2.


Tisserents Kur der Lähmungen und Verrenkungen.

[116] Tisserent war vor ungefähr 30 Jahren ein reisender Wundarzt, welcher durch seine glückliche Kuren an Lahmen, Verrenkten und Gebrechlichen sehr berühmt war. Unter andern schlug er zu Frankfurt am Mayn seine Bude auf, und machte bekannt, daß er alle, die einer chirurgischen Hülfe bedürften, ohne Instrumente heilen wolle. Er verrichtete seine Kuren öffentlich auf einem Theater, im Beyseyn einer großen Menge Volks.


Es kam ein Jude zu ihm, der die Kinnlade verrenkt hatte. Sobald sich dieser ihm näherte, gab er ihm eine derbe Maulschelle, und die Kinnlade wich davon glücklich in das Gelenk zurück.


Hierauf ließ sich eine Frau zu ihm hinbringen, welche völlig kontrakt war. Er nahm sie[116] sogleich beym Arm, zerrte sie nach allen Seiten herum, so daß sie laut schrie, zog ihr die Gelenke aus einander, und gab ihr einige derbe Hiebe, so daß sie, als er sie losließ, mit vieler Behendigkeit weglief.


Wiederum kam ein Mann zu ihm, welcher lahme Füße vom Podagra hatte, und sich in einer Sänfte tragen ließ. Diesen zog er von seinem Sitze auf, nahm ihn bey der Hand, und schlug mit einem Stock so derb und anhaltend auf seine Füße, daß er um ihn herum tanzen mußte, und er heilte ihn dadurch so schnell von seiner Lähmung, daß er ohne die geringste Beschwerde, als er frey war, davon lief.


Ein anderer kam zu ihm, welcher den Oberarm verrenkt hatte. Diesen brachte er so gewaltsam wieder in sein Gelenk, daß der Kranke laut schrie. Er faßte ihn hierauf mit beyden Händen, und warf ihn rücklings über sich hinaus von dem Theater unter das Volk, und dabey so künstlich, daß er auf die Füße zu stehen kam.

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 116-117.
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