und verhindere, was doch sehr gut wäre.

Ich ging einen meiner Freunde zu besuchen, die sich, seit ich Geld hatte, wie Fliegen beim Obst vermehrt hatten, und fand deren drei beisammen. Ich eröffnete ihnen meinen Wunsch, zu meinem Weibe zurückzukehren und mich aus dem üblen Gerede zu bringen, weil ein gekanntes Übel besser sei als ein Gut, das man erst kennen lernen solle. Diese machten mir aber mein Vorhaben zuwider, indem sie sagten, ich wäre ein Mensch ohne alles Ehrgefühl, der kein Blut im Auge und kein Gehirn im Kopfe hätte, wenn ich mich wieder mit dieser Mähre, dieser Wärmflasche, dieser Laternenputzerin und Teufels Mauleselin (so nennt man in Toledo die Beischläferinnen der Geistlichen) zu verbinden gedächte.

Solche Dinge sagten sie mir und redeten mir so zu, daß ich beschloß, weder zu bitten noch hinzuschicken. Als sie nun sahen, daß ihr Rat und ihre Überredungen wirksam waren, so gingen sie noch weiter und sagten, sie rieten mir als ihrem Herzensfreund, ich möchte den mir angetanen Schimpf abwaschen und den Flecken meiner Ehre auslöschen, indem ich gegen den Erzpriester und gegen mein Weib eine gerichtliche Klage führte, besonders da mir dies keine Blanke kosten würde, weil sie selbst Diener der Gerechtigkeit wären. Der eine, der ein Prokurator verlorener Prozesse war, bot mir hundert Dukaten für[104] meinen Gewinn: der andere, der noch mehr Erfahrungen hatte (er war privatisierender Advokat), sagte, wenn er in meiner Haut stäke, er würde meinen Vorteil nicht für zweihundert hingeben: der dritte versicherte mir (da er Gerichtsdiener war, so wußte er es sehr gut), er habe andere, weit weniger klare und sehr zweifelhafte Prozesse gesehen, die denen, die sie geführt, unendlichen Gewinn gebracht hätten.

Kurz, sie wußten mir so zuzureden und mich durch schöne Hoffnungen so lüstern zu machen, daß ich ihnen nicht mehr widerstehen konnte, obgleich es mich bedünkte, daß es besser sei, zu verzeihen und mich zu unterwerfen als die Sache aufs Äußerste zu treiben. Denn meinem Weibe hatte ich ja zu verdanken, daß ich zuerst mein Haupt erhob und ein Amt und gutes Auskommen erhielt; und ob die Tochter, von welcher der Erzpriester sagte, sie sei nicht die meinige, es war oder nicht, das weiß allein Gott, der Erforscher der Herzen; und es konnte wohl sein, daß ebensogut, wie ich mich täuschte, auch er sich täuschte, so wie auch der Fall möglich wäre, daß irgendeiner von denen, die, während sie meine Einfalt lesen, darüber lächeln, die Söhne irgendeines ehrwürdigen Herrn ernährt und arbeitet, schwitzt und ängstlich besorgt ist, die reich zu machen, welche seine Ehre arm machen, indem er für gewiß glaubt, daß, wenn es in der Welt eine rechtschaffene Frau gibt, es die seinige sei. Ich will aber jeden, und auch dich, geliebter Leser, bei seiner guten Meinung lassen, da alle diese herrlichen Betrachtungen nicht hinreichend sein würden, ihn davon abzubringen.

Ich überreichte also meine Klage wider den Herrn Erzpriester und mein Weib, und da ich bares Geld hatte, so wurden beide binnen vierundzwanzig Stunden ins Gefängnis[105] geworfen. So lange mein Geld dauerte, gingen meine Sachen vortrefflich, die Advokaten liefen emsig umher und taten keinen Schritt umsonst, und in weniger als acht Tagen war der Prozeß vorwärts und mein Beutel rückwärts gekommen. Da man jetzt die Magerkeit desselben bemerkte, so fingen meine Gegner an, ihr Haupt zu erheben, und sie glichen Uhrgewichten, die verhältnismäßig stiegen, wie die meinigen sanken. Kurz, binnen vierzehn Tagen kam es dahin, daß sie gegen geleistete Bürgschaft das Gefängnis verließen, und der arme Lazaro wurde, durch falsche Zeugen überführt, zur Abbitte und zum Kostenersatz verurteilt und auf ewig aus Toledo verwiesen.

Ich tat die Abbitte, wie es auch billig war, da ich es mir hatte einfallen lassen, mit zwanzig Dukaten einen Prozeß anzufangen mit einem, der die Taler mit Körben maß, gab alles bis aufs Hemd zur Beisteuer der Kosten her und ging fort, nackt und bloß, um meine Verbannung zu erfüllen.

So sah ich mich in einem Augenblicke reich, prozessierend mit einer würdigen Person der heiligen Kirche zu Toledo, geachtet von meinen Freunden, gefürchtet von meinen Feinden und im Rufe eines angesehenen Mannes, der sich nicht das geringste gefallen ließ: und in demselben Augenblicke verwiesen, zwar nicht aus dem irdischen Paradiese, die Scham mit Feigenblättern bedeckt, aber doch aus dem Orte, den ich am meisten liebte und wo ich so viele Ergötzlichkeiten und Vergnügen empfangen hatte, meine Blöße mit Lumpen bedeckt, die ich von einigen Kehrichthaufen zusammengelesen hatte. Ich war fest entschlossen, mich dem Gaunerleben zu ergeben, das müheloser ist als das der Könige, Kaiser und Päpste, und machte mich deshalb auf den Weg nach Madrid, indem ich Almosen bettelte,[106] wodurch ich mich, da ich weder Weib noch Kind zu erhalten hatte, reichlich und gut nährte.

Quelle:
Mendoza, D. Diego Hurtado de: Leben des Lazarillo von Tormes. Berlin 1923, S. 103-107.
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