Zehnte Scene.

[10] Major. Paddemann.


PADDEMANN. Guten Morgen, Herr Major, habe die Ehre, Ihnen guten Morgen zu wünschen – Störe doch nicht?

MAJOR. Macht sich.

PADDEMANN. Wollte nicht verfehlen, dem Herrn Major die vierteljährlichen Zinsen von Ihrer Hypothek zu bringen.

MAJOR. Ach so, – bitte, legen Sie dahin![10]

PADDEMANN. Zugleich aber auch als Wirth des Hauses meine Aufwartung machen, den Herrn Major fragen, ob Sie vielleicht irgend etwas in Ihrer Wohnung befehlen, vielleicht Ofen umsetzen – Oder zieht ein Fenster – oder –

MAJOR. Danke, Herr Paddemann, Alles in Ordnung. Etwas Platz nehmen? Cigarre rauchen? – Bitte, bedienen Sie sich dort.

PADDEMANN. Zu gnädig, Herr Major – wenn Sie einen Augenblick erlauben.


Major setzt sich an den Tisch rechts, wie vorhin, Paddemann links, steckt sich eine Cigarre an.


MAJOR. Nichts Neues?

PADDEMANN. Immer noch nicht, so viel ich weiß. Se heddern sich diesmal höllisch lange herum.

MAJOR mit den Fingern auf den Tisch trommelnd. Womit meinen Sie, Herr Paddemann?

PADDEMANN. Ich meine, eh' es nu wirklich losgeht, Herr Major.

MAJOR. Ach so, mit dem Kriege. Wie denken Sie denn als solider Bürger?

PADDEMANN reibt sich die Hände. Na, hören Se, Herr Major, es wird ene wahre Lust sein, wenn's nur erst losgegangen ist – und die Zeitungen kommen erst. Wenn man so Morgens bei de Cigarre liest von Schlachten, Belagerungen und Bombardements!

MAJOR ganz erstaunt. Alle Donnerwetter – Sie wüschen den Krieg?

PADDEMANN. Ja, warum denn nich? – Sehn Sie, Herr Major, unser Eener braucht nicht mehrmit und kann die Sache also abwarten. Jetzt, wenn man des Abends zu seine Weiße geht, sitzen se Alle da – Keener weeß en Wort zu sprechen. Nachher wird de Sache ganz anders – wenn se sich man erst en Bisken faßten.

MAJOR erstaunt. Also – Sie wünschen im vollen Ernste Krieg, Herr Paddemann.[11]

PADDEMANN. Ja, Herr Major! Ich habe och keene Bange für uns – ich bin auch kein Hasenfuß –

MAJOR. Kann sein, Herr Paddemann. Aber das muß ich sagen, Sie sind der erste gute Bürger, von dem ich höre, daß er den Krieg wünscht. Der Krieg ist etwas Schreckliches. Wir alten Soldaten wissen noch davon zu erzählen. Von jetzt an immer artiger und freundlicher werdend. Bis jetzt hab' ich auch immer geglaubt, daß sich ein ruhiger und solider Bürger unmöglich nach Krieg sehnen kann.

PADDEMANN immer sehr freundlich. O – bitte recht sehr, Herr Major – warum denn nicht?

MAJOR. Weil ich bis jetzt gefunden habe, daß sich eigentlich nur ruinirte Leute den Krieg wünschen, mindestens halb ruinirte – so als kleinen Schleier über den ganzen Ruin.

PADDEMANN. Bitte recht sehr, Herr Major – nein – o nein.

MAJOR bei Seite. Warte nur, Du alter Weißbierheld! Dich will ich kuriren! Laut. Uebrigens, mein lieber Herr Paddemann, haben Sie mich da selbst auf die Gefahren des Krieges aufmerksam gemacht – ich weiß nicht, ob mein Alter daran Schuld ist – aber ich sinde, daß Kapitalien auf Häuser in der jetzigen Zeit nicht ganz sicher untergebracht sind.

PADDEMANN lang. O, so war es nicht gemeint.

MAJOR. Na, es ist jedenfalls bedenklich und so nehme ich den Moment wahr und würde Sie bitten, mir die Hypothek von 20000 Thaler am nächsten Termin auszuzahlen – ich werde die Kündigung gleich nachher schriftlich und legal besorgen lassen.

PADDEMANN zerschmettert, will aufstehen, fällt wieder zurück. Herr Major, Sie werden doch nicht? Läßt die Cigarre fallen.

MAJOR. Mein lieber Paddemann, man kann die Folgen eines Krieges nicht vorher absehen.

PADDEMANN. Na, glauben Siedenn wirklich an Krieg? Die Verhältnisse sind ja noch gar nicht so schlimm.[12]

MAJOR. Wenn auch – Sie haben mich besorgt gemacht. Es könnte doch auch in der Nähe eine Schlacht sein – man könnte hier belagert werden und bombardirt und dann könnte Ihr Haus und meine Hypothek zusammengeschossen werden. – Also besser ist besser, mein liebes Paddemännchen.

PADDEMANN aufstehend. Aber mein guter Herr Major – ich bin überzeugt, wir behalten Frieden, ich glaube an den Frieden, ich wünsche ja den Frieden. Ich bin ja Stadtverordneter, ich will nur den Frieden.

MAJOR. Bitte recht sehr – das hat ja jetzt mit unseren Geschäften nichts mehr zu thun – Steht auf. ich werde Ihnen den Kündigungs-Brief bald besorgen. Guten Morgen, Paddemännchen. Ab nach rechts.


Quelle:
Gustav von Moser: Krieg oder Frieden? Berlin [o.J.], S. 10-13.
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