Scena II.

[101] MUSOPHILI WEIB alleine. Ach! Ach! Wie muß es doch um meinen Sohn stehen? Ach! Ach! Wenn ich ihn doch nur noch einmahl lebendig sehen solte! Je länger ich ohne gewisse Nachricht von ihm bleibe / ie schwehrer wird mir das Hertz seinetwegen. Mein Herr kam heute auch voller Grillen und Kummers nach Hause / und wolte mir alle Vrsachen solches Verderbens aufbürden. Vnd es ist freylich nicht zu leugnen / daß ich viel Dinges / daß der Praeceptor an mich bringen[101] lässen / meinem Herren verborgen gehalten habe / und hergegen den Praeceptor, um / daß mein Sohn so wehmütig über seine strengen Straffen geklaget / heimlich gehasset. Ich meinte aber nicht / daß dies so viel auf sich hätte. Denn wer achtet solche Leute groß unter den Reichen? Nun sehe ich erst / daß er Vrsach genug gehabt / meinem Sohne mit dem dikken Orte zu begegnen. Ach! Ach Sohn! Ach mein Sohn! Wenn ich dich nur wieder hätte! du soltest mir in keinem Jahre von dem Praeceptor kommen. Wo ich aber erfahren werde / daß du in deinen Sünden / zu Wasser oder zu Lande / dahin gestorben bist / so weiß ich nicht / wo ich so dann bleiben solle. Ach ich arme Mutter! Ach ich unglükselige Mutter! Ach ich betrühte Mutter! O Himmel erbarme dich! Erbarme dich O Erde. Ja ihr harten Steine erbarmet euch über mich.


Quelle:
Johann Sebastian Mitternacht: Dramen. Tübingen 1972, S. 101-102.
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