Dritter Auftritt

[33] Falstaff. Bürger, zur Vogelbeize gerüstet. Kellner.


KELLNER. Ha, da kommen schon die Herren Bürger zum Morgentrunk. Guten Morgen, verehrte Herren!

ERSTER BÜRGER. Mach fort und bring uns eine Kanne guten Sekt!

KELLNER. Sogleich, ihr Herren!

FALSTAFF. He, Robert, eine frische Kanne! Sie wird ihm gebracht.

ERSTER BÜRGER zum zweiten. Ach, da sitzt ja der dicke Sir John, wegen dem Fluth gestern unnützerweise den tollen Spektakel machte. Wir wollen ihn anreden. Er tritt zu Falstaff. Ei, Herr Ritter, es freut mich, Euch wohlauf zu sehen.

FALSTAFF. Gleichfalls, gleichfalls! Tausend, ihr seid ja ordentlich ausgerüstet! Wo wollt ihr denn heut schon so früh hin?[33]

ZWEITER BÜRGER hinzutretend. Wir ziehen heute früh alle auf die Vogelbeiz.

MEHRERE BÜRGER. Wir auch!

FALSTAFF. Ach so! Und wollt ihr euch wohl zuvor mit einem guten Glas Sekt die Augen klar waschen? Na, da tut ihr recht, Jungens, denn Trinken, das hält den ganzen Menschen zusammen. – Na, auf gute Jagd! Er nimmt seinen Humpen.

DIE BEIDEN BÜRGER ihre Becher ergreifend. Euer Wohlsein, Sir John!

FALSTAFF. Aber brav ausgeleert, ihr Maikäfer! Verächtlich. Ihr habt ja so nur Nußschalen zu Bechern!

ERSTER BÜRGER. Hoho, Sir John! Was Ihr vertragt, das kann ich auch noch prästieren!

ZWEITER BÜRGER. Ich auch! – Drauf wollt ich wetten!

FALSTAFF aufstehend. So? – Meint ihr? – Also wer von uns am meisten trinkt, geht bei der Zeche umsonst aus!

DIE BEIDEN BÜRGER. Es gilt! Es gilt!

FALSTAFF beiseite. Na wartet, das soll euch schlecht bekommen! Laut. Vorwärts also! Die ganze Kanne genommen, wie ich, und auf einmal ausgesogen!

Die beiden Bürger holen ihre Kannen. Die andern treten mit herzu.


FALSTAFF seine Kanne in der Hand. Der Wein soll leben.

ALLE. Hoch!


Die andern trinken aus Bechern. Falstaff und die beiden Bürger leeren auf einen langen Zug ihre ganzen Kannen und machen die Nagelprobe. Der Kellner steht schon mit frischgefüllten Kannen

bereit.


FALSTAFF. Bravo! Na, ihr habt einen ganz passablen Zug! Wenn er nur aushaltig ist! – Wir werden ja sehen! – Ihr könnt doch noch?

ERSTER BÜRGER zum zweiten leise. Kannst du noch?

ZWEITER BÜRGER bedenklich. Ich will's versuchen.

ERSTER BÜRGER zu Falstaff. Ja, ja, wir können noch![34]

FALSTAFF. Also zum zweiten Gang! Sie tauschen die ausgetrunkenen Kannen gegen die frischgefüllten um. Nun aber ein lustiges Lied dazu, damit das Turnier ordentlich im Takt geschlagen werden kann!

Nr. 5. Lied


I.


FALSTAFF.

Als Büblein klein an der Mutter Brust,

Hop heisa bei Regen und Wind,

Da war der Sekt schon meine Lust,

Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.

Komm, braune Hanne, her,

Reich mir die Kanne her,

Füll mir den Schlauch!

Lösch mir der Kehle Brand,

Trinken ist keine Schand',

Bacchus trank auch, ja,

Bacchus trank auch.


Er spricht.


Nun! in Positur!


Gesungen.


Haltet euch bereit!

CHOR.

Bereit!

FALSTAFF.

Macht die Kehlen weit!

CHOR.

Weit!

FALSTAFF.

Eins – zwei – und –

CHOR.

Drei!

Falstaff und die zwei Bürger trinken.


CHOR.

Bravo!


Falstaff und der erste Bürger haben ausgetrunken, machen eine Nagelprobe und geben ihre Kannen an den hinter ihnen stehenden Kellner. Der zweite

Bürger kann aber mit seinem Zuge nicht fertig werden, schluckt mehrmals, fängt an zu wanken und läßt endlich die Hand mit dem Kruge sinken, aus dem noch ein Rest Wein fließt.

Gesprochen.


ZWEITER BÜRGER.

Es geht – nicht mehr! ...

Einige Bürger unterstützen ihn.


FALSTAFF.

Was sehe ich? Mann, erhole dich! –


Wahrhaftig, der Kerl ist schon hin! Tragt ihn hinaus und legt ihn auf den Rasen![35]

EINIGE BÜRGER tragen den zweiten Bürger hinaus und singen dazu.

Sie trugen einen hin, der trank,

Bis daß vom Wein er niedersank,

Gott Bacchus geb ihm sanfte Ruh!

Schlaf aus, du armer Zecher, du!

FALSTAFF spricht. Nun, der hat für heute genug! Zum ersten Bürger. Und du, mein Freund, es kommt mir vor, als wolltest du auch etwas wacklig werden! Kannst du noch?

ERSTER BÜRGER sehr heiter. Ja, ich kann noch!

FALSTAFF. Das ist brav! Wohlan denn, noch eine Kanne! Ich wollte, du hieltest noch lange Stich, denn was mich betrifft, mein Freund, siehst du ... Auf seinen Bauch deutend. da drin haben noch viele Kannen Platz!

Beide haben unterdessen schon zwei frische Kannen genommen.


II.


FALSTAFF singt.

Und als ich vertreten die Kinderschuh',

Hop heisa bei Regen und Wind,

Da schlossen die Mädel sich vor mir zu,

Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.

Und ist die Tasche leer,

Und wird die Flasche leer,

Kommt Würfel raus!

Glück ist ein spröder Gast!

Wer es beim Schopfe faßt, –

ERSTER BÜRGER versucht mitzusingen, konfus, aber heiter.

Glück ist ein spröder Gast – Schopfe faßt –

VIERTER BÜRGER zum ersten, spricht, ihn abhaltend.

So schweig doch still!

FALSTAFF.

Führt es nach Haus, ja,

Führt es nach Haus!

FALSTAFF zum ersten Bürger, gesprochen. Kerl, du singst ja falsch wie ein Rabe! Nun, so halt wenigstens ordentlich Takt! – In Positur! Gesungen. Haltet euch bereit!

CHOR.

Bereit![36]

FALSTAFF.

Macht die Kehlen weit!

CHOR.

Weit!

FALSTAFF.

Eins – zwei – und –

CHOR.

Drei!


Nach dem Trinken.


Bravo!

FALSTAFF UND DER ERSTE BÜRGER trinken aus in langem Zuge und reichen die geleerten Kannen dem Kellner zurück. Während des Trinkens schon nimmt Falstaff Würfel aus seiner Tasche und schüttelt damit. Unmittelbar nach dem Austrinken wirft er auch schon, indem er an den Tisch getreten ist und sagt. Gut stehn sie! Seht da, Jungens! Wer hält sechs Pence?

ERSTER BÜRGER schon taumelnd, aber immer sehr heiter. Ich – halte – ich – Er nimmt die Würfel. Seht da – gut steh – Er fällt vornüber der Länge nach um.

FALSTAFF. Gut stehn sie! – Da liegt der Tölpel! – Fort aus meinen Augen mit diesem Belege von Unmäßigkeit und Völlerei! Der erste Bürger wird hinausgetragen. Aber vergeßt nicht, daß er fünfzehn Pence an mich verloren hat, denn Spielschulden sind Ehrensachen.

DRITTER BÜRGER Karikatur, hinkt, ist etwas bucklig und spricht im Diskant. Das muß wahr sein, Sir John, Ihr seid ein gewaltiger Held, und wir gestehen Euch nach Gerechtigkeit zu, daß Ihr die Zeche gewonnen habt! Es lebe Sir John!

ALLE. Er lebe!

VIERTER BÜRGER. Doch nun müssen wir machen, daß wir fortkommen, es wird sonst zu spät zur Vogelbeiz.

DRITTER BÜRGER. Ja, gehen wir!

Alle gehen ab durch die Haustür.


FALSTAFF den Bürgern nachsehend. Ich wünsche euch, daß ihr lauter solche Galgenvögel, wie ihr selber seid, fangen und euch untereinander die Hälse umdrehen mögt! – Ist das ein schlechtes Gesindel! – Diese Heimchen wollen mit dem alten Hans um die Wette trinken! Diese Pfennigsgurgeln! – Wenn's nur bald Zeit wäre, zu der kleinen Fluth zum Stelldichein zu gehen! – Ha, ich fühle mich so wohl, so wohl![37]


Quelle:
Otto Nicolai: Die lustigen Weiber von Windsor. Stuttgart 1962, S. 33-38.
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