Zwölfter Auftritt.

[38] Enrico und Konstanzia, ohnmächtig.


ENRICO. Mein geliebter Freund weiß sein Glück noch nicht. Er verbirgt sich vor mir; ich kann ihn nicht wiederfinden .... Aber auf jenem Felsen liegt eine Nimpfe ... Silvia ist es nicht, also ist es Konstanzia. O! wie herrscht der Tod auf ihrem Gesicht!

KONSTANZIA. O weh!

ENRICO. Konstanzia!

KONSTANZIA. Laß mich!

ENRICO. O! lebe für die treue Liebe Deines Gemahls.

KONSTANZIA. Laß mich, Verräther! in Frieden sterben!

ENRICO. Ich ein Verräther! Du kennst mich ja nicht.

KONSTANZIA. O Himmel! Wo ist Gernando? Bist Du nicht mehr derselbige? Habe ich vorher geträumt, oder träum' ich jetzt?

ENRICO. Du hast nicht geträumt, und träumst auch jetzt nicht. Nach dem, was ich höre, hast Du Deinen Gernando gesehn; jetzt siehst Du seinen Freund.

KONSTANZIA. Und er kommt mir wieder vor Augen? Er, der mich verlassen konnte?[39]

ENRICO. Ach! der Unglückliche verließ Dich nicht: er ward entführt.

KONSTANZIA. Wann?

ENRICO. Als Du, in Schlaf begraben, dort ausruhtest.

KONSTANZIA. Wer entführte ihn denn?

ENRICO. Barbarische Seeräuber, die ihn unvermuthet überfielen. Er wehrte sich, ward aber in die Hand verwundet und verlohr den Degen. Die Menge überwältigte ihn, und er blieb ihr Gefangner.

KONSTANZIA. Aber bis jetzt ...

ENRICO. Aber bis jetzt hat er nichts frey gehabt, als seine Gedanken; und mit diesen ist er immer bey Dir gewesen.

KONSTANZIA. Gott! wie sehr hab' ich Dir, mein Gernando! Unrecht gethan!


Quelle:
Haydn, Joseph: Die unbewohnte Insel. Berlin 1786, S. 38-41.
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