Das Abendmahl.
»Brannte nicht unser Herz in uns, da er auf dem Wege mit uns redete?«

[86] Kersting. Beliebt noch eine Hälfte von der Taube.

Hartknopf. Ich habe genug von der Taube.

Kersting. Sie ist nicht hölzern.

Hartknopf. Ich mag nicht an die hölzerne erinnert seyn.

Kersting. Nein, es wäre auch Schade darum, das schöne Bild so zu entstellen. – Mir ist die Taube im hohen Liede das zarteste Sinnbild der Liebe, ohne welche das Leben leer ist. –

Hartknopf. Warum noch einmal auf denselben Punkt.

Kersting. Weil ich ins Herz treffen will. – Wir haben nur von der himmlischen Weisheit gesprochen, die muß sich nothwendig in einem[87] sterblichen Leibe zu den Sterblichen herabsenken, und heißt alsdann: Sophia Erdmuth.

Hartknopf schwieg, und Kersting schenkte zwei Pokale voll Wein, die wurden schweigend ausgeleert. –

Und nun stimmten die allgemeinen Begriffe sich allmälig zur Individualität herab.

Man träumte sich ein süßes Lebensglück, das den Sterblichen so nahe läge, wenn sie es nur ergreifen wollten.

Die Gedanken verkehren sich in Scenen von häußlicher Glückseligkeit, von ruhigem Beyeinanderseyn, und vergessen der weiten Welt umher.

Ein treuer Handschlag versiegelte das Freundschaftsbündniß. – Hartknopfs Entschluß ward tief in seinem Busen fest, und als ein verlobter Bräutigam verließ er noch diesen Abend die Schwelle seines Gastfreundes.

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Prediger Jahre, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1790. , S. 86-88.
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