Siebenter Auftritt.

[65] Harpagon allein, schon vom Garten her schreiend.


Diebe! Diebe! Räuber, Mörder! Gerechtigkeit! O gerechter Himmel, ich bin verloren, ich bin ein geschlagner Mann, ich bin ermordet; sie haben mir den Hals umgedreht; sie haben mir mein Geld gestohlen. Wer kann's gewesen sein? Wo ist er? Wo hat er sich versteckt? Wo finde ich ihn? Wo laufe ich hin, wohin nicht? Ist er da, ist er dort? – Wer ist's? Halt! Zu sich selbst, indem er sich an dem Arm packt. Gib mir mein Geld wieder, Spitzbube! – Ach! ich bin es selbst. Mir schwindelt, ich weiß nicht, wo ich bin, wer ich bin und was ich tue. Ach, mein liebes Geld, mein liebes Geld, mein einziger Freund! Dich haben sie mir genommen, du bist mir entführt, und mit dir habe ich meinen Stab, meinen Trost, meine Freude verloren; es ist aus mit mir, und ich habe nichts mehr auf dieser Welt zu tun. Ohne dich kann ich nicht leben; ich bin hin, ich kann nicht mehr; ich sterbe, ich bin tot, ich[65] bin begraben. Will mich denn niemand wieder aufwecken und mir mein liebes Geld wiedergeben oder mir sagen, wer's genommen hat? Horch! Was sagt ihr? Ach, es ist nichts. – Wer's auch gewesen ist, er muß mit großer Schlauheit die Zeit abgepaßt haben; er hat just den Augenblick benutzt, wo ich mit dem Halunken, meinem Sohn, sprach. Jetzt nur schnell fort: ich will die Gerichte holen; das ganze Haus soll mir auf die Folter, Mägde, Bedienten, Sohn, Tochter, ich selber! – Was für ein Haufen Leute da unten zusammensteht! Da ist keiner, der mir nicht verdächtig vorkommt, jeder sieht mir aus wie ein Dieb. He! Wovon wird da gesprochen? von meinem Räuber? Was ist das für ein Lärm dort oben? Ist mein Dieb da? Um Gottes willen, wenn einer etwas von meinem Spitzbuben weiß, soll er mir's sagen! Hat er sich nicht unter euch versteckt? Sie sehn mich alle an und lachen. Ihr habt gewiß euern Anteil an dem Diebstahl. Geschwind, geschwind, Kommissare her, Häscher her, Schließer, Gerichte, Daumschrauben, Galgen und Scharfrichter her! Die ganze Welt will ich hängen lassen, und wenn ich mein Geld nicht wiederfinde, erhänge ich mich selber.

Quelle:
Molière: Der Geizige. Leipzig [o. J.], S. 65-66.
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