Achtzehnter Auftritt.

[70] Belinde. Argan in seinem Lehnstuhl ausgestreckt. Toinette.


TOINETTE stellt sich, als ob sie Belinden nicht sähe. Ach du mein Gott! – Ach, das Unglück! – Welcher entsetzliche Zufall!

BELINDE. Was gibt's denn, Toinette?

TOINETTE. Ach, Madame!

BELINDE. Was ist geschehn?

TOINETTE. Euer Mann ist gestorben.

BELINDE. Mein Mann ist gestorben?

TOINETTE. Ach Gott, ja! – Der liebe selige Herr ist tot!

BELINDE. Ganz gewiß?

TOINETTE. Ja, ganz gewiß. Niemand weiß es noch; ich war hier ganz allein. Er ist in meinen Armen verschieden. Seht nur, da liegt er der Länge lang in seinem Stuhle.

BELINDE. Gott sei gelobt! Da bin ich von einer großen Last befreit. Bist du nicht eine Närrin, Toinette, dich darüber zu grämen!

TOINETTE. Ich dachte, Madame, ich müßte weinen.

BELINDE. Geh mir doch, es ist ja nicht der Mühe wert.[70] Was ist denn an ihm verloren, und was war er in der Welt nütze? – Ein Mensch, der jedem beschwerlich war, unreinlich und widerlich, der immer ein Klistier oder eine Medizin im Leibe hatte, der nichts tat, als sich schnauben, husten und spucken, und dabei langweilig, ohne Witz, immer verdrießlich; der die Leute abhetzte und Tag und Nacht auf das Gesinde schalt ...

TOINETTE. Eine schöne Grabrede!

BELINDE. Jetzt mußt du mir nun beistehen, Toinette, und du kannst sicher sein, daß, wenn du mir hilfst, deine Belohnung nicht ausbleiben wird. Weil zum größten Glück noch niemand etwas von der Sache weiß, wollen wir ihn gleich in sein Bett tragen und seinen Tod geheimhalten, bis ich meine Angelegenheiten in Ordnung gebracht habe. Es sind Papiere und ist auch Geld da, die ich beide erst in Sicherheit bringen muß: es wäre wahrhaftig nicht billig, wenn ich meine besten Jahre ohne Nutzen bei ihm verschwendet haben sollte. Komm, Toinette; laß uns vor allen Dingen seinen Schlüssel nehmen ...

ARGAN aufspringend. Sachte!

BELINDE. Hu!

ARGAN. Ja, Madame! – Das also ist Eure Liebe?

TOINETTE. Ach du meine Güte! – Der selige Herr ist also nicht tot?

ARGAN Belinden nachrufend. Ich freue mich, endlich zu sehen, wie es mit Eurer Freundschaft steht, und die schöne Lobrede mit angehört zu haben, die Ihr mir hieltet. Das war eine Lehre, die mich für die Zukunft klüger machen und mich von vielem abhalten soll, was ich tun wollte.


Quelle:
Molière: Der eingebildete Kranke. Leipzig 1945, S. 70-71.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der eingebildete Kranke
Der eingebildete Kranke
Le Malade imaginaire /Der eingebildete Kranke: Franz. /Dt.
Der eingebildete Kranke /Die Gaunereien des Scappino: Zwei Komödien
Der eingebildete Kranke (Suhrkamp BasisBibliothek)
Der Menschenfeind; Der eingebildete Kranke