Sechzehnter Auftritt.

[68] Argan. Beralde. Toinette.


TOINETTE stellt sich, als ob sie draußen mit jemand spräche. Geht nur, geht! Ich bin Eure Dienerin; ich habe keine Lust zu spaßen.

ARGAN. Was gibt es denn?

TOINETTE. Ei, Euer Doktor, der mir wahrhaftig eben den Puls fühlen wollte![68]

ARGAN. Seht mir doch! Bei seinen neunzig Jahren!

BERALDE. Wie aber nun die Sache steht, und weil dein Herr Purgon dir den Handel aufgesagt hat – ließe sich jetzt nicht vielleicht ein Wort mit dir über die Partie reden, die sich für meine Nichte gefunden hat?

ARGAN. Nein, Bruder; ich will sie in ein Kloster tun, weil sie sich meinem Willen widersetzt hat. Ich sehe wohl, daß eine Liebelei dahintersteckt und habe eine gewisse geheime Zusammenkunft entdeckt, von der man nicht weiß, daß ich dahintergekommen bin.

BERALDE. Ei nun, lieber Bruder – wenn denn auch eine kleine Liebschaft vorhanden wäre, willst du das als ein Versprechen ansehen? Und kann dir das so zuwider sein, wenn sich's auf einen so ehrlichen, guten Zweck richtet wie eine Heirat?

ARGAN. Dem sei wie ihm wolle, Bruder, sie soll Nonne werden; das steht fest bei mir.

BERALDE. Du willst jemand eine Freude machen.

ARGAN. Ich verstehe dich. Du kommst immer wieder darauf zurück, und hast nur meine Frau im Sinn.

BERALDE. Nun ja denn, Bruder: wenn ich aufrichtig reden soll, so meine ich auch deine Frau. Ebensowenig als deine Liebhaberei für die Ärzte kann ich deine Verblendung über sie gutheißen und ruhig mit ansehen, wie du mit offenen Augen in alle die Fallen gehst, die sie dir stellt.

TOINETTE. Ah, Herr Beralde, sagt ja nichts gegen Madame. Das ist eine Frau, an der nichts auszusetzen ist, eine Frau ohne alle Arglist, und die ihren Mann liebt – nein, es ist gar nicht zu sagen, wie sehr sie ihn liebt.

ARGAN. Frage Toinette nur einmal, wie sie mich verzieht.

TOINETTE. Das ist wahr!

ARGAN. Was meine Krankheit ihr für Sorgen macht –

TOINETTE. Jawohl!

ARGAN. Und wie sie sich immer um mich kümmert und abmüht!

TOINETTE. Das ist gewiß. Zu Beralde. Wollt Ihr, daß ich Euch gleich überführe und Euch zeige, wie sie unsern Herrn liebt? Zu Argan. Herr Argan! Erlaubt mir, ihm zu beweisen, daß er wie ein Gelbschnabel urteile, und ihm aus seinem Irrtum zu helfen.[69]

ARGAN. Wie willst du das anstellen?

TOINETTE. Madame wird gleich wiederkommen. Legt Euch lang ausgestreckt in Euern Lehnstuhl und stellt Euch tot. Da sollt Ihr ihre Verzweiflung sehen, wenn ich's ihr beibringen werde.

ARGAN. Das wollen wir machen.

TOINETTE. Ja, aber Ihr dürft sie nicht zu lange in ihrem Jammer lassen, denn sie könnte leicht darüber sterben.

ARGAN. Sei ganz ruhig.

TOINETTE zu Beralde. Und Ihr versteckt Euch dort in der Ecke.


Quelle:
Molière: Der eingebildete Kranke. Leipzig 1945, S. 68-70.
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