Achter Auftritt.

[29] Enrico und Silvia.


SILVIA. Wo ist Konstanzia? Ich finde sie nicht.

ENRICO. Was seh' ich? Höre doch, schöne Nympfe!

SILVIA. Ha! bist Du schon wieder hier?

ENRICO. Warum fliehst Du? Höre mich einen Augenblick.

SILVIA. Was willst Du von mir?

ENRICO. Nichts, als Dich ansehen, und mit Dir reden.

SILVIA. Versprich mir, von fern mit mir zu reden.

ENRICO. Ich verspreche es. (Welch ein niedliches Gesicht!)

SILVIA. (Welch ein süßer Anblick!)[29]

ENRICO. Aber was findest Du denn an mir für Anlaß zu solchem Schrecken? Ich bin doch keine Schlange und kein reißendes Thier. Ein Mann sollte Dich doch nicht so sehr in Angst jagen.

SILVIA. Du bist also ein Mann?

ENRICO. Ja! ein Mann.

SILVIA. Rettung! Hülfe!

ENRICO. Bleib hier!

SILVIA. Erbarmen! Gnade! Ich habe Dir nichts gethan. Sey nicht grausam gegen mich.

ENRICO. O liebes Mädgen! steh auf und sey ruhig. Diese ungerechte Furcht kränkt mich im Herzen.

SILVIA. (Mein Herz sagt mir, ich kann ihm trauen.)

ENRICO. Wenn Du so gefällig, als schön, bist, so sage mir, wo und wann ist die arme Konstanzia gestorben?

SILVIA. Konstanzia! Dem Himmel sey Dank! Konstanzia lebt.

ENRICO. Sie lebt? Ach reizende Silvia! denn, dem Alter und allen Umständen nach, bist Du gewiß Silvia, lauf zur Konstanzia. Ich will indessen zum Gernando. ...

SILVIA. Ha! so ist also dieser Grausame, dieser Undankbare bey Dir?

ENRICO. Unglücklich nenn' ihn, aber nicht grausam. O! säume nicht. Es wäre Grausamkeit,die hohen Freuden solcher treuen Gatten zu verzögern.

SILVIA. Wir wollen mit einander gehen.

ENRICO. Nein, wenn wir mit einander gehn, so brauchen wir längere Zeit zu unserm Vorhaben. Geh! komm mit ihr wieder hieher; ich will mit ihm zurück kommen.

SILVIA. Höre! Dein Nahme?

ENRICO. Ist Enrico.

SILVIA. Höre doch! Ach bleib auch nicht lange.

ENRICO. Und warum so eilfertig? Liebes Mädgen!

SILVIA. Ich weiß nicht. Ich bin gleich betrübt, wenn Du mich verläßest; und sobald Du wieder kommst, fühl' ich, daß ich wieder vergnügt werde.

ENRICO. Und ich wollte wohl mein ganzes Leben mit Dir zubringen.


Quelle:
Haydn, Joseph: Die unbewohnte Insel. Berlin 1786, S. 29-33.
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