|
[313] Da auf einmal, neunzehnhundert-
fünf, vernimmt die Welt verwundert,
daß die Kirche diesen Mann
fürder nicht mehr dulden kann.
Grausam schallt von Rom es her:
Expeditus ist nicht mehr!
[313]
Und da seine lieben Nonnen
längst dem Erdental entronnen,
steht er da und sieht sich um –
und die ganze Welt bleibt stumm.
Ich allein hier hoch im Norden
fühle mich von seinem Orden,
und mein Ketzergriffel schreibt:
Sanctus Expeditus – bleibt.
Und weil jenes nichts mehr gilt,
male ich hier neu sein Bild: –
Expeditum, den Gesandten,
grüß ich hier, des Unbekannten.
Expeditum, ihn, den Heiligen,
mit den Füßen, den viel eiligen,
mit den milden, weißen Haaren
und dem fröhlichen Gebaren,
mit den Augen braun, voll Güte,
und mit einer großen Düte,
die den überraschten Kindern
strebt ihr spärlich Los zu lindern.
Einen güldnen Heiligenschein
geb ich ihm noch obendrein,
den sein Lächeln um ihn breitet,
wenn er durch die Lande schreitet.
[314]
Und um ihn in Engelswonnen
stell ich seine treuen Nonnen:
Mägdlein aus Italiens Auen,
himmlisch lieblich anzuschauen.
Eine aber macht, fürwahr,
eine lange Nase gar.
Just ins »Bronzne Tor« hinein
spannt sie ihr klein Fingerlein.
Oben aber aus dem Himmel
quillt der Heiligen Gewimmel,
und holdselig singt Maria:
Santo Espedito – sia!
Ausgewählte Ausgaben von
Palmström
|
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro