Dreizehntes Kapitel

[124] Wie Lazaro sieben Frauen zugleich als Escudero diente.


Mit sechs Realen im Beutel kam ich in Valladolid an; denn jeder, der mich so schwach und bleich sah, gab mir mit freigebiger Hand Almosen, welche ich nicht ausschlug. Ich ging sogleich auf den Trödelmarkt, wo ich für vier Realen einen langen Friesmantel kaufte, der wohl einem Portugiesen gehört haben mochte, weil er so abgetragen und zerrissen war; auch kaufte ich für einen Real einen Hut, der hoch war wie ein Rauchfang und breitgekrämpt wie der eines Franziskanermönchs. In diesem Aufzug durchwanderte ich, mit einem dicken Stock in der Hand, den Ort.

Nachdem ich einige Gassen durchzogen hatte, begegnete ich einer Frau im Reifrock. Sie hatte einen Taffetmantel um, der sie bis an die Brust verhüllte, trug hohe Schuhe und stützte die Hand auf den Kopf eines Knaben. Sie fragte mich, ob ich ihr keinen Escudero zuweisen könne,[124] und ich gab ihr zur Antwort, ich wisse keinen andern als mich selbst, und wenn ich ihr anstände, so könne sie über mich befehlen. Wir wurden sogleich einig, und sie versprach mir täglich drei Quartillos als Lohn. Ich trat meinen Dienst an, indem ich ihr den Arm reichte und meinen Stock wegwarf, und sie führte mich zwei Stunden lang mit sich herum. Beim ersten Besuche befahl sie mir, wenn sie in irgendein Haus ginge, voraus einzutreten, nach der Frau oder dem Herrn vom Hause zu fragen und ihnen dann zu sagen: Sennora Juana Perez (so hieß sie) befindet sich hier und wünscht Eur Gnaden die Hände zu küssen. – Auch belehrte sie mich, daß ich mich niemals in ihrer Gegenwart bedecken dürfe, wenn sie irgendwo aufgehalten würde. Sie versprach mir, da mich ihr Dienst nicht genug beschäftigen würde, sich nach einigen Nachbarinnen umzusehen, die ich zugleich mit bedienen könnte und die mir ebenfalls den bedungenen Lohn zahlen würden. Sie fragte mich auch, ob ich ein Nachtlager hätte, und ich antwortete: Nein. – Das sollt Ihr haben, fuhr sie fort; mein Mann ist ein Schneider, und so könnt Ihr bei den Jungen schlafen.

Ich war ganz erstaunt über das Ansehen dieses Weibes, die zum wenigsten die Frau eines angesehenen Kavaliers oder eines reichen Bürgers zu sein schien. Ebensosehr erschrak ich, daß ich, um täglich drei Quartillos zu verdienen, sieben Frauen dienen sollte. Ich überlegte aber, daß etwas besser sei als nichts, und daß es keine beschwerliche Arbeit sei, die ich wie der Satan scheute; denn immer wollte ich lieber Kohlstrünke und Zwiebeln essen und dabei müßiggehen, als Kapaunen und Hühner und dabei arbeiten.

Als wir nach Hause kamen, gab sie mir ihren Mantel[125] und ihre Überschuhe, damit ich sie der Magd einhändigen möchte, und bezahlte mir ihren Quarto, indem sie mir befahl, täglich zweimal bei ihr anzufragen, ob sie ausgehen wolle. Ich ging nun zu einem Pastetenbäcker, und mit einer kleinen Pastete war mein Sold aufgezehrt. Den Rest des Tages brachte ich hungernd wie ein Chamäleon hin. Als ich nachmittags wieder zu ihr kam, sagte sie, sie hätte nicht Lust, auszugehen, und erklärte mir zugleich, daß sie mir künftig die Tage, an denen sie nicht ausginge, nicht bezahlen würde, und ginge sie nur einmal aus, so könne sie mir nicht mehr als zwei Maravedis geben.

Nach Verlauf von vier Tagen trat die Frau eines Gerbers mit in die Schwesternschaft, die über eine Stunde lang mit mir um den Lohn mäkelte, und nach fünf Tagen endlich hatte ich sieben Frauen zusammen und zum Lohn sieben Quartos. Nun fing ich an, köstlich zu essen und nicht den schlechtesten Wein zu trinken. Die fünf andern Frauen waren: die Witwe eines Häschers, eine Gärtnersfrau, die Nichte eines barfüßigen Karmeliters wie sie sagte, und eine Fleischersfrau, die ich am meisten liebte, weil sie mich oft auf eine Wurstsuppe einlud. Die letzte war eine Betschwester, welche mir mehr zu schaffen machte als alle übrigen; denn sie tat nichts anderes, als Mönche zu besuchen, mit denen sie sich gütlich tat. Ihr Haus glich einem Bienenstock, einige gingen hinein, andere heraus, und alle kamen mit vollen Taschen. Auch mir gaben sie Geschenke, damit ich ein treuer Sekretär sein möchte.

Jede dieser meiner Frauen hatte ihre bestimmte Stunde, in der sie ausging, und die Zeit, wenn ich sie wieder abholen sollte, wurde mir bestimmt. Versäumte ich dies um einige Augenblicke, so regneten die fürchterlichsten[126] Schmähworte auf mich herab, so daß der, welcher dies mit anhörte, ohne Zweifel glauben mußte, sie bezahlten mir täglich zwei Realen und jährlich noch obendrein dreißig Dukaten.

Eines Tages trug es sich zu, daß die Nichte des Karmeliters und die Witwe des Häschers in einer Kirche zusammentrafen und beide zu gleicher Zeit nach Hause gehen wollten. Darüber, welche ich zuerst begleiten sollte, gerieten sie miteinander in so großen Streit, daß es schien, als ob wir auf einem Gevatterschmause wären. Die eine zog mich hierhin, die andere dorthin, und dies mit solcher Wut, daß sie mir meinen Mantel in Stücke rissen. Ich stand nun ganz nackt da; denn unter demselben hatte ich nichts an als die Lumpen eines Hemdes, das einem Fischernetze glich. Das Gelächter ward allgemein; einige machten sich über den armen Lazaro lustig, andere merkten auf die beiden Frauen, die sich alle ihre Fehler vorwarfen. Mittlerweile las ich die Stücke meines Mantels zu sammen, die als überreif abgefallen waren, und bat eine dabeistehende Frau um einige Stecknadeln, mit denen ich sie, so gut ich konnte, zusammenheftete.

Ich ließ sie zanken und eilte in das Haus der Schneidersfrau, die mir befohlen hatte, sie um elf Uhr abzuholen, weil sie zu einer Freundin zu Tisch gehen wollte. Als sie meinen elenden Aufzug sah, schrie sie mir entgegen: Wie, Ihr wollt mein Geld verdienen und kommt wie ein Bettler, mich zu begleiten? Mit weniger, als ich Euch gebe, kann ich einen andern Escudero haben, mit langen Beinkleidern, Mantel und Mütze! Ihr tut nichts, als Euch mit dem, was ich Euch gebe, zu betrinken! – Ich mich betrinken! sagte ich bei mir selbst, mit sieben Quartos, die ich höchstens den Tag verdiene, da noch viele Tage mit unterkommen,[127] an denen meine Frauen nicht ausgehen wollen, um einen Quarto zu ersparen!

Sie ließ mir aber doch die Stücke meines Mantels zusammennähen; weil es aber mit so großer Eile geschah, so hefteten sie mir einige der untern Stücke zu oberst. In diesem Aufzuge begleitete ich sie.

Quelle:
Mendoza, D. Diego Hurtado de: Leben des Lazarillo von Tormes. Berlin 1923, S. 124-128.
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