Achte Erzählung.

[50] Ein Mann kommt zu seiner Frau, anstatt, wie er beabsichtigt, zu deren Kammermädchen, schickt dann seinen Nachbar hin, der ihn zum betrogenen Ehemann macht, ohne daß seine Frau irgend etwas davon weiß.


In der Grafschaft Allez lebte ein Mann namens Bornet, der eine Frau aus gutem Hause geheirathet hatte, deren guter Ruf ihm sehr am Herzen lag, wie ich glaube, daß es alle hier anwesenden Ehemänner ebenso mit Bezug auf ihre Frauen thun. Obgleich er nun verlangte, daß sie ihm die Treue bewahrte, wollte er umgekehrt für sich nicht gleiche Beschränkung und verliebte sich in das Kammermädchen seiner Frau, denn Abwechselung ergötzt den Menschen. Er hatte überdies einen Nachbarn namens Sandras, der Schneider seines Standes und im übrigen gerade so geartet wie er selbst war. Die Freundschaft zwischen ihnen war so groß, daß, von ihren Frauen abgesehen, sie Alles miteinander theilten. Er theilte deshalb seinem Freunde seine Absichten wegen des Kammermädchens mit. Der fand sie nicht nur vortrefflich, sondern half ihm nach Kräften, allerdings in der Hoffnung, am Siege betheiligt zu sein. Das Kammermädchen war aber nichts weniger als fügsam, und als sie sich von allen Seiten bedrängt sah, theilte sie ihrer Herrin Alles mit und bat, ihr eine Reise zu ihren Eltern zu erlauben, weil sie in dieser ewigen Bedrängniß nicht weiter leben könnte. Da jene aber ihrem Mann zugethan war und schon lange Verdacht gegen ihn hatte, war sie über die Gelegenheit, ihm einmal zeigen zu können, wie Recht sie mit ihrem Zweifel gehabt hatte, ganz erfreut. Sie sagte deshalb ihrem Kammermädchen, sie solle nur aushalten, sie möchte sich sogar ihrem Mann entgegenkommend zeigen und ihm für eine Nacht ein Stelldichein in ihrem Kleiderzimmer geben, ihr selbst[50] aber genau die Nacht nennen und Sorge tragen, daß kein Anderer etwas davon erfahre.

Das Kammermädchen that ganz, wie ihre Herrin ihr geheißen, worüber deren Mann so vergnügt wurde, daß er seinen guten Freund festlich bewirthete. Ueber dem Essen bat ihn dieser, er solle ihm, da er seinerseits ihm behülflich gewesen sei, einen Theil der nächsten Nacht abtreten, was jener versprach. Als nun die verabredete Stunde gekommen war, ging er zu dem Stelldichein und zwar, wie er vermuthete, mit dem Kammermädchen. Seine Frau aber hatte die Rollen vertauscht und war für diese Nacht ihre Dienerin geworden und empfing ihn nicht wie eine verheirathete Frau, sondern wie ein verschüchtertes Mädchen und zwar so gut, daß ihr Mann nichts merkte. Es wäre schwer zu sagen, wer von beiden vergnügter war, er in dem Gefühl seine Frau zu hintergehen, oder sie in dem Bewußtsein, ihren Mann zu täuschen. Nachdem er ziemlich lange bei ihr geblieben war, verließ er sein Haus und suchte seinen Freund auf, der viel jünger und kräftiger als er selbst war. Sie zechten eine Weile zusammen, bis dieser ihm sagte: »Ihr wißt doch noch, was Ihr mir versprochen habt?« »Nun.« erwiderte jener, »dann geht schnell, daß sie nicht erst aufsteht oder meine Frau sie ruft.« Der gute Freund ging hinüber und fand auch noch das vermeintliche Kammermädchen, das in der Meinung, es sei ihr Mann, ihm nichts verweigerte. Er blieb viel länger bei ihr als ihr Mann, was sie einigermaßen in Erstaunen setzte, denn sie war von Seiten ihres Mannes nicht mehr recht an solche Nächte gewöhnt. Dennoch hielt sie geduldig aus und freute sich schon im Voraus auf die Bemerkungen, die sie ihm am andern Morgen machen, und den Spott, mit dem sie ihn empfangen würde.

Bei Tagesanbruch verließ sie der Freund und als er fortging, zog er ihr wie im Scherz einen Ring vom Finger. Es war ihr Trauring, den die Frauen jener Gegend sorgfältig hüten, denn es wird dort eine Frau, die ihn bis zum Tode trägt, hoch geschätzt, während man von einer, die ihn auch nur durch Zufall verliert, gleich sagt, sie habe ihrem Mann die Treue gebrochen. Sie war ganz zufrieden, daß er ihn mitnahm, weil sie vermeinte, sie würde ihrem Manne vermittelst dieses Ringes seinen Irrthum am besten[51] beweisen können. Als der gute Freund zum Ehemann zurückgekehrt war, fragte ihn dieser, wie es gewesen sei, worauf jener antwortete, er sei ganz zufrieden, und wenn es nicht Tag geworden wäre, wäre er noch länger geblieben. Darauf gingen Beide zu Bett und schliefen den Schlaf des Gerechten.

Als sie am andern Morgen sich anzogen, sah der Ehemann am Finger seines Freundes einen Ring, der ihm große Aehnlichkeit mit dem Trauring seiner Frau zu haben schien. Er fragte deshalb, von wem er den Ring habe, und als er hörte, daß ihn jener dem Kammermädchen vom Finger gezogen habe, wurde er sehr verdutzt, schlug sich mit der Faust vor die Stirn und sagte: »Donnerwetter, sollte ich mir am Ende selber Hörner aufgesetzt haben, und meine Frau weiß nichts davon?« Der gute Freund suchte ihn aber zu trösten, indem er ihm sagte: »Vielleicht hatte nur Eure Frau am Abend den Ring ihrer Zofe zum Aufheben gegeben.«

Der Mann stürzte nach Hause, wo er seine Frau schöner und vergnügter als gewöhnlich vorfand. Sie freute sich eben, ihrem Kammermädchen aus der Verlegenheit geholfen und bezüglich ihres Mannes Alles, was sie wollte, erfahren zu haben, ohne daß es sie mehr als ihre Nachtruhe gekostet hatte. Als ihr Mann sie so voller Freude sah, sagte er bei sich selbst, wenn sie wüßte, was mir diese Nacht widerfahren ist, würde sie mich nicht so gleichmüthig empfangen. Dann unterhielt er sich mit ihr, nahm wie zufällig ihre Hand in die seine und bemerkte, daß sie den Ring nicht mehr trug, der sonst nie von ihrem Finger kam. Sehr erschreckt fragte er sie mit zitternder Stimme: »Was hast Du mit Deinem Ring gemacht?« Sie war sehr froh, daß er selbst auf den Gegenstand zu sprechen kam und sagte lächelnd: »O du böser Mann, wenn willst Du ihn denn weggenommen haben? Du glaubst wohl, es war meine Zofe, der zu Liebe Du mehr Kräfte verschwendet hast, als je für mich. Denn als Du das erste Mal bei mir lagst, warst Du so verliebt, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß Du es noch mehr sein könntest; aber als Du eine Weile fortgegangen und dann wiedergekommen warst, warst Du ganz außer Rand und Band. Und dann stelltest Du Dich hin, Du Thor, und lobtest meinen Körper, meine Schönheit und meinen Wuchs, die Du so lange schon kennst, ohne[52] darüber je in solches Entzücken gerathen zu sein. Es ist also garnicht etwa die Schönheit des Mädchens, welche Dir das Vergnügen zu einem so großen machte, sondern der Betrug und die Hinterlist verlieh ihm einen besonderen Reiz, daß Du ganz blind wurdest und in Deiner Liebesgluth für die Zofe auch eine aufgeputzte Alte für ein schönes junges Mädchen gehalten hättest. Nun aber wird es Zeit, mein Herr Gemahl, daß Ihr Euch bessert und Euch mit mir zufrieden gebt, die ich Eure Frau und eine ehrbare Frau bin, wenngleich ich einmal die Rolle einer Koketten spielte. Was ich gethan habe, geschah nur, um Euch vom schlechten Wege abzubringen, damit wir fernerhin in Frieden und Eintracht weiter leben. Denn wenn Ihr so fortfahrt wie bisher, will ich mich lieber von Euch trennen als zusehen, wie Ihr Euch Seele und Leib zu Grunde richtet. Wenn Ihr aber Euren Irrthum einsehen und Euch vornehmen wollt, fernerhin ein Gott gefälliges Leben zu führen, so will ich Euch Euren Fehler verzeihen, wie ich Gott bitte, mir zu verzeihen, daß ich ihm nicht in allen Stücken so diene, wie ich müßte.«

Der arme Mann war sehr niedergeschlagen und der Verzweiflung nahe. Er sah, wie schön und sittsam seine Frau war, und nicht genug, daß er sie um einer anderen willen, die ihn garnicht liebte, vernachlässigt hatte, war sie auch ein Opfer seines eigenen Betruges geworden, und ein anderer hatte ihre Liebe mitgenossen, die ihm allein gehörte. Und nur sich allein hatte er die ganze Schande und den Spott zuzuschreiben. Als er sie nun erregt und zornig sah, hütete er sich wohl, ihr zu sagen, welchen Streich er ihr gespielt hatte. Er bat sie um Verzeihung, versprach reuig seinen liederlichen Lebenswandel aufzugeben und gab ihr ihren Ring zurück, den er seinem Freunde vorher abgenommen hatte. Obwohl er diesen inständig gebeten hatte, nichts von der Nacht zu erzählen, ging es ihm mit seinem Abenteuer wie mit allen Geheimnissen, von denen bald die Sperlinge auf den Dächern erzählen, und bald hieß er nur der von seiner Frau wider ihren Willen Betrogene. So schloß Longarine und fuhr dann fort:

»Wenn nun, meine Damen, alle Männer, welche ihre Frauen vernachlässigen, so bestraft würden, so glaube ich, daß Hircan und Saffredant besonders begründete Angst haben müßten.« »Ei[53] Longarine,« erwiderte Saffredant, »sind wir beide, Hircan und ich, denn die beiden einzigen Verheiratheten in der Gesellschaft?« »Allerdings giebt es solche noch, aber keine, denen solche Streiche zuzumuthen wären.« »Wo habt Ihr denn gesehen, daß wir den Zofen unserer Frauen nachgelaufen sind?« »Wenn die, die das angeht, mit der Wahrheit nicht zurückhalten wollten, würde sich wohl manches Kammermädchen finden, das vor Ablauf ihres Dienstes entlassen worden ist.« »Wahrlich«, unterbrach sie hier Guebron, »Ihr seid gut; anstatt uns lachen zu machen, wie Ihr verspracht, säet Ihr nur Zank und Zwietracht.« »Das ist ganz gleich, wenn sie sich nur nicht schlagen, das würde uns nur erst recht zum Lachen bringen.« »Immerhin würdet Ihr, wenn unsere Frauen Euch glauben wollten, unser schönes Einvernehmen stören«, sagte Hircan. »Ich weiß schon, was ich sage«, erwiderte ihm Longarine; »Eure Frauen sind so verständig und lieben Euch so, daß, wenn Ihr sie auch auf das schmählichste betrügen würdet, sie immer noch sich selbst und der Welt einreden würden, sie seien auf Rosen gebettet.« Alle lachten, selbst die, gegen welche diese Bemerkungen gerichtet waren, und man ließ diesen Gegenstand fallen. Dagoucin aber, der bisher nur ein stummer Zuhörer gewesen war, konnte nicht umhin zu bemerken, daß derjenige Mensch recht unvernünftig sei, der zufrieden sein kann mit dem, was er hat, und doch nach anderen Dingen die Hände ausstreckt; »denn ich habe oft gesehen, daß man im Verlangen nach Besserem nur schlimmer fährt und dann nicht einmal bedauert wird, denn Unbeständigkeit ist immer tadelnswerth.« »Aber was wollt Ihr thun«, fragte Simontault, »wenn Ihr noch nicht Eure schönere Hälfte gefunden habt? Nennt Ihr Unbestand, sie allenthalben zu suchen, wo sie nur anzutreffen sein könnte?« »Da der Mensch nicht wissen kann«, antwortete Dagoucin, »wo diese schönere Hälfte, deren Vereinigung mit ihm erst ein Ganzes bildet, sich findet, muß er dort stehen bleiben, wo die Liebe ihn hingeführt hat, und darf dann, was auch immer geschehen mag, nie wankelmüthig werden. Denn wenn die, die Ihr liebt, Euch ganz gleich und von derselben Treue wie Ihr beseelt ist, so liebt Ihr am Ende in ihr nur Euch selbst.« »Ich meine«, sagte hier Hircan, »wenn unsere Liebe in der Schön heit, Liebenswürdigkeit und Jugend[54] einer Frau ruht und unser Ziel Vergnügen, Ehrgeiz und Reichthum ist, daß dann die Liebe nicht lange dauern kann, denn sobald die Grundlage unserer Liebe fortfällt, verfliegt sie selbst. Ich bleibe aber bei meiner Meinung, daß der Liebende kein anderes Ziel hat, als innig zu lieben und den Tod einem Verlust dieser Liebe vorziehen würde.« »Hiernach kann ich nicht annehmen«, wandte sich Simontault an ihn, »daß Ihr jemals verliebt gewesen seid; denn hättet Ihr einmal das Feuer der Liebe gleich uns gefühlt, so würdet Ihr uns hier nicht von der Republik Platos erzählen, die zwar auf dem Papier steht, in der Wirklichkeit aber sich als unhaltbar erweist.« »Und doch habe ich geliebt, liebe noch und werde so lange ich lebe lieben«, sagte Dagoucin, »aber ich fürchte so sehr, daß eine Erklärung meiner Liebe Abbruch thue, daß ich davor zurückschrecke, daß die, deren Liebe ich in gleich hohem Grade mir wünsche, etwas davon erfahre. Ich thue sogar meinen Gedanken Zwang an, damit meine Augen mich nicht verrathen, denn je mehr ich die innere Gluth verberge, um so mehr steigt in mir das Verlangen nach Gewißheit darüber, ob meine Liebe eine vollkommene ist. Dennoch glaube ich nicht, daß Ihr nicht sehr froh wäret, geliebt zu sein«, sagte Guebron. »Ich will das nicht bestreiten«, erwiderte Dagoucin, »aber wenn ich auch so geliebt würde, wie ich selbst liebe, so könnte das nicht meine Liebe vergrößern, ebensowenig wie sie umgekehrt verringert würde, wenn ich so wenig geliebt würde, als ich selbst leidenschaftlich liebe.« Parlamente, der diese Anschauung nicht ganz unbekannt war, wandte sich an ihn mit den Worten: »Nehmt Euch nur in Acht, Dagoucin, ich habe noch andere als Euch gesehen, die lieber gestorben sind, als daß sie gesprochen hätten.« »Man muß sie nur glücklich preisen«, sagte Dagoucin. »Jawohl«, unterbrach sie hier Saffredant, »sie sind sogar werth, mit unter die Unschuldigen gezählt zu werden, von denen in der Kirche gesungen wird: Nicht mit Worten, sondern mit dem Tode haben sie ihren Glauben bekannt. Ich habe von diesen verzagten Liebhabern genug reden hören, aber ich habe noch keinen daran sterben sehen, und da ich selbst diesem Schicksal entronnen bin, trotz des vielen Kummers, den ich gehabt habe, glaube ich auch nicht, daß es sich so leicht deshalb stirbt.« »Wollt Ihr denn überhaupt von Liebe sprechen«,[55] sagte Dagoucin, »wenn Ihr und die, die Eure Meinung theilen, ruhig weiter leben können? Ich habe selbst genug sterben sehen, deren ganze Krankheit eine zu innige Liebe war.« »Wenn Ihr über diesen Gegenstand mehrere Geschichten wißt«, wandte sich Longarine an ihn, »so gebe ich Euch das Wort, und erzählet uns eine davon.« »Ich will Euch also eine wahrheitsgetreue Geschichte erzählen«, sagte Dagoucin, »die sich vor drei Jahren ereignet hat und in der es auch nicht an Wundern fehlt, damit ihr meine Anschauung bestätigt findet.«

Quelle:
Der Heptameron. Erzählungen der Königin von Navarra. Leipzig [o.J.], S. 50-56.
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