[7] Inhalt.

Der junge Gernando ging mit seiner jungen Gemahlinn Konstanzia, und der Schwester derselben, die noch ein Kind war, zu Schiffe, um seinen Vater in Westindien, der einem Theile desselben als Gouverneur vorstand, zu besuchen, und ward von einem anhaltenden und gefährlichen Sturme gezwungen, auf einer unbewohnten Insel zu landen, um dem Kinde und der Gemahlinn die Bequemlichkeit zu verschaffen, sich auf dem Lande von den Bewegungen der Seereise zu erhohlen.

Unterdessen daß diese in einer verborgenen Grotte, die ihnen einen bequemen und gelegenen Aufenthalt darbot, einer sanften Ruhe genossen, ward der unglückliche Gernando, nebst einigen seines Gefolges, von einem großen Haufen barbarischer Seeräuber, welche unglücklicherweise daselbst landeten, überfallen, entführt, und zum Sklaven gemacht. Seine Gefährten, die vom Schiffe, wiewohl undeutlich, den Auflauf sahen, und nicht anders glaubten, als daß, mit dem Gernando zugleich, auch Kind und Gemahlin geraubt wären, machten Jagd auf die Räuber, verloren dieselben aber bald aus dem Gesichte, und setzten also, traurig und untröstlich, ihre unterbrochene Reise fort.

Als die unglückliche Konstanzia erwachte, und ihren Gemahl und das Schiff, das sie dahin gebracht, lange vergeblich gesucht hatte, glaubte sie sich, wie Ariadne, von ihrem Gernando verrathen und verlaßen.

Als die ersten Hefrigkeiten ihres hofnunglosen Schmerzes anfingen, der natürlichen Liebe zum Leben Platz zu machen, entschloß sie sich, nach ihrer Klugheit, alle Mittel aufzusuchen, in dieser verlassenen Abwesenheit von allen Lebendigen ihr Leben zu fristen. Sie erhielt sich und ihre Schwester lange Zeit von den Kräutern und Früchten, die das Land häufig hervorbrachte, und hauchte den ganzen Haß und Abscheu, den sie gegen alle Mannspersonen gefaßt hatte, der kleinen Unschuldigen ein, welche jene nicht kannte.

Nach dreizehnjäriger Sklaverey gelang es dem Gernando, sich in Freiheit zu setzen. Seine erste Sorge war, nach der Insel zurückzukehren, wo er wider Willen seine Konstanzia verlassen hatte; wiewohl ohne irgend eine Hoffnung, sie noch am Leben zu finden.

Quelle:
Haydn, Joseph: Die unbewohnte Insel. Berlin 1786, S. 7.
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