Erster Auftritt.

[56] Auf der Bank unter den Bäumen Colas, eine lange Pfeife rauchend, den linken Arm in der Schlinge, eine Soldatenmütze auf dem Kopf. Aus dem Keller kommt Therese, einen Korb mit einer Flasche Wein und vier Kuverts tragend; sie setzt den Korb auf den Stuhl neben dem Tisch. Später Gontran.

Nr. 9. Duett.


THERESE.

Schau, schau, mein Männchen ruht sich aus

Und rauchet seine Pfeife,

Indessen ich in Hof und Haus

Nach aller Arbeit greife!

Man freut sich auf die Eh' – o je!

Da rückt der Mann ins Feld – o weh –

Und schließt man endlich Frieden,

Hat man – den Invaliden!

COLAS steht auf und steckt die Pfeife ein.

Mein liebes Weibchen, hab Geduld[56]

Und laß mich auskurieren!

Mein Heldenmut war daran schuld,

Der trieb mich zu marschieren,

Der Feind zog siegreich an – o weh,

Da schoß mir's in den Kopf – o je,

Mit unsern Grenadieren

:|: Den Feind zu massakrieren! :|:

THERESE.

Daß Gott! Und in der ersten Schlacht

Hat man beinah dich umgebracht!

COLAS.

Beinahe war's um mich geschehn.

Ein Held muß kühn ins Feuer gehn!

Voll Mut und voll Vertrauen.

Allein mein wackrer Kapitän

Hat mich herausgehauen!

Er trug mich fort mit kühnem Griff,

Da, hinterher, ein Kugelpfiff!

Piff!

THERESE.

Und traf den Treuen!

COLAS.

Er fiel! da stand ich hurtig auf,

Lud ihn auf meine Schulter auf

Und trug ihn aus den Reihn.

Der Krieg war aus, ich nahm ihn mit.

THERESE.

Und seid nun beide – invalid!

COLAS.

Was das betrifft – mein Weibchen – nun,

Der Arm muß in der Schlinge ruhn,

Allein der Mund

Ist noch gesund

Und kann noch seine Arbeit tun,

Ich kann noch scherzen, kann noch küssen

Und dich mit diesem Arm umschließen.


Er küßt sie.


THERESE UND COLAS.

Ja, Gott sei Dank, der Krieg ist aus,

Und Friede ist in Land und Haus

Solang' mein Männchen / mein Weibchen brav und gut[57]

Dem Weibchen / Männchen stets den Willen tut.

THERESE.

In gleichem Schritt und Takt marschiert,

Zu keiner andern avanciert.

COLAS.

Im Hinterhalt nie intrigiert,

Nicht marodiert und desertiert.

THERESE.

Und kommt einmal – wer weiß, ob je?

Ein klein Scharmützel in die Eh' –

COLAS UND THERESE.

:|: Dann augenblicklich Friedensschluß,

Besiegelt mit dem Freundschaftskuß. :|:

:|: Schau, Männchen / Weibchen, das ist gute Eh'! :|:

:|: So prosperiert :|: die :|: kleine :|: Armee!


Während des folgenden Dialogs deckt Therese den Tisch.


Einlage ad libitum.


COLAS.

Jetzt muß ich aber zu meinem Kapitän –

THERESE.

Jetzt bleibst du, weil ich mit dir etwas zu sprechen habe.

COLAS.

Ich muß erst sehen, was mein Kapitän –

THERESE.

Wem gehört deine erste Pflicht?

COLAS.

Als Soldat, der ich bin, meinem Kapitän –

THERESE.

Und als Ehemann, der du bist?

COLAS.

Meinem Weibchen –

THERESE gebieterisch.

Du bleibst also!

COLAS.

Nein, Madame.

THERESE ihn streichelnd.

Du bleibst nicht?

COLAS soldatisch.

Nein!


Sie küssend.


Aber ich komme im Augenblick wieder!


Er geht ab.


THERESE.

Hahaha!

Nr. 9a. Arie nachkomponiert.


Die Männer muß man sich dressier'n

Und wie Rekruten exerzier'n,

Daß auf Kommando sie marschieren,

Halt! Vorwärts! Schultert! Präsentiert!

So wie der Hauptmann kommandiert.[58]

Der Meine war die beste Seele,

In ihm kein böser Tropfen Blut,

Ein Muttersöhnchen ohne Fehle,

Nur eines fehlte ihm: der Mut!

Da haucht' ich ihm Courage ein,

Ich lehrte ihn ein Held zu sein!

Ja, ja,

Die Männer usw.


Als Held ist er zurückgekommen.

Zuviel Courage bracht' er mit,

Er hätte leicht sich übernommen,

Wenn es sein kluges Weibchen litt'.

Nein, nein, das will mir nicht behagen,

Ihr Herrn, die ihr euch Helden deucht,

Die Feinde habt ihr oft geschlagen,

Ein Weib besiegt man nicht so leicht.

Mit Schmeicheln und mit Kajolieren

Beherrscht man euch ganz sanft und still;

Du magst mir immer kommandieren,

Du tanzest dennoch, wie ich will.

Ja, ja,

Die Männer usw.

Colas kommt zurück.


COLAS. Mein armer Kapitän! Ich weiß nicht, was er hat! Genesen ist er Gott sei Dank durch unsere und Christinens sorgsame Pflege – aber seine Schwermut –

THERESE den Tisch deckend. Schwermut nennst du das, Männchen? Ich weiß einen andern Namen dafür! Er ist verliebt – in unsere Christine.

COLAS. In meine Schwester? Meiner Seel'! Ich hab' mir's auch schon gedacht. Wenn ich das Glück erlebte, meinen Kapitän, meinen Lebensretter, Schwager nennen zu dürfen! Und sie – Christine – was glaubst du, mein pfiffiges Weibchen?

THERESE. Ja, wer kennt sich da aus! Ihre Augen, ihre Wangen, die bald rot und bald blaß werden, wenn sie ihn[59] anschaut, lassen mich vermuten, daß er ihr nicht gleichgültig ist. Aber ihre Worte, ihr Benehmen bleiben fremd und kalt. Sie betrachtet sich nun einmal als die Braut eines andern.

COLAS. Der vielleicht längst tot und begraben ist. Die zwei Jahre sind vorbei, und keiner hat sich mit dem goldnen Kreuze gemeldet; aber wie ich sie kenne, sie wird warten und warten – bis ihr das Herz bricht.

THERESE. Ah pah! Sie wird sich schon besinnen, zumal wenn ein so braver, liebenswürdiger Kapitän –

COLAS. Therese, soll ich eifersüchtig werden?

THERESE. Ei, du hitziger Held der großen Armee! Aber das sag' ich dir geradeheraus, wenn ich meine zwei Jahre endlich abgewartet hätte, und ein so reizender Kavalier – ach, da ist er!

Gontran in Kommodeuniform, das Ehrenkreuz auf der Brust, tritt auf.


COLAS salutierend. Mein Kapitän!

THERESE. Ach, das ist schön, daß Sie aus Ihrer Einsamkeit herauskommen, den schönen Abend im Freien zu genießen. Ich richte das Abendessen hier unter den Bäumen.

GONTRAN. Herzlichen Dank, meine freundliche Wirtin!

COLAS. Aber ich denke, mein Kapitän, wir warten, bis meine Schwester zurückkommt.

GONTRAN. Mademoiselle Christine ist ausgegangen?

THERESE. Sie ist nur ins Dorf hinab, weil heute, wie es heißt, die letzten Truppen aus unserm Bezirk heimkehren sollen. Aber jeden Augenblick kann sie zurückkehren. Ich richte indessen das Abendessen! Auf Wiedersehen, Herr Kapitän! Sie geht ab ins Haus.


Quelle:
Ignaz Brüll: Das goldene Kreuz, nach dem Französischen von H.S. von Mosenthal, Leipzig [o. J.], S. 56-60.
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